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Text

von  RainerMScholz

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Katja war ein Meter achtzig groß und 37 Jahre alt (also ungefähr ein Drittel älter und größer als ich). Sie hatte lange brünette Haare und war - nun man könnte wohl: recht lustig und fidel, keinem Spaß abgeneigt, sagen. Sie hörte gerne Heavy Metal. Wie selbstverständlich lernten wir uns im 'Easy' kennen, einer Rockerkneipe am Ende einer Sackgasse in Frankfurt-Sachsenhausen. Sie hatte einen richtigen Job in der Offenbacher Stadtverwaltung. Und da Gegensätze sich meiner Meinung nach nicht kausal anziehen, trennten wir uns bald wieder. Spätestens, nachdem wir eingesehen hatten, dass zwischen uns in diesem Leben keine sexuelle Spannung  mehr entstehen sollte, aus mir nicht ganz unerfindlichen Gründen, auch wenn ich mich längst nicht an alles erinnern kann und das auch nur ganz verschwommen. Aber Frauen, die morgens das laue abgestandene Bier von gestern Abend trinken, gleich nach dem Aufstehen aus der versifften braunen Bindingflasche - wie gesagt, ich erinnere mich nur vage. Katja war schon in Ordnung. Genau die Richtige für diese Periode eines blutigen Lebensabschnittsdisasters. Und Spaß gemacht hat es auch irgendwie. Wahrscheinlich. Als anarchisches Alkoholikerdasein mit Bukowski-Qualitäten und ein stetes Leck-mich-am-Arsch-Tremolo in eins fielen. Immer diese Stimmen im Ohr, die flüstern: Sie kriegen dich, sie haben dich bereits, sie kriegen dich, sie haben dich bereits... Motörhead:"Born to raise Hell". Nur dass ich keine Harley besessen habe, geschweige denn einen Schein, um die fahren zu dürfen, noch einen besonders harten Rocker abgab, eher so eine Art Lappen morgens um sieben am Kiosk. Aber intellektuell war ich natürlich immer noch auf der Höhe, wenn ich das `mal so sagen darf. Deswegen hatte ich auch bald nicht mehr allzu viele Freunde dort am Lindenbaum, bei Anna, der griechischen Besitzerin der Trinkhalle bei mir um die Ecke. Aber Kofferschmeißen, das war irgendwie schon wieder cool, fanden die. Die Tagediebe mussten da ja nicht aufkreuzen, sondern kassierten von der Stütze. Die haben leicht reden. Der Asso, der nachts die Knochen hinhält, um dann morgens noch die Chuzpe zu besitzen, gelegentlich an der Uni reinzuschauen und ein Referat über Ernst Jünger zu halten, amerikanischen Behaviorismus oder den kategorisch kataklystischen Imperativ. Cool! Und dann fahre ich endlich nach Hause, sehr schlafwandelnd, trinke noch ein Bier vor dem Fenster und sehe mir die Idioten da draußen an, die da herumstrampeln wie kranke Fische und sich abkämpfen für nichts und wieder nichts, während der Idiot hier drin den Plan in der Tasche zu haben meint und dann ins Bett geht.
Schade Katja, denn ich war

Betrunken um sieben Uhr morgens

Wenn die Kanone
nach hinten losgeht,
wieder und wieder.
Wenn ich
im Koma liege
und von weißen Mäusen
spreche, die
die Wände
zerfressen
im Deliriumknast.
Rotweinflaschen
auf dem Resopaltisch,
geleert
immerhin
von kundiger Kehle.
Ein Klirren
von Glas, als
zerbräche
ein weiteres Stück
von meinem Herzen,
das verschwände
im hellen Dunkel
einer gleißendschwarzen
Anti-außen-spiegel-welt
draußen
im Innen.

Kreischende wilde Frauen.
Hysterische Frauen.
Ineinanderstürzende,
an der Demut gewachsene,
zerbrechlich unwiderstehliche,
lebendgebärend totschreiende
wahnirrwitzig selbstverliebte uneigennützige
heilige Frauen.
Tote
und begrabene Bilder
von Göttinnen und Götzen.
Ruhige, sanfte,
blonde Teufelin,
die mich an
ihren Brüsten
zerschmilzen lässt.
Die alles wusste,
bevor es geschah.
Der Wahnsinn
und die brennenden Feuer
im Innern
rasender
nuklearer Zerfallsreaktionen.
Dann abermals
das leise Klirren
wie von Glas:
Der Sprung von der Klippe;
die zarte Saite,
die reißt
und ganze Opernhäuser
zum Einsturz bringt.
Schwarze Teufelin.
Roter Sukkubus.

Alleine
und isoliert
in einer
Übervölkerungswelt.
Kein Paradoxon,
das noch Kraft besäße.
Der Irrsinn
schleicht sich
von hinten an,
wie ein Schatten
in der Nacht.
Ich war einmal stark.
Nun bin ich ein Wrack.
Seht mich an
und lacht mich aus.
Blutgesicht.
Körperbruch.
Das Blau der Venen
läuft spiegelverkehrt.
Die Lähmung
unumkehrbar irreversibel.
Die Mauern
waren zu hoch,
die Gräben zu tief.
Ich weiß nicht,
was ich von euch
noch wollen könnte
und ihr werdet nicht wissen,
welches Loch
tief
genug sei für mich.

Nur den Tod
werde ich einladen noch
zu mir.

So ging auch das vorüber. Wie alles andere.

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