Die Witwe

Erzählung zum Thema Krieg/Krieger

von  Regina

Obwohl sie sich stets wunderte, wie jemand eine so bittere Frucht essen mochte, servierte sie uns Kindern bei jedem Besuch ein Frühstück, das aus Butterbrot, Ei und den von uns bevorzugten gezuckerten Pampelmusenhälften bestand. Bei Spaziergängen hielt sie ihren Krückstock in die Richtung, wo einst ihr Garten gelegen hatte und nun Straßen und Mietshäuser zu finden waren. Mit Hilfe von etwas Gemüseanbau hatte sie sich in Notzeiten über Wasser halten können. 

Meiner Mutter, die hin und wieder zögerte, unsere Konsumwünsche zu erfüllen, hielt sie vor, sie solle doch froh sein, ihren Kindern etwas kaufen zu können. So konnten wir uns an Hulareifen und vielen anderen Artikeln erfreuen, die während der Wirtschaftswunderzeit zur Kinderbelustigung aufkamen und den Kriegsgenerationen nicht zur Verfügung gestanden hatten.

Sie war mit einem Flaksoldaten verheiratet gewesen und hatte schon vor dem ersten Weltkrieg sechs Kinder geboren. Nicht nur ihr Mann, sondern auch die beiden ältesten Söhne fielen zwischen 1914 und 1918 dem Krieg zum Opfer. Zwei weitere kehrten nicht aus dem zweiten Weltkrieg zurück. Ihre einzige Tochter, meine Großmutter, starb in der Nachkriegszeit im Krankenhaus bei einer Operation, so dass nur ihr jüngster Sohn seine Mutter überlebte, mein Großonkel.

Ihren Kindern ins Grab schauen zu müssen, sei das Schlimmste gewesen, was ihr passiert sei, nicht zu vergleichen mit dem Tod der eigenen Eltern oder dem Ableben des Ehemannes, das waren ihre Worte. Meine Urgroßmutter wurde 87 Jahre alt. 


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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (01.04.22, 18:02)
Im 1. Weltkrieg gab es Flakhelfer? Gab es im 1. Weltkrieg überhaupt Flugabwehrkanonen???

 Regina meinte dazu am 01.04.22 um 19:07:
so stehts bei Wikipeda: "Unter einer Flugabwehrkanone (auch Fliegerabwehrkanone genannt, kurz Flak, oder FlaK) versteht man eine ursprünglich im Ersten Weltkrieg entwickelte Waffe, die zur Abwehr von Flugzeugen eingesetzt wird. Daraus abgeleitet wurde die Flakartillerie, eine Waffengattung, die neben diesen Geschützen auch Maschinenkanonen verwendete."



 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 01.04.22 um 19:20:
Ja, und weiter?

Der Punkt ist doch der, dass bei dem Begriff "Flakhelfer" doch jeder an diese Teenager denkt, die ab 1943 dafür missbraucht wurden. 
Wenn Du weiter in Wikipedia gestöbert hättest, wärst Du drauf gestoßen, dass des den Begriff "Flakhelfer" vor 1943 nicht gab. 
Aber wenn du so darauf beharrst, dann hat Deine Großmutter mit 50 halt so einen 17-Jährigen geheiratet, was soll's!

 Regina schrieb daraufhin am 01.04.22 um 22:03:
In der Familie hieß es: "Er war bei der Flak." Also er hat eine Flugabwehrkanone bedient. 
Wie nannte man diesen Job? Nun, ich ändere mal in "Flaksoldat".

Antwort geändert am 01.04.2022 um 23:10 Uhr

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 02.04.22 um 08:42:
Du kannst es ruhig thematisieren, dass die Familie den Begriff quasi rückdatierend zweckentfremdet hat. "Flaksoldat" ist aber auch eine Lösung.

 Jedermann ergänzte dazu am 03.04.22 um 22:57:
Der Erste Weltkrieg war auch die erste Materialschlacht der Menschheit. In dieser Zeit wurde der Ausdruck Flak geprägt. Warum sollte es also nicht schon damals Flakhelfer gegeben haben?  :(

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 04.04.22 um 08:41:
Sehr witzig.

 Regina meinte dazu am 04.04.22 um 16:39:
@Jedermann: Es ist in der Tat so, wie Dieter mitteilt, dass der Begriff "Flakhelfer" ausschließlich für diese Jugendlichen von 1943 verwendet wird. 
Für die Soldaten des 1. Weltkriegs, die diese Kanonen bedienten, scheint es keine eigene Bezeichnung zu geben.

 Fridolin (01.04.22, 18:17)
Ein wunderbarer, traurig-schöner Text.
Danke dafür!

 Regina meinte dazu am 01.04.22 um 19:09:
Danke dir für deine Einschätzung.

 Jedermann meinte dazu am 03.04.22 um 22:59:
Ich erinnere mich an die bitteren Pampelmusen. Ja, sie aßen wir nur mit Zucker gesüsst!

 harzgebirgler (25.04.22, 11:58)
schon irre was das leben mit sich bringt
wenn ein krieg in seine zukunft dringt.
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