Dein letzter Tag

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von  Janna


Es war, als gösse eine unsichtbare Hand,
behutsam, von der Stirn bis hin zum Kinn,
dir Wachs ins Angesicht und schlösse
die Tür, in der ich wartend stand
und trennte, was uns zwei verband.



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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (30.07.23, 07:05)
Stark rilkesk. 8-)

 Janna meinte dazu am 30.07.23 um 07:13:
Hallo Achter Zwerg, findest du? Es ist meiner Mutter gewidmet, die ich bis zum letzten Atemzug begleiten durfte. Sie lag im Koma und war an Geräte angeschlossen. Bei Todeseintritt überzog langsam eine starke Blässe ihr Gesicht. Mir hat sich dieser Eindruck tief eingeprägt und ich habe ihn aus dem Stegreif heraus beschrieben.

Danke und liebe Grüße

Janna

 Dieter Wal antwortete darauf am 31.07.23 um 09:03:
Liebe Janna und lieber 8.Z., 

kein Wort von Rilke. "Es war, als" zitiert Eichendorffs Evergreen 'Mondnacht' ("Es war, als hätt’ der Himmel ..."). Während bei Eichendorff Er und Sie, Himmel und Erde, sich miteinander vereinigten, die Unio Mystica vollzogen und aus dem Blütenschimmer des Tages der ersten Strophe die beiden weiteren in romantischer Szenerie und Ästhetik in der 2. und 3. Strophe die Idylle der Nacht veranschaulichen, beschreibt Jannas Strophe laut Gegenkommentar erfahrene Realistik im Stil des literarischen Realismus. Stilvoll, sensibel, empathisch. Im Buch bitte mit Widmung der Mutter. Der große Bogen in Eichendorffs bekanntestem Gedicht ist hier ein ebenso großer intimerer Kreis des Lebens, wo aus den wichtigsten Ereignissen von Mutter und Tochter im Leben einer Frau, den Gebärerinnen und Teilhaberinnen am größten Geheimnis der Natur, ein Kreis sich schloss, bis der nächste Kreis sich schließen wird. Unablässig. Ein heiliger Moment. Herzliches Beileid, liebe Janna. Und Glückwunsch: vollkommene Strophe. 

Gruß 
Dieter

Antwort geändert am 31.07.2023 um 12:37 Uhr

 AchterZwerg schrieb daraufhin am 31.07.23 um 18:28:
Hallo Dieter,
"rilkesk" ist ja kein SChimpfwort.
Ich dachte halt sofort an Rilkes Panther:

"Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt."

Mag aber sein, dass ich noch durch eine vorangegangene Aufführung des Rilke-Projekts infiziert war ...

 Dieter Wal äußerte darauf am 31.07.23 um 21:42:
Kenne das Rilke-Projekt von einer CD. Es gab eine aktuelle Aufführung? Viele der damaligen legendären Sprecher leben leider längst nicht mehr?

 AchterZwerg ergänzte dazu am 01.08.23 um 06:01:
Ja, die Gruppe tourt noch immer. In hochkarätiger Besetzung. :)  :)
https://www.schoenherz-fleer.de/ueber-schoenherz-fleer

Hierzulande gab es immer wieder stehende Ovationen und das mit Fug und Recht! <3

 plotzn (31.07.23, 17:10)
Hallo Janna,

ich war dabei, als mein Vater im hohen Alter "entschlief" und Deine Zeilen bringen die Bilder von damals wieder sehr plastisch in Erinnerung.

Liebe Grüße
Stefan

 Janna meinte dazu am 02.08.23 um 05:37:
Ich glaube, diesen Eindruck vergisst man nie. Für mich war er, neben der Geburt meiner Söhne, mein tiefster und bewegendster.
Vielen Dank, Stefan und liebe Grüße

Janna
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