14. Oktober : Seraphim, el peregrino negro

Tagebuch

von  Raggiodisole

Um 7:30 Uhr läutet der Handywecker. Ich hab schlecht geschlafen, wirr geträumt und viel gehustet.
Die französischen Frauen sind schon beim Frühstück. Es verspricht ein schöner Tag zu werden und nach einem Frühstück in der Bar machen auch wir uns auf den Weg.
Komisch, dass gerade die letzten Tage einem so mühsam vorkommen. Gitti empfindet es ebenso und sie meint, es sei unser Recht müde zu sein nach vier Wochen auf dem Weg.
Es geht auf und ab, durch Dörfer, wie gehabt …

Irgendwie ist jetzt mein Kopf ganz leer – ich hab keine Ahnung, was heute den ganzen Tag war. Wo wir überall durchgekommen sind, nur dass wir irgendwann einmal einen Kaffee getrunken haben.
Jetzt sitzen wir in der Herberge von Pedrouzo. Eine Gemeindeherberge, die recht schmuddelig aussieht. Die Hospitalera ist irgendwann gegen 18 Uhr gekommen und hat die Credencials gestempelt.
Gleich nach unserer Ankunft hier haben wir Serafim, einen griechisch- orthodoxen Priester kennengelernt. Er war schon auf dem Rückweg von Santiago de Compostela nach Lourdes. Fünf Monate und einen Tag war er von seiner Heimat aus unterwegs auf dem Weg. Stolz und glücklich hat er uns seine Compostela gezeigt. Er war auch schon zu Fuß in Jerusalem und in Rom.
Er hat gerade Daniel, einen Kanadier verarztet, der ziemlich heftige Blasen an den Füßen hatte. Gitti, die Pachfurther „Mutter Theresa“, hat dann gleich ein Süppchen für Daniel gekocht und dazu gab es ein Stück Baguette aus meinem Tagesvorrat für ihn. Serafim organisierte ihm dann noch einen Kaffee und mit einer Schulmaus (ihr kennt dieses Germgebäck mit Nougatfüllung) dazu hatte er quasi ein komplettes Pilgermenü, das er auch genüsslich verspeiste.
Daniel legt sich dann auf eine Bank vor der Herberge und wir sitzen auf den Stufen und plaudern mit Serafim. Er lässt uns auch eine Karte ziehen und wünscht uns Gottes Segen für die letzte Etappe morgen. Es sind übrigens nur mehr 17 km bis Santiago laut Serafim. Sein Wort in Gottes Ohr … und meinen Füßen. Aber morgen um diese Zeit wissen wir es ganz genau.
Gitti und ich gehen dann noch in eine Bar und trinken einen Kaffee und genehmigen uns was Süßes. Das ist heute unser Nachtmahl.
Wieder in der Herberge genießen wir noch die letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Dann wird es schnell empfindlich kalt. Aber ein Franzose hat im Aufenthaltsraum schon ein Feuer im Kamin entfacht und wir wärmen uns ein wenig.
Es ist schön in die Flammen zu schaun und seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Morgen um diese Zeit sind wir – so Gott auch auf den letzten Kilometern über uns wacht – in Santiago. Ein eigenartiger Gedanke.
Es kommen noch Pilger aus England und ein Deutscher zu uns, Daniel zaubert  eine Flasche Rotwein hervor und wir trinken auf die letzte Etappe morgen. Dann zieht er seine Mundharmonika heraus und beginnt zu spielen. Ein Weihnachtslied, sagt er entschuldigend, aber das kennen wenigstens alle. Aber wir bringen auch so das eine oder andere Lied zusammen. Und wenn uns der Text ausgeht, summen wir einfach weiter. Zwischendurch erzählen wir uns von unserer Motivation, den Camino zu gehen. Es ist ein wunderschöner Abend, der richtige Abschluss für unseren Pilgerweg, bevor wir morgen in Santiago ankommen werden.

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