end-wickelt

Gedicht zum Thema Fortschritt

von  Tula

das titanische Skelett
in perfekter Symmetrie mit fest gefügten Federn,
kardanische Gelenke, synchrones Zusammenspiel der Wirbel
mit Nano-Präzision

die makellose Haut
im Perlmutt-Glanz, die erotische Spannung der Linien
einer Raubkatze im Sprung, die hypnotisierende
Glut ihrer Augen

die Kraft der zwei Herzen
im hybriden Kreislaufsystem mit blau schillerndem Blut,
die Prägnanz stetiger Umwandlung im
mobilen Perpetuum

das nie irrende Zerebrum
des Tausend-Fühlers, die kühle Berechnung
optimalen Konsums, die Fähigkeit der Vorhersage
allen Nachsehens

in der ausgepolsterten Bauchhöhle
ein aufgeblasenes Rudiment, der stammesgeschichtliche
Wurmfortsatz – Mensch
Ach!


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Kommentare zu diesem Text


 TassoTuwas (18.09.22, 09:58)
Hallo Tula,

ohne die letzen vier Zeilen liest es sich wie die Beschreibung des ersten vollautomatischen Roboter-Menschen.

Herzliche Grüße von KI und mir 
TT

 Tula meinte dazu am 18.09.22 um 12:21:
Moin TassoTuwas
Ich hatte das Gedicht mal bei einer Ausschreibung zum Thema Automobilität eingereicht. Erfolglos. Vielleicht ist es ja doch etwas zu sperrig, was ich durchaus einräume. Dass es letztendlich um den Vergleich zwischen atemberaubender Technologie und dem mitunter recht beschränkten Benutzer Mensch geht, kommt ja hoffentlich auch so irgendwie durch.

Dankend lieben Gruß
Tula
Teolein (70)
(18.09.22, 10:38)
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 Tula antwortete darauf am 18.09.22 um 12:27:
Moin Teo
Dass muss an den Weh-Wehchen liegen, die sich nach und nach einstellen. Damit lernt man den menschlichen Körper endlich besser kennen  :ermm:

Aber ganz ehrlich, ausgemachte Ingenieure glauben gern daran, dass die von ihm erfundene Technik die Natur gewissermaßen überbieten wird. Der Gedanke daran aber auch irgendwie unheimlich.

LG
Tula

 harzgebirgler (18.09.22, 11:18)
...peter sloterdijk bezeichnete einst provokativ europa als "wurmfortsatz des asiatischen kontinents" und putin oder xi sehen das vermutlich seit langem tatsächlich so.

lg
harzgebirgler

 Tula schrieb daraufhin am 18.09.22 um 12:30:
Moin harzgebirgler
Ja, auch das, oder umgekehrt.
Der Mensch als eigentlich nutzloses Überbleibsel der Evolution sollte aus Sicht der Natur selbst nicht ganz unpassend sein. Dass er sich obendrein zu einem bösartigen Geschwür entwickelt hat, lässt das Gedicht hier sogar außer acht.

LG
Tula

 EkkehartMittelberg (18.09.22, 12:18)
Wenn sich der Fortschritt end-wickelt hat, folgt ganz sicher der Rückschritt.

LG
Ekki

 Tula äußerte darauf am 18.09.22 um 12:38:
Hallo Ekki
In der Welt der science fiction Romane, Filme usw. mangelt es ja nicht gerade an düsteren Visionen einer Zukunft, in der die 'Maschinen' (im weiteren Sinne) die Kontrolle übernehmen. 
Ganz ernsthaft: der Einsatz künstlicher Intelligenz in der Waffentechnik könnte durchaus gefährlich werden. Oder denken wir an den berühmten HAL, der seinem Auftrag entsprechend ganz ohne Mensch die Mission erfolgreich zu Ende führen wollte.

Ein weites Thema. Aber eigentlich ging es mir hier um die Ironie bezüglich des Vergleichs zwischen High-Tech Auto und seinem stolzen und ansonsten völlig unvollkommenen Besitzer.

LG
Tula

 uwesch (18.09.22, 12:59)
Schon der Titel hat es in sich. Super!  LG Uwe

 Tula ergänzte dazu am 18.09.22 um 23:48:
Hallo Uwe
Freut mich, dass es dir gefällt
Dankend lieben Gruß
Tula

 AchterZwerg (18.09.22, 18:18)
Lieber Tula,
an ein Auto dachte ich sofort und wollte schon: "Das muss Liebe sein!" eintippen; dann kam die Sache mit dem Wurmfortsatz, der ja eher selten erotische Gefühle hervorruft, nä?

Gelungen ulkig. <3

 Tula meinte dazu am 18.09.22 um 23:51:
Hallo mein lieber 8er
Sehr erotisch sind diese Wurmfortsätze selten, obwohl sie mitunter mit steigendem Hubraum immer überzeugter vom ihrem Sex-Appeal sind.
Wenn sich aber mal einer so richtig entzündet! - Oh, dann ist Vorsicht geboten  8-)

LG
Tula
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