Moabit ist eine Insel - (Flussnovelle Nr.31)

Text zum Thema Stadt

von  Gabyi

Der Name Moabit klingt seltsam und exotisch, wie in einer Geschichte aus dem Morgenland, finde ich.

Man sagt, dass die Hugenotten, die ersten Bewohner und französische Glaubensflüchtlinge, ihren Wohnsitz terre de Moab nannten - aus dem Alten Testament. Sie fanden dort Zuflucht wie die Israeliten, als sie aus Ägypten zogen, dem Land der Moabiter.
Moabit bezeichnet nun einen Berliner Stadtteil vom ehemaligen Bezirk Tiergarten, der heute zu Wedding-Mitte gehört.

Moabit ist eine Insel.

Über 25 Brücken musst du gehen, während die Spree und drei weitere Kanäle die Insel sanft umzingeln. Blau oder grau schlängeln sie sich oder fließen durch den Bezirk. Die Justizvollzugsanstalt Moabit (neben dem Kriminalgericht) sind Synonym für das gleichnamige Gefängnis. 
Hier möchte Betty Brown niemals enden. Aber wohnen im Bezirk möchte sie schon. Gern auch am Ufer der Spree.

Betty muss heute dringend ihre Haare waschen. Dunkelbraune, voluminöse Locken verlangen nach einer Glättung, findet sie. N**erkrause kommt nicht so gut an und so hat sie Glatt & Glitty von L'Ücaél gekauft, schweineteuer zwar, aber sie möchte auch einmal cool und trendy aussehen. Für einen Friseurbesuch fehlt ihr das nötige Geld momentan. Und blondieren möchte sie sich auch gern, dann gelingt das Untertauchen vielleicht besser.

Ihre Freundin, bei der sie untergekommen ist, wohnt in Alt-Moabit. Ein backsteingeziegelter Loft mit Blick über den kleinen Tiergarten. So was in der Art oder mit Spreeblick hätte sie auch zu gern, aber dafür ist sie nicht reich genug. Leider.
Auf dem Weg in ihr temporäres Zuhause läuft sie am Spreeufer entlang. Ein Touristenboot schlingert durch den Fluss und die letzte Herbstsonne kitzelt mit ihren Strahlen ihr hübsches Gesicht.

Was soll nur werden, fragt sie sich. Lange hält sie das nicht mehr durch, sich zu verstecken.
Aber auf der Insel Moabit fühlt sie sich einigermaßen sicher. Solange es nicht die Gefängnisinsel Moabit ist so wie Alcatraz in San Francisco. Wenn allerdings ein Krieg ausbricht und alle 25 Brücken gesprengt würden, oder Terroristen dieses täten, wäre sie gefangen auf dem Eiland. Sie müsste dann ans andere Ufer schwimmen oder den Tiergartentunnel durchqueren, um die Insel zu verlassen. Gemeinsam mit Ministerialbeamten, denn es gibt neuerdings auch mindestens ein Bundesministerium hier.

Mit der U-Bahn kommt man momentan nicht nach Moabit. Es wird emsig gebaut, was auch immer. Vielleicht eine Maßnahme zur Sicherheit des Innenministeriums, glaubt Betty. Es fährt nur träger Schienenersatzverkehr auf die Insel. Heißt Busse.


aus "Berliner StattPläne" - "Flussnovellen"


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