im (schon fast alltäglichen) Rausch

Text zum Thema Drogen/ Alkohol

von  engelsgleich

Sie hatte sich mal wieder mit ihrer Mutter gestritten.
Das kam zur Zeit oft vor.
Sie sei zu selten zu Hause. Sie sei so abwesend. Würde sich zu wenig um den Haushalt kümmern.
Sie wollte das doch auch nicht, sie wusste, dass sie sich verändert hatte.
Aber sie wusste nicht, was sie dagegen tun sollte.
Es war immer das Gleiche.

Sie rief ihren Freund an und sie fuhren zu einer Bar.
Die Anderen waren auch da. Ihre Freunde. Eher die Freunde ihres Freundes, dachte sie bei sich. Doch sie verstand sich gut mit ihnen.
Es war eine tolle Bar, sie war gerne da. Es war gemütlich. Und alle schienen sich zu mögen. Manchmal bekam man etwas vom Chef spendiert. Diesmal ein Erdbeer-Limes.
Sie mochte Erdbeer-Limes eigentlich nicht. Es schmeckte wie flüssige Marmelade. Doch es war nicht viel, nur ein Schluck. Sie prostete mit den Anderen an und trank das Schnapsglas aus.
Langsam entspannte sie sich. Sie begann sich wohl zu fühlen. Es wurde viel gelacht.
Ein Typ der am Nachbartisch saß beobachtete sie. Sie ignorierte ihn.
Dem Erdbeer-Limes folgten noch zwei Jacky Cola. 
Es half.
Es war immer das Gleiche.

Der Raum schien größer zu sein als zuvor. Alles drehte sich und ihr linkes Bein zitterte unaufhörlich. Vorsichtig stand sie auf, stütze sich auf der Schulter ihres Freundes ab. „Alles ok?“, fragte er. „ja...“, sagte sie mit schwacher Stimme, „ ja, alles ok, ich geh mal kurz auf’s Klo.“
         
Sie wusste nicht mehr genau, was sie noch getrunken hatte.
Zu viel. Mal wieder.
Ein bisschen Wodka, ein bisschen Tequila, ein bisschen Bier.
Und sie hatte gekifft.
Er hatte eine starke Mischung gemacht, mehr Gras als Tabak.
Sie liebte das Gefühl nach dem Rauchen. Es war, als würde sie über allem Schweben.
Als wäre alles egal. Als hätten sich ihre Probleme in Luft aufgelöst. Sie brauchte es einfach. Sie konnte sonst nicht schlafen.
Sie öffnete die Toilettentüre. Die Türklinke sah komisch aus. War es die Klinke? Nein, sie selbst sah anders. Es  war, als würde sie durch den Sucher einer Digitalkamera schauen.
Ihr war schlecht.
Bauchschmerzen.
Sie hatte das Gefühl, dass sie nie wieder verschwinden würden.
Zittrig kniete sie auf den Boden. Er war dreckig, aber das war ihr egal. Die Toilettentüre ließ sie offen. Es war nicht wichtig, ob man sie so sah. Es war wichtig, dass die Bauchschmerzen aufhörten.
Sie starrte in die Schüssel.
Sie hasste es zu Kotzen. Sie würgte, hatte Angst zu ersticken.
Und es weckte in ihr den Gedanken, dass sie damit aufhören sollte.
Sie kniete so oft vor einem Klo.
Kotzte sich die Seele aus dem Leib.
Es war immer das Gleiche.

Als sie zum Tisch zurückkehrte, ging es ihr ein bisschen besser.
„Wo warst du so lange?“, fragte ihr Freund.
Sie war lange Zeit in der Toilette sitzen geblieben und hatte ins Leere gestarrt. Sie hatte nicht viel nachgedacht. Sie war nur zu müde zum Aufstehen gewesen.
„Egal.“, sagte sie.
Sie zündete sich eine Zigarette an.

Ihr Freund und ein Junge, den sie nicht so gut kannte, unterhielten sich. 
Der Typ am Nebentisch starrte sie schon wieder an.
Sie schlürfte laut ihr Glas aus und starrte zurück.
Schnell drehte er sich weg.
Ihr Freund stupste sie an. Er deutete auf den Jungen mit dem er gerade gesprochen hatte. „Kommst du mit? Er hat auch noch was zum Rauchen dabei...!“, flüsterte er.
Sie dachte an die Kloschüssel, an den Gestank, an den widerlichen Geschmack im Mund nachdem sie gekotzt hatte.
Und dann dachte sie an das Gefühl das sie haben würde, wenn sie mitrauchte.
Sie stand auf: „Gehen wir!“

Es war immer das Gleiche.
Und sie fragte sich,
ob sich irgendwann etwas ändern würde.

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Kommentare zu diesem Text

Einzigartig (42)
(11.08.06)
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 engelsgleich meinte dazu am 12.08.06:
Danke für das Lob, freut mich, dass der Text dir gefällt. :)

Ich versuch manche Dinge mit meinen Texten zu verarbeiten.
Aber du musst dir keine Sorgen machen...!

Lg, engelsgleich
(Antwort korrigiert am 12.08.2006)
tagträumerin (16)
(23.08.06)
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 engelsgleich antwortete darauf am 23.08.06:
Also, irgendwie ist hier nur ein Viertel von dem Kommentar, den ich in meiner Mail gelesen hab... ^^
Aber du hast recht - man selbst bereut es auch irgendwann. Nicht früh genug, leider..

Danke für den Kommentar! :)
lg, engelsgleich
tagträumerin (16) schrieb daraufhin am 23.08.06:
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samueltonotice (25)
(25.08.06)
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 engelsgleich äußerte darauf am 25.08.06:
Hey du!
Danke dir.. :)
Ja, so wollte ich das auch schreiben... dass man es sich vorstellen kann, es eben vor Augen sieht.
Freut mich, dass du den Text so nachempfinden kannst und ich dich zum Nachdenken gebracht hab.. lg, Kathrin
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