Der schöne Quasimodo

Text zum Thema Behinderung

von  Martina

Jeff war nicht schön im eigentlichen Sinne. Seine Figur wirkte klein und gedrungen und beim Gehen zog sein linkes Bein etwas nach. Ein Geburtsfehler, den er schon so oft verflucht hatte.

Er machte ihn dafür verantwortlich, dass er kein Mädchen bekam. Wer wollte schon einen Krüppel? Gegen all die Männer aus den Modekatalogen fühlte er sich wie Quasimodo. Er hatte den Glöckner von Notre Dame mal im Kino gesehen, und er dachte bei sich: Wenn ich eine Rolle als Schauspieler in diesem Film hätte annehmen müssen, dann wäre die Rolle dieses buckligen Typen für ihn direkt wie auf den Leib geschrieben gewesen.

Jeff schaute sich in dem kleinen Cafe um. Jeden Tag verbrachte er seine Mittagspause hier. Doch heute hatte er frei, und trotzdem war er hierher gekommen, wohl aus reiner Gewohnheit. Wo sollte er auch sonst hin? Er hatte nicht viele Freunde. Um genau zu sein, er hatte gar KEINE Freunde. Dabei war er eine Seele von Mensch.

Seit seine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, war er allein. Naja fast, wenn man den alten Kater Carlo nicht mitrechnete, mit dem er seine Wohnung schon 3 Jahre teilte. Damals hatte er ihn genau vor diesem Cafe herumlungern sehen.

Zuerst wollte er achtlos an diesem roten Fellbündel vorbeigehen, doch da entdeckte er sein Humpeln. Sie waren Liedensgenossen. Ein Auto hatte ihn wohl an der rechten Hinterpfote gestreift. Er hatte versucht, die Halter ausfindig zu machen, doch er schien keinem zu gehören, und er schien ebensowenig von jemandem vermisst zu werden.

Nun war er ein humpelnder Mann mit einem hinkenden Kater. Was für eine Ironie des Schicksals!  Es war fast zum totlachen, wenn ihm nicht gleichzeitig zum Heulen zumute gewesen wäre. Aber egal, er wollte dem Leben und Gott nicht zürnen. Er hatte trotz allem noch soviel mehr als andere. Er sollte dankbar sein. Plötzlich schämte er sich.

Er bezahlte und verließ eilig das gemütliche Cafe. Sein Gang führte ihn direkt zu der kleinen Kapelle. Dort zündete er gleich eine Kerze für seine Eltern an und sprach ein kleines Gebet. Auch wenn es jetzt blöd klingen mag, sagte er zu sich selbst, aber irgendwie ging es ihm jetzt besser.
Und er hätte damals niemals geglaubt, wenn ihm einer erzählt hätte, dass er hier draussen vor der Kapelle, auf der Steintreppe mit der Frau seines Lebens zusammenstoßen würde.

Damals war sie verzweifelt und tränenblind, lief ihm in diesem Zustand direkt in die Arme und blieb. Ja, sie war eine Schönheit mit Herz, fiel aber leider auf ebenso einen Schönling ohne Herz herein. Ihr Verlobter war ein Weiberheld erster Güte. Jeff, der vorher noch genau diese Art Machos bewunderte, und liebend gern getauscht hätte, begriff in diesem Moment, dass Schönheit allein eben nicht alles war.

Sie hatte zwar keine körperlichen Schäden, aber ihre Seele war schwer verletzt worden. So haben sie, jeder in seiner Not, zueinander gefunden.
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er sollte jetzt nach Hause gehen, zu Carlo. Auch seine Frau würde sich schon Sorgen machen. Manchmal konnte er sein Glück gar nicht fassen, und auch nicht, dass es ihm wie eben grad wieder mal nicht bewusst war.

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text

Skandia (43)
(20.11.09)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Martina meinte dazu am 20.11.09:
Ich bedanke mich für das erste Kommentar zu diesem Text. Die Leser ziehen wohl kürzere Texte vor, längere werden seltener gelesen....Liebe Grüße Tina.
Skandia (43) antwortete darauf am 21.11.09:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
SternenStaub (65) schrieb daraufhin am 22.11.09:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Martina äußerte darauf am 22.11.09:
Ich bedanke mich ganz herzlich für deinen Kommentar und Besuch bei mir. Tut ebenfalls gut =) Lg Tina.
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram