Zimtstern

Text zum Thema Weihnachten

von  Gabyi

Als er an einem sonnigen Tag im Herbst aus unserer gemeinsamen Wohnung auszog, hinterließ er mir nicht mehr und nicht weniger als 13 Packungen Zimt und genau 7 Zimtstangen in den Tiefen meiner Küchenschubladen. Die angebrochenen Tüten, Stangen, Glas- und Plastikdosen kamen im Laufe der nächsten Wochen und Monate so nach und nach zum Vorschein.

Denn jedes Mal, wenn immer er Milchreis mit Zimt und Zucker kochen wollte, hatte er eine neue Packung mit Zimt im Supermarkt gekauft. Ebenso verhielt er sich bei den Einkäufen für die Weihnachtsbäckerei, denn Zimtsterne waren seine Spezialität. Nur in dem einen Jahr, als er in Kalifornien gearbeitet hatte, ruhten seine Zimtkäufe. Man sagt Cinnamon dazu in Amerika und er hatte dort zur Aufrechterhaltung seines Zimtpegels Zimtkaugummi und Zimtmüsli verzehrt.

Seit er aus meinem Leben veschwunden war, änderte ich radikal meine Kühl- und Küchenschrankfüllungen. Nie mehr Milch, kein Milchreis und auch kein Zimt mit Zucker mehr. Das einzige, was mich noch an ihn erinnern könnte, wäre das Zimteis im Sommer gewesen. Doch das gab es nur selten in meiner italienischen Eisdiele mit den schnuckeligen Latin Lovers. Und die riesigen, überdimensionierten Zimtsterne mit der weißen Zuckerglasur kaufte ich jetzt zur Weihnachtszeit in der Bäckerei an der Ecke.

Ja, er war ein begnadeter Zimtsternbäcker gewesen, bevor er bei mir auszog. Zart und saftig waren seine kleinen Sterne und so würzig. Danach wurden sie dann von Jahr zu Jahr zäher, bis sie am Ende steinhart waren und man sich an ihnen die Zähne ausbeißen konnte.

Mein neuer Liebhaber, der mit den schwarzen Haaren, kocht alle Speisen am liebsten mit Curry. Curry-Mango-Risotto, Curry-Wurst, Huhn mit Curry, Curry-Bagels und so weiter. Ich habe kürzlich gelesen, dass Curry aus einer Gewürzmischung besteht, die unter Anderem auch Zimt enthält. Ich erfuhr auch, dass Zimt früher in Europa des 16. bis 18. Jahrhunderts gern verwendet wurde, aber dass seine Bedeutung später nachließ. Dass er in der westlichen Küche heutzutage fast nur noch zur Verfeinerung von Süßspeisen und kaum noch zum Würzen salziger Speisen verwendet wird, gab mir zu denken.

Neuerdings bin ich etwas ordentlicher geworden und räume öfter die Schubladen und Schränke auf. In letzter Zeit finde ich beim Saubermachen hier und da eine Currydose. Überzählige Gewürzmischungen eliminiere ich sofort, denn die penetrante Würze mancher Pulver verderben leicht das Aroma der anderen Vorräte. Besonders die Zutaten für Süßspeisen, wie zum Beispiel Vanille, sind gefährdet. Mein netter italienischer Eisverkäufer bereitet mir hin und wieder eine traumhaft zarte Vanilleeiscreme zu, wenn ich ihn einlade. Das geschieht immer dann, wenn mein Liebhaber eine seiner Dienstreisen antritt.

Ich kaufe die kleinen Päckchen mit Vanillin von Dr.Oetker, die kann man in großen Vorratspackungen erwerben und in Mengen stapeln, ohne dass es stört. Sie liegen direkt neben dem Vanillepuddingpulver und dem Babybrei.



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