Der Kracher - eine Fortsetzungserzählung Teil III

Erzählung

von  pentz

Auf dem Klo

„Ich müsste mal auf den Lokus.“, frage ich normal. Okay, der zweite Satz ist schon ein bisschen provokant: „Ist das hier wenigstens erlaubt?“
Der Kracher kriegt diese Frage in den falschen Hals, womöglich liegt es tatsächlich an der Formulierung, schließlich fragt er zurück.
„Müsstest du oder musst du?“ Will der damit beweisen, dass er nicht auf den Kopf gefallen ist? Dann jedenfalls hat er gut parliert.
Oder denkt er, ein Machtspiel willst du mit mir spielen, mich unter Druck setzen: „Inwiefern bist du dir sicher, dass du mich wirklich hast und nicht mehr aus den Krallen lässt? Traust du dir Risiken einzugehen, wie zum Beispiel, dass dir deine sichere Beute entfleucht, wo du ihn schon hast, indem er dir durchs Fensterchen des Klos entwischt?“
Dabei ist das völliger Blödsinn, sofern er dergestalt denkt, habe ich doch nicht die geringste Chance, aus dem zu kleinen Fensterchen im zweiten Stock zu schlüpfen und vier Meter auf das Trottoir hinab zu springen, ohne Verlust an Haupt und Gliedern.
(Man sieht in seinen Augen ein Blinken, was er natürlich selbst nicht bemerkt. Die Bestie hat Blut gerochen).
`Na gut, du Ochse´, denke ich und lächele so breitmäulig wie ein Ochsenfrosch. `Meinst, ich weiß nicht, dass ich keine Chance habe, aus dem Klo zu entwischen, schließlich befindet sich dieses im zweiten Stockwerk und hat kein Fensterchen, wie mir nicht entgangen ist. Aber dafür kann ich erst einmal Zeit gewinnen. Zeit gewinnen in solch einer Situation ist immer gut.´
Zähne zusammenbeißend stoße ich aus, natürlich so kurzangebunden wie möglich: „Muss!“
„Selbstverständlich!“, kommt es jovial. Eins zu Null für dich, oder was?
Es wird mir klar, er will Spielchen spielen, der Kracher. Kann er haben!
Er breitet die Hände aus, um mir den Vortritt zu lassen. Er will demonstrieren, wie sicher er seiner Sache ist, deswegen diese nahezu akrobatische Geste, besagend: Lass uns unser Spielchen so salopp wie möglich spielen. Das ist mir zu blöd und ich unterlasse es eine Verbeugung anzudeuten.
Ich gehe voran, stracks zur Toilette. Dabei müssen wir aber noch zwei Elevatoren hochfahren, ich voran, er dicht an mir dran, mich beinahe berührend.
Ich denke, wage nur, mir zu nahe zu kommen mit deinem ausgelotterten Körper, du wirst eine ganz schöne Schnauze angefahren kriegen, kannst du mir glauben. Und ich habe keine Angst, laut vor vielen Menschen zu feixen.
Aber es kommt nicht dazu, ist auch besser so, er wahrt den gebotenen Abstand und durchbricht nicht die geheimen Schranken eines höflichen Umgangs nach außen hin. Dennoch mustern wir uns immer wieder, taxieren des anderen Augen, blecken die Zähne dabei überfreundlich und aasig, von meiner Seite aus, um herauszulesen, was drin ist und wie weit ich gehen kann. Respekt, er hat es gleichfalls drauf, dieses aseptische Lächeln.
Am Klo müssen wir davor warten. Es ist momentan zu frequentiert.
Er hat sich lässig an den Türrahmen gelehnt und die Arme weit oben verschränkt, wobei er mich nasegelüpft mustert. Ich erwidere herausfordernd seinen Blick.
Wir müssen warten. Er verzieht keinen Wimpernschlag, starrt mich kühl beobachtend an, ich desgleichen. Ich bereue es, dass ich heute noch keinen Knoblauch gegessen habe.
Ich merke, das mein Herausforderer leider nicht so leicht aufzustacheln und in Blutrausch zu versetzen ist, sind doch provoziert blutrünstige Hunde am verletzlichsten und ungefährlichsten, weil sie leicht Fehler begehen, zu schnell zubeißen oder sonst wie zu hastig vorpreschen. Danach stehen sie unter moralischen Druck und sind geschmeidiger und biegsamer. Dies kann den Ausschlag geben und mir meinen Kopf aus der Schlinge retten...
Ein besonders widerwärtiges Lächeln bildet sich auf seinem Stoppelfeld, als zwei Personen herauskommen. Ich schniefe noch, als wäre mir ein besonders übler Geruch in die Nase gefahren und trete schließlich ein.
Ich wähle Groß, entkleide mich, entspanne mich in dem Moment, wo mein nackter Po die Kloschüssel berührt, ein intimer Moment des Alleinseins, wohltuend!
`Verfickt´, schießt es mir durchs Hirn. Aber bloß nicht fickrig werden, gemahne ich mich.
Nachdenk!
Gut, ich habe keine Idee, hier am Geschicktesten wieder heil herauszukommen. Nichts hilft, also alles auf sich zukommen lassen. Ich beruhige mich letztendlich mit der Gewissheit, dass nach momentaner Lage der Dinge nicht der Tatbestand eines Bücherklaus erfüllt ist. Also, lass dich gehen!
Als ich vorm Spiegel stehe, werfe ich einen Blick auf das schwarz-weiße Preispläpperchen, das aus den grünen Handtoilettenpapiertüchern scharfkantig herausstakt. Soll ich mir die Mühe machen, es die Kloschüssel herunterzuspülen, um definitiv ein Beweismittel verschwinden zu lassen? Ich fühle mich jedoch zu sicher und unterlasse es. Jetzt komme, was da wolle.

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram