Wanda und das Weltgeschehen

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Eine archivierte Kolumne von  Songline

Sonntag, 29. Januar 2012, 18:44
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Wer schützt uns vorm Verfassungsschutz?

Es gibt ja so Tage, da zweifel ich ernsthaft an meinem Verstand. Dann bekomme ich noch mehr graue Haare, als ich sowieso schon habe, und sehe meine Rest-Attraktivität den Bach runter gehen. Und wer ist schuld? Diesmal der Verfassungsschutz.

Der Verfassungsschutz ist der Inlandsgeheimdienst. James Bond, der verzweifelt nach Kornfeldbetten in blühenden Landschaften sucht. Oder eben nicht. Seien wir ehrlich: Die Aufklärung von und über
Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes,
Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes und
Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung
sind Aufgaben, die sich nicht gerade nach Spannung und Abenteuer anhören. Aber man könnte ja was daraus machen, dachte ich.

Ich sah mich schon als Wanda 008 mein Land verteidigen, gegen Extremisten, Islamisten und Scientology und gegen Landes- und Wirtschaftsspionage. Ich sah mich Terrorzellen ausheben, Wanzen anbringen, fremder Leute Mails lesen. Ich sah mich im kleinen Schwarzen auf Parties stehen, ein Glas Cassissée in der Hand (weder gerührt noch geschüttelt) und mit den Bösen dieser Welt plaudern, um sie zu (ver)überführen.

Also sprach ich eines Tages im Bundesamt für Verfassungsschutz vor und erzählte davon. Der Personalchef hörte sich meine begeisterte Rede an und sagte:
„Gut. Ich hab da was für Sie. Sie kennen sich mit Links aus?“
„Mit Computerlinks?“, fragte ich vorsichtig.
„Politik“, flüsterte er.
„Die Linken?“, flüsterte ich zurück.
„SED, Sozialismus, Staatsfeinde! In unserem Parlament!“ Ich verstand ihn kaum noch.
„Sie werden V-Frau“, schlug er mir vor. „Sie unterwandern die Partei und berichten.“
„Aber ich …“ An seinem Gesichtsausdruck sah ich, dass ich das nicht hätte sagen sollen.
„Das Wort ABER gibt es ab sofort in ihrem Wortschatz nicht mehr.“ Das war laut genug.

Nun ist aber ausgerechnet „aber“ eines meiner Lieblingswörter, besonders gegenüber Vorgesetzten, zeigt es doch die Fähigkeit zu eigenen Gedankengängen und Schlussfolgerungen. Ich merkte schon, ich war hier fehl am Platz. Und so verabschiedete ich mich und trat den Heimweg an.

Irgendjemand scheint aber den Job dann doch bekommen zu haben. 27 Bundestagsabgeordnete der Linken wurden überwacht, wegen vermuteter verfassungsfeindlicher Tendenzen. Ich frage mich: Was haben die gemacht? Gegen den Kapitalismus gewettert? Das ist Meinungsfreiheit, das darf man. Über Angies Augenlider gelästert? Die sind Tatsache, das darf man auch. Den Bundespräsidenten zum Rücktritt aufgefordert? Gut, das könnte ein Angriff gegen ein Staatsorgan sein, das darf man nicht. Andererseits standen die eigenen Parteikollegen von unserem Christian den Linken da in nichts nach, also müssten die doch jetzt auch überwacht werden. Oder?

Oder ist der Verfassungsschutz auf dem CDU-Auge genauso blind wie auf dem rechten, mit dem er ja die Zwickauer Terrorzelle trotz Beobachtung jahrelang nicht gesehen hat? Wenn ihr mich fragt, müssen mal genaue, transparente Kriterien her, was Meinung ist und was zu überwachendes verfassungsfeindliches Handeln. Ich möchte auch wissen, ob eine V-Frau sich an Terrorakten beteiligen darf, um ihre Deckung nicht auffliegen zu lassen. Ich bin dagegen, überzeugte Rechte zur Informationsbeschaffung gegen Rechtsextreme einzusetzen. Da versucht man doch, den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben. Aber mich fragt ja keiner.

Und so sitze ich hier in meinem Dachkämmerlein und fürchte mich vor dem Tag, an dem ein 009 beim Verfassungsschutz auftaucht und der Personalchef sagt:
„Gut. Ich hab da was für Sie. Sie kennen sich mit Links aus?“
„Politik?“
„Nein, Computerlinks.“ Er flüstert.
„Internet?“
„Ja, eine gewisse Wanda. Sie werden V-Mann. Sie erschleichen sich ihr Vertrauen und berichten.“

Aber ich weiß mich zu wehren. Ich rede mit niemandem hier. Gar niemals nicht. Nehmt es mir nicht übel, es ist reine Vorsicht. Schließlich geht es um meine Haare.

Bis bald mal,
Wanda

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Dieter_Rotmund (29.01.12)
Die Redewendung heißt eigentlich üblicherweise "den Bach (her-) runtergehen, nicht "den Bach runter laufen".

Insgesamt ist mir der Text etwas zu polemisch, auch die Dialoge finde ich nicht wirklich witzig, sorry. Ehrlich gesagt habe ich lieber einen schlechten Verfassungsschutz, als keinen Verfassungsschutz.

Ich möchte mal in die Runde fragen: Braucht unsere Verfassung einen Schutz?

Ich finde: Ja.

 loslosch (29.01.12)
wer kontrolliert die kontrolleure? (juvenal.) schmidt schnauze lästerte (diesmal über den bnd) als kanzler: wenn er die nzz (neue zürcher zeitung) lese, erfahre er mehr als aus den bnd-berichten.

klar brauchen die modernen staaten sowas, um sich voreinander zu schützen, sogar vor den eigenen Alliierten (industriespionage).

lest mal wieder den wiki-artikel zum "Celler Loch". tatvorbereitung durch den verfassungsschutz und geheimhaltungsorgien innerhalb und zwischen den schutzorganen.

wanda, die kolumne reicht nicht annähernd an die realität heran, zb die vielen knick-heinis, die beim verfassungsschutz "arbeiten", bis in die führungsetagen. habt ihr den trunksüchtigen hansjoachim tiedge schon vergessen, den schwerenöter pfahls und die anderen dubiosen schlapphüte (einschleusung ehemaliger ss-männer, verkehrsdelikt mit todesfolge, geheimnisverrat usw.)

 Songline (29.01.12)
@Dieter: Danke, ich habe es berichtigt.
Und ja: Wir brauchen einen Verfassungsschutz, aber einen neutralen und effektiven, mit klar geregelten Grenzen und Handlungsanweisungen. Ich verweise mal auf den Kommentar von losloch.

Liebe Grüße
Song
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