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Gedicht zum Thema Nachdenkliches

von  Tula

Das Hemd ist bügelfrei und macht
mich regulär im slim-Trend wieder fit.
Vorm Spiegel triezt mich nur die Falte
eines Zweifels, wie so’n cooles Stück denn
überhaupt den Weg in meine Hände fand, da

war gewiss ein Baumwollfeld in das im letzten
Jahr ein Bauer mit ’nem Turban auf dem Kopf
neun Monde lang das Wasser führte, bis die
Kinder mit den flinken Fingern kamen und
zig Tonnen schneeig-weicher Bausche pflückten.

Endlich wurden sie verladen – Oh! Wie da die Kinder lachten.
Darauf ging es ans Entkörnen – Rickeracke ... Danach brachten
sie’s zum Spinnen zu den Spindeln - wo die Dornenröschen schmachten,
bald zum „Schiffchen, Schiffchen webe“ - Wie im Takt die Stühle krachten!
Nach dem Färben - bunte Hände! – durften’s andere verfrachten ...

Schließlich wurde dann die Wolle unter Tausenden von
Lampen (wiederum von flinken Fingern) maßgeschneidert und
zu diesem Hemd vernäht.

Nun drehe ich mich hin und her und wäge ab,
ob’s nicht im Hemd bei sieben Euro doch an einer Stelle
fault – jedenfalls hat’s einen

Wahnsinns-Preis!


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Kommentare zu diesem Text

Teolein (70)
(29.04.22, 08:14)
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 Tula meinte dazu am 29.04.22 um 22:10:
Hallo Teo
Selbst ein Turban würde mir dabei gewiss gut stegen  :D

LG
Tula

 Regina (29.04.22, 08:22)
Und da jeder Arbeitsschritt in einem anderen Land ausgeführt wird (dort, wo diese Arbeit gerade am billigsten ist), hat die Baumwolle Tausende von Kilometern hinter sich, bis sie dir im Billigladen angeboten wird. Die Arbeiter in diesen Ländern können sich und ihre Familien kaum noch ernähren. Darum streben sie nach Auswanderung. Daneben: Wie steht es mit der Umweltbelastung? Das alles sind groteske Zustände, die der Spätkapitalismus verursacht. Bis das System zusammenbricht. Dann erst kommt Änderung.

 Tula antwortete darauf am 29.04.22 um 21:59:
Hallo Regina
Dass wir Nutznießer in einem weltweiten System ungleicher Verteilung sind, liegt auf der Hand. Diese Verhältnisse und ihre Ursachen haben sicher geschichtliche Wurzeln, die wenigstens ein paar Jahrhunderte zurückgreifen. Darüber könnte man Bücher schreiben oder hier monatelang diskutieren.

Zum konkreten Thema der gnadenlosen Ausbeutung vor allem in der Textilindustrie, insbesondere von Kindern, gab es schon einige Filme und Dokumentationen. Schockierend sind sie alle, obgleich wir erst wirklich, für einen kurzen Moment, aufwachen, wenn mal wieder irgendwo in Bangladesh oder sonstwo eine Fabrik einstürzt oder vom Feuer vernichtet wird und dabei Dutzende oder gar Hunderte von Menschen ums Leben kommen. Gab es ja alles schon.

Schwer zu sagen, ob und wie wir unserer Mit-Verantwortung gerecht werden können. Druck auf die westlichen Unternehmen, die dort lokale unter Vertrag nehmen, und auf die Einhaltung grundlegender Rechte der Sicherheit und akzeptale Arbeitsbedingungen pochen müssen, wäre eine Variante (z.B. Petitionen). Zertifikate, die belegen, dass keine Kinderarbeit im Spiel ist, gibt es wohl. Die Frage ist, wer das wie kontrolliert. Immerhin haben solche Länder starke Demokratie-Defizite und sind von Korruption gebeutelt, von gesellschaftlichen Strukturen, die mit unseren keinerlei Ähnlichkeit haben, mal ganz abgesehen.

Unterm Strich bleibt wohl nicht viel. Wir freuen uns über das Sonderangebot. Weil wir eben Glück hatten bei unserer Geburt, nicht im falschen Teil der Welt ...

Danke für deinen Kommentar.

LG
Tula

Antwort geändert am 29.04.2022 um 22:00 Uhr

Antwort geändert am 29.04.2022 um 22:00 Uhr

Antwort geändert am 29.04.2022 um 22:01 Uhr
Taina (39)
(29.04.22, 10:52)
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 Thal schrieb daraufhin am 29.04.22 um 17:14:
Ich mag es meine Lieblingssachen immer wieder zu flicken bzw. die Pullover werden ja dann gestopft; nur bei den Socken lasse ich es..
Taina (39) äußerte darauf am 29.04.22 um 21:11:
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 Tula ergänzte dazu am 29.04.22 um 22:09:
Hallo Taina und Thal
Die Idee war vielleicht nicht so richtig durchgekommen, seht bitte weiter oben meinen Kommentar.

Wenig zu konsumieren, ist sicher aus einigen Gründen empfehlenswert, wobei paradoxerweise die Wohlstandsgesellschaft gerade von der Verschwendung profitiert, ohne Konsum, der über den eigentlichen Bedarf hinausgeht, gibt es leider kein Wachstum, ohne dieses stellen sich Probleme ein, die letzten Endes die Demokratie selbst in Frage stellen. Die Blütezeit radikaler und stark populistischer Strömungen haben nicht zuletzt mit wirtschaftlicher Stagnation zu tun.

LG
Tula
Taina (39) meinte dazu am 29.04.22 um 22:28:
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 Tula meinte dazu am 29.04.22 um 22:55:
Es geht ja um die Form der Ausbeutung, vor allem von Kindern, die das Gedicht nicht umsonst benennt, einschließlich der flinken Finger usw.

Vor ein paar Tagen sah ich hier im TV einen Beitrag zu einigen indirekten Folgen des Krieges. Im konkreten Fall, der Kaffeepreis hat sich verdoppelt! Da horcht jeder Portugiese auf, bei täglich 3 oder 4 Tässchen Espresso ist das wichtig.
Dann die Erklärung: der Kilo-Preis des Rohkaffees stieg von 22 auf 44 Cents. Ich stutzte. Nach dem Rösten kommt sicher weniger als ein Kilo heraus. Aber dennoch: wieviele Espressos kann man aus 1 kg Rohkaffee machen? Doch sicher eine ganze Menge. Der Preis des Rohstoffes ist da fast unerheblich.

Also Fair Trade macht schon Sinn. Und wenn es dabei um neue Hemden ginge, wäre ich durchaus dabei.

LG
Tula

Antwort geändert am 29.04.2022 um 22:56 Uhr

Antwort geändert am 29.04.2022 um 22:57 Uhr

Antwort geändert am 29.04.2022 um 22:57 Uhr
Taina (39) meinte dazu am 30.04.22 um 06:35:
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