2022

Tagebuch zum Thema Verrat

von  Terminator

24.2.2022


Ich habe mich an jenem Tag verraten gefühlt. Wäre es viel früher passiert, wäre es so, als hätte mein Lieblings-MGTOW-Youtuber eine Feministin angegriffen oder sogar getötet. Die Kritik der MGTOW an Frauen und der gynozentrischen Gesellschaft mit ihrer Männerfeindlichkeit ist mehr als nur angebracht, sie ist gesellschaftlich notwendig. Aber bei Frauenhass und Mord an Feministinnen hört natürlich die Unterstützung auf.


Putin war zu dem Zeitpunkt längst ein Schurke für mich, nichts weiter als das notwendige Übel in einer Weltordnung, in der die Weltmacht USA schaltet und waltet, wie sie will, genauer gesagt, wie ihre Großkonzerne wollen. Der Kipppunkt war der August 2020, die Unterstützung der Gewaltherrschaft von Lukaschenko in Weißrussland, der die Macht nach einer offensichtlich verlorenen Wahl nicht abgeben wollte und vom Autokraten zum Diktator wurde.


Nun aber hielt ich Putin für einen Schurken mit Ehre. Die Ukraine militärisch anzugreifen war etwas, was ich selbst nach all den Enthüllungen und Recherchen des Jahres 2021 ihm nicht zugetraut hätte. Sollte er aber tatsächlich inzwischen wahnsinnig geworden sein, dann gab es immer noch den weltweit respektierten Ehrenmann Lawrow und viele weitere kluge Leute in seiner Regierung, die ihm vom Angriff abgeraten oder diesen verhindert hätten.


Leider hat der russische Generalstaatsanwalt den Präsidenten nach seiner de-facto Kriegserklärung nicht verhaftet. Leider waren nur noch Mitläufer und Mittäter in der russischen Machtelite. Leider war das Volk der Russischen Föderation weitgehend apathisch, gleichgültig, viele waren sogar für den Krieg.


Das ist nicht nur aus moralischen Gründen ein falscher Krieg. Das ist ein dummer Krieg, der Russland und die Ukraine zerstört, und nur den USA, dem erklärten Feind Putins, in die Hände spielt. Dass große, mächtige Staaten nicht bloß von Verbrechern, sondern sogar noch von dummen Verbrechern regiert werden können, habe ich nicht für möglich gehalten.



18.4.2022


Es gibt schöne, zarte, feine Kleinkinder: so stelle ich mir Engel vor. Die meisten Menschen, und ich meine explizit Erwachsene, sind für mich nervige, lästige, zugerotzte Dreijährige mit vollen Windeln.


Ich bin kein Kinderhasser: ich bin Kinderegalist. Prinzipiell bin ich kein Antinatalist, aber ich bin situativer Antinatalist, und sehe keine Umstände globusweit, unter denen ich eine Familie gründen könnte. Die Kindheit meiner Kinder kann mir nicht glücklich genug sein. Kann ich eine Engelskindheit nicht garantieren, dann halt keine Kinder.


Und nun "Krieg in Europa". Was für ein rassistischer Ausdruck: als wäre Krieg anderswo akzeptabel, aber in Europa ein Zivilisationsbruch. Krieg ist überall schrecklich. Obschon ich mehr Empathie angesichts "des Ganzen" habe als all die Gesinnungsschnüffler und Betroffenheitsdichter, ist mir die "Spezialoperation" und ihre mögliche Eskalation und Ausweitung auf andere Länder objektiv scheyßegal. Ich habe persönlich auch keine Angst vor Atomkrieg. Ich sorge mich um Menschen, die mir wichtig sind, die ich mag, die ich niedlich finde. Und es tut mir leid für die, die in ihrer Anspruchshaltung bezüglich ihrer Zukünfte in den turbulenten Ereignissen der nächsten Jahre enttäuscht werden. Mehr nicht. Ich bin allein, nicht einsam. Ich habe Freunde, keine Familie. Ich muss nicht in ein Engelsgesicht schauen und erklären, wie dieser heiße Pilz am Horizont heißt (mit Pilzen allgemein kenne ich mich nicht so aus).


Ich spüre eine friedliche, aber ängstliche Stimmung. Ich will diesen Rotzlöffeln, und ich meine wieder Erwachsene, sagen können, dass alles gut wird. Aber wer weiß schon, was wird. Ich freue mich auf Chocolate Stout von Samuel Smith am Freitag, mein Lieblingsschwarzbier. Und dass die Kirsche blüht, auch symbolisch betrachtet.



7.7.2022



Am Morgen des 21.2.1998 war ich ein Kind. Am Abend, nach der spontanen Initiation, war ich mit 15 und drei Tagen, ein heroischer Mann: kampflustig, gewaltbereit, idealistisch, romantisch. Sex mit einer schönen Frau war nicht meine Inititation: ich bin nicht lunar. Sex egal mit welcher Frau, Hauptsache die Unschuld verlieren, war auch nicht meine Initiation: ich bin nicht chthonisch-tellurisch. Ich bin solar.


Seit dem 18.10.2007 war ich ein asketischer Mann. Nicht der Theravada-Buddhismus, sondern der Deutsche Idealismus war meine Disziplin der Asketik. Ich war Kantianer in der Moral und Hegelianer in der Vernunft. Askese bedeutet Entsagung. Meine Entsagung galt dem heroischen Suizid. Schon mit 15 begriff ich, zu höherem als Gewalt und Terror berufen zu sein, und konvertierte im Oktober 1998 vom Atheismus zum Christentum. Ich war halt jung und naiv. Aber es ging um Transzendenz. Seit dem 6.11.1998 lebte ich im unglücklichen Bewusstsein, von meinem wahren Selbst getrennt zu sein, das zwar solar, aber höher als heroisch war. Diese Zerrissenheit war unerträglich; nur der Gedanke an den Suizid gab mir Lebenskraft. Als Asket musste ich auf diese Exit-Tür verzichten und mir selbst geloben, so lange am Leben zu bleiben, bis auch das unglückliche asketische Bewusstsein transzendiert sein würde.


Es ist geschafft. In wenigen Stunden werde ich mein wahres Selbst begrüßen, den apollinischen Mann, der ich offensichtlich potentiell schon immer war, aber in einer Welt des Werdens dieser Mann erst werden musste.


Z


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Kommentare zu diesem Text

Taina (39)
(21.01.23, 18:58)
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 Terminator meinte dazu am 21.01.23 um 22:05:
Sie haben aus innenpolitischen Motiven einen selbstmörderischen Krieg angefangen. Das sind wohl Subpassionarier nach Lew Gumiljow: zu dumm für Selbsterhaltung.
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