30_The red tenda of Bologna, John Berger

Rezension

von  DavidW

Jedem sein Fragment

Ein Teil der deutschen Literaturkenner hat ein anderes Verhältnis zum literarischen Fragment, als 'der Rest der Welt'.

Jener Teil, der die Fragmentsammlungen des romantischen Philosophen Novalis belesen und für interessant, wertvoll, liebenswert befunden hat, hält es für etwas unendlich wertvolles.

Hält diese vielleicht für das konkret philosophisch, ästhetisch-theoretische, präpsychoanalytisch wertvollste, das er je gefunden haben wird. "Und-oder."



(Ich zitiere aus dem Gedächtnis). Das wohl berühmteste Novalis-Fragment beginne mit den Worten "nach innen führt der geheimnisvolle Weg"... Das mir wichtigste unterscheidet zwischen der journalistischen "Rezension" und "Ankündigung", und befindet, dass es die "Ankündigung" bevorzugt.



Im Jahr 2022 erschien überraschend ein neuer Kurzroman der schweizer Autorin Zoë Jenny (* 1975). Sie gehört zu meiner Generation, ich beobachte die Literatur meiner Generation, als sie blutjung war, wurden ihre Texte in den wichtigen Feuilleton groß als "Fräuleinwunder" abgefeiert. Kein wichtigeres deutsches Feuilleton brachte aber 2022 eine Rezension zu "Der verschwundene Mond" zustande (*). Hier, wo man es gelesen hat, hat man dafür eine plausible Erklärung. Eine Ankündigung stattdessen wäre vonnöten gewesen.

(Fast eine sehr schöne Urlaubslektüre).



John Berger legte hier eine kleine Fragmentsammlung vor. Es sind dreierlei Fragmente. Über einen Beziehung zu einem Onkel, die von Intellektualismus und gegenseitiger Wertschätzung geprägt war. Aus der italienische Stadt Bologna. Und ein bisschen ausdifferenziert, ist es dann noch ein verkappter Reiseführer.



Es schrieb ein Flaneur, der die Werte eines Flaneurs zelebrierte: Das weitererzählen, was er sah. Human, offen, liberal. Seine Freiheitsrechte verinnerlicht habend.



Wer Fragmente schätzt (siehe oben), wird den Text mögen.





(*) zumindest halbwegs zeitnah.





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