29. September : Über den Teufelsberg nach Hawaii um ein Salzgurkerl

Tagebuch

von  Raggiodisole

Die „Speedypilger“ kramen schon ab 6 Uhr in ihren Rucksäcken, aber das stört uns wenig. Wir lassen uns Zeit, genauso wie Antje und die andere Deutsche, die wir schon in Hontanas getroffen haben. Gemütlich packen wir unsere Rucksäcke und plauschen noch ein wenig. Antje hat sich von ihrem gestrigen Tief erholt, aber sie will es heute doch langsam angehen. Gabriele, die den camino schon zum zweiten Mal geht, gibt uns noch Tipps für die Herberge in Boadillo del Camion und rauscht dann los. Sie läuft übrigens Marathon.

Dann ziehen auch Gitti und ich los in Richtung Tafelberg, so sagt uns Adi, der ihn als anstrengend zu erklimmen deklariert. Aber seit dem Alto do Perdon kann mich eigentlich nichts erschüttern.
Und inzwischen haben mein Körper und ich auch schon den richtigen Dreh gefunden, wie wir lange und steile Strecken bewältigen, ohne dass ich nach 20 Schritten außer Puste bin und erst mal eine halbe Stunde rasten muss. Aber vielleicht liegt es einfach auch an der Tatsache, dass ich mittlerweile doch schon ein wenig Kondition habe.

Jedenfalls hab ich mich tapfer die 1,7 km auf den Tafelberg hinaufgeschraubt und oben erst mal die wunderschöne Aussicht genossen. Gitti ist ja normalerweise bergauf immer schneller als ich, aber heute muss ich auf sie warten. Es dauert ziemlich lang, bis auch sie oben angekommen ist und sie erzählt mir, dass sie unterwegs von heftigen Wadenkrämpfen geplagt wurde. „Dieser Tafelberg ist ein richtiger Teufelsberg“, meinte sie.
Wir halten eine kurze Rast, dann geht es weiter, 300 m steil bergab. Und dann wieder „oim eim eini“ bis kurz vor Iterga, wo wir rasten und Antje zu uns stößt. Wir gehen gemeinsam weiter und genehmigen uns dann in Iterga  einen Cafè con leche und warme Suppe.

Die letzten Kilometer bis Boadillo ziehen sich und es ist mittlerweile auch wieder richtig schön warm. Die Herberge ist ein wahrer Traum. Ein wunderschönes, gepflegtes Haus, betreut von einem äußerst freundlichen Hospitalero. Der Garten mit einem kleinen Swimmingpool, und ein Restaurant ist auch angeschlossen. Wir pflegen uns erstmal und nach dem Wäsche waschen erholen wir uns erstmal im Garten. Gabriele ist auch schon da und hat bereits ein Geschäft ausfindig gemacht. Sie rät uns, sofort einkaufen zu gehen, da die Auswahl nicht sehr groß sei. Also sprinten wir los und und tatsächlich, ein kleiner, dunkler Raum, noch drei Dosen Fisch, 6 Bananen und 4 Flaschen Mineralwasser stehen zur Auswahl. Aber … plötzlich entdeckt Gitti ein Glas mit Salzgurken. Man sieht deutlich, wie ihr das Wasser im Mund zusammenläuft, das perfekte Beweisobjekt für den Pawlowschen Effekt … „Ich will SOFORT ein Salzgurkerl“, ruft Gitti und lotst den Ladeninhaber zum Gurkenglas und deutscht ihm ihren Wunsch aus.
Der schaut zwar ein wenig entgeistert, öffnet dann aber das Glas und nimmt eine Gurke heraus und drückt sie Gitti in die Hand.

So könnte Gitti als kleines Kind vor dem Christbaum gestrahlt haben, als sie in die Salzgurke beißt. Vergessen ist die geringe Auswahl hier im Laden, Gitti ist mit ihrem Salzgurkerl der glücklichste Mensch auf der Welt. „Das ist genau das, was ich jetzt gebraucht habe“, sagt sie zwischen zwei Bissen, „ die beste Salzgurke, die ich je gegessen habe“.

Ich glaube, nicht einmal das traumhafte Abendessen im Restaurant der Herberge kann dieses Geschmackserlebnis übertrumpfen.
Ein gemütlicher Plausch und das obligatorische Tagebuch schreiben beenden den Tag.
Ein schöner Tag heute, mit Teufelsberg und Salzgurkerl und dem Beginn einer wunderbaren Weggemeinschaft.
Aber das ist eine andere Geschichte.

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