KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Montag, 31. Dezember 2012, 18:30
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Dasselbe ist nicht das Gleiche

338. Kolumne

Während ich vor zehn Jahren, als ich das Stück zum ersten Mal sah, vibrierte, so sehr ergriffen mich einige Szenen, blieb ich jetzt kalt, so sehr mir dieser und jener Einfall immer noch gefiel - vor allem die wilden Laufereien auf der Torf-Bühne, das rauschhafte Massenschwimmen und die verzweifelten Rettungsszenen im Meer -, und ich fühlte, wie die Stimmung, die die Partitur der Körper im Torf erzeugte, mir fremd geworden war, aber nicht aus Langeweile, weil ich alles schon kannte, sondern weil das ganze Geschehen und die Reaktion des Publikums mir sehr fern war. Die Intimität zwischen den Zuschauern und den Schauspielern auf der Bühne kam mir nicht mehr authentisch vor, nicht nur weil ich nun außerhalb dieser Beziehungen stand, sondern weil ich spürte (oder durchschaute?), dass das Einverständnis mit der Art der Inszenierung nur eingebildet war, wenn auch so stark, dass die Einbildung offenbar als echtes Erlebnis empfunden wurde. Der einst so schöne Elfenbeinturm, der früher auch wie eine Waffe politischer Bewusstmachung wirkte, war nun matt und stumpf. Die Ästhetik der Inszenierung verbindet sich nun mit einer noch äußerlicheren Art von Lebensstyling unter den Zuschauern, dachte ich, das Stück wird vereinnahmt im Rahmen von Design-Motivationen. Gut, sage ich mir, vielleicht war das bei mir vor zehn Jahren so ähnlich. Aber jetzt mischen sich neue Legenden oder Legendenbildungen in mein Verhältnis zu den inszenierten Bildern, vielleicht mischt sich die Legende, die die Regie selber für sich erzeugt, in die der Zuschauer, und das Ganze mischt sich ein in meine wahrscheinlich zu verklärte oder verklärende Erinnerung. Kurzum, meine Erinnerung war und bleibt stärker als das gegenseitige Wiedersehen des Stücks.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 loslosch (01.02.13)
ich bin i. s. theater ein nobody. im literarischen gehts mir umgekehrt: früher, als 20-jähriger, verschlang ich tucholsky. schnuppere ich heute in seinen mir bekannen texten, erstarre ich fast vor ehrfurcht. unbewusst wohl: den hast du um ein vierteljahrhundert überlebt und schreibst heute besser als vor 25 jahren. und er spielte als 35-jähriger schon in einer anderen liga. (ich versuche pausenlos, die distanz zu verringern.)
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