Spaziergang mit Drohne

Kurzgeschichte

von  Quoth

Wir hatten zweimal die Sirene gehört. Es hatte aufgehört zu regnen, neue Keller konnten nicht vollgelaufen sein, hatten es aber vergessen, als wir zu dem Pflegeheim fuhren, in dem Hilma Frau Strauß regelmäßig für den Hospizdienst besucht. Ich benutze die Gelegenheit, um dann spazieren zu gehen – der Weg ist fest, eben und meist geräumt, wenn es Schnee gab. Als wir ankamen, fiel uns die große Anzahl von Feuerwehr- und Polizeifahrzeugen auf. Die Feuerwehrleute in Orange, die Polizisten in schwarz. Einer von ihnen, wuchtig wie ein Schrank, erklärte Hilma, es sei jemand aus dem Heim weggelaufen, unauffindbar. Ein oranger, etwa 4 Quadratmeter großer Landeplatz war ausgelegt für die Drohne, die sie einsetzten, um den Verwirrten/die Verwirrte aufzuspüren. Hilma ging ins Heim, verabschiedete sich mit den spaßhaften Worten: „Also pass auf, wenn du jemand siehst!“ “Vielleicht ist es Frau Strauß!“ „Nein, die kann nicht weit laufen!“

Niemand begegnete mir, ich erwartete, ein Summen über mir zu hören, hörte es, aber es schwoll an zum Röhren  eines zweimotorigen Flugzeugs, das mit Propellerkraft über mich hinwegflog. So klangen die Bristol Blenheims der Engländer, wenn sie tief flogen, und das taten sie gegen Ende des Krieges immer häufiger. Ob ich dieses Brummen verbunden mit dem Gefühl der Bedrohung wohl noch wieder erlebe? Parallel dazu fiel mir ein, dass ich, als ich eine Unterschrift gegen rechts leistete, überlegte, ob ich das vielleicht eines Tages bereuen würde. An meiner Umkehrbank angekommen, pflückte ich einen Zweig von der prächtigen Eibe, die dort wuchs, und fotografierte den blauen Himmel für ein Messengerbild an meine Kinder und Enkel. Zurück beim Heim, sah ich Polizei und Feuerwehr noch immer dort. Der oder die Entwichene hatte wohl ein für die Drohne unsichtbares Schlupfloch gefunden, war vielleicht sogar in den Nahverkehrszug gestiegen … Frau Strauß habe sehr interessiert die Bilder angeschaut, die sie ihr gezeigt habe, sagte Hilma. Sie wirke überhaupt sehr viel wacher als sonst und habe einmal sogar gelächelt.



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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (26.01.24, 05:10)
Folgenden Einschub finde ich äußerst gelungen:

"Parallel dazu fiel mir ein, dass ich, als ich eine Unterschrift gegen rechts leistete, überlegte, ob ich das vielleicht eines Tages bereuen würde. An meiner Umkehrbank angekommen ..."

Tatsächlich ist schon so mancher "umgekehrt", mit oder ohne Unterschrift.
Man weiß ja nie. ;)

 Quoth meinte dazu am 27.01.24 um 10:13:
Du sagst es. Danke für Empfehlung, Lieblingstext mit Kommentar!

 Dieter Wal (26.01.24, 12:14)
in dem Hilma Frau Strauß regelmäßig für den Hospizdienst besucht.
"Für den Hospizdienst" liest sich etwas kryptisch. Ich gehe davon aus, Hilma ist Hospizmitarbeiterin und Frau Strauß die Sterbende. "im Hospiz" wäre in meinen Augen unverschnörkelter. Einen Drohneneinsatz für Vermisste finde ich sehr erfreulich.


Ich stelle mir die Gegend maritim vor, obwohl das im Text nicht beschrieben wird. Woran liegt das?

 Quoth antwortete darauf am 27.01.24 um 10:16:
Es ist ein ambulanter Hospizdienst.
 Spätestens seit meinem Flensburg-Text weißt Du, dass ich im Land zwischen den Meeren wohne!
Danke für die Empfehlung mit Kommentar!
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