Aufgespießt

Unverschämtheiten aus Politik, Promiszene und Alltag


Die Kolumne des Teams " Aufgespießt"

Dienstag, 06. Juli 2010, 11:24
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Glimmstängel ade

von  AlmaMarieSchneider


Nach dem drastischen Stimmverlust der CSU bei den letzten Landtagswahlen in Bayern vermutete die FDP das radikale Nichtrauchergesetz als Ursache und erzwang eine Lockerung.
Mehr Freiheit für das Gaststättengewerbe und den Bürgern wurde vordergründig als Motiv genannt. Doch es war wohl der starke Druck seitens der Lobbyisten aus dem Gaststättengewerbe und der Tabakindustrie, die hier wieder einmal nur ihr Wohl in den Vordergrund zu stellen wussten.
Im freiheitlich demokratisch erstrittenen Volksentscheid wählten nun 61 % der teilnehmenden Wähler das absolute Rauchverbot in öffentlichen Räumen und Gaststätten. Ausnahmen wollte die Mehrheit nicht. Ein undankbares Volk, das soviel Freiheit einfach nicht zu schätzen weiß und starrsinnig auf gesunde Luft und guten Duft beharrt, anstatt dringend gebotene wirtschaftliche Interessen in den Vordergrund zu stellen. Es dürfte nun klar sein, weshalb Volksentscheide in Deutschland gemieden werden.
Noch bis in die 80er Jahre war der Glimmstängel ein Markenzeichen für Männlichkeit, Freiheit und Erfolg. Ein quirliges HB-Männchen verhieß, dass mit dem Genuss einer Zigarette alles wie von selbst liefe. Ein Problemlöser, den sich auch immer mehr Frauen im Zeichen der Emanzipation per Lungenzug verinnerlichten. War bis dahin die Anzahl rauchender Frauen vernachlässigbar, wurden auch sie zu einem nicht mehr zu übersehenden Kostenfaktor im Gesundheitswesen. Immer jünger wurden die Opfer der Zigarettenindustrie, bis schließlich ein Werbeverbot durchgedrückt wurde. Die Sucht wurde damit nicht besiegt. Hohe Zigarettenpreise kurbelten dazu den Schmuggel an und Aufklärung über die Auswirkungen des Rauchens verhinderten nicht, dass immer noch der Raucher als männlicher galt als der Nichtraucher. Selbst nachgewiesene vermehrte Potenzstörungen bei Rauchern ab 60 Jahre zerstörte dieses Männlichkeits-Image nicht. Wie auch. Kaum ein Film, in dem nicht geraucht wurde. Idole rauchten einfach.
Zudem setzten Raucher sich überall durch. Manager verließen die Sitzung, wenn der Aschenbecher fehlte und in vielen Firmen gehörte bei Besprechungen ein Zigarettenspender zum guten Ton. In den oberen Ebenen waren es ja fast ausschließlich Männerrunden und der Raucher hat somit schon einmal seinen Führungsbeweis und -Anspruch für alle sichtbar in den Raum geblasen. Sozusagen seine Duftmarke gesetzt.
Selbst einst Raucherin, würde ich mich heute als Nichtraucherin, im Rückblick, damals als ignorant und selbstsüchtig, ja bis rücksichtslos bezeichnen.
Stinkende Kippen, Haare und Kleidung, vergilbte Wände, tränende Augen und dicke Luft hinterlassend, fühlte ich mich wohl und beschimpfte die „intoleranten“ Nichtraucher.
Heute verstehe ich sie. Anschwärzen werde ich mich wohl nicht mehr lassen.

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 Bergmann (06.07.10)
Ich hörte erst mit 48 auf, war schwerer Raucher.
In den 80er Jahren rauchten die Freunde und Verwandten kaum noch, und immer wieder litt ich unter der Öffentlichkeit meiner Sucht, wenn ich sagte: Ich geh nur eine rauchen, selbst wenn es draußen regnete...
Aber erst ein Tinnitus (der zum Glück wieder verging) gab mir den letzten Stoß. Ich hörte am 11.1.1994 auf, heulte unmittelbar nach dem Entschluss und kämpfte dann gegen mich (meine Sucht und die abendlichen kleinen Depressionsschübe) noch Wochen und Monate, bis es vorbei war mit der 26-jährigen Raucher-Ära.
Die Zigaretten, die ich rauchte (REVAL), ergeben aneinandergelegt eine Strecke von 12 km... Die Kosten - Zahnarztrechnungen nicht mitgerechnet - betrugen um die 50.000 Euro nach heutigen Preisen.

War ich als Raucher rücksichtslos? Ja.
Bildete ich mir ein, als Raucher etwas Besonders zu sein, eine feinere Lebensart zu haben, kommunikativer und kreativer als andere zu sein? Ja.
Mit dem Sieg über meine Nikotinsucht wurde ich erwachsener.
wortverdreher (36)
(06.07.10)
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 AlmaMarieSchneider (06.07.10)
@ Bergmann
Seltsamerweise hörte ich auch mit 48 auf zu rauchen. Leider mußte mir gesundheitlich buchstäblich erst das Wasser bis zum Halse stehen.
Danke für Deinen Kommentar

@wortverdreher
Ich dachte auch erst, mein Gott, Volksentscheid, was das wieder Geld kostet. Doch mich ärgerte der Einfluß der Tabakriesen und Gaststättenlobbyisten auf politische Entscheidungen und daß deren Wohl über die Gesundheit der Bürger gestellt wurde.
38% haben nun entschieden und der träge Rest soll sich nicht beschweren. Sie hatten auch eine Stimme.

 AlmaMarieSchneider (07.07.10)
Liebe eilika, das hat ja bereits groteske Formen angenommen. Ich hoffe man muß nicht noch auch Mitgliedsbeiträge zahlen.
Schwammige Gesetze bieten Abzockern immer Lücken.

Liebe Grüße
Alma Marie
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