Das Zauberglühwürmchen [3]

Erzählung

von  Elén

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Teil [1] 
Teil [2] 

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Am nächsten Morgen ist Toby wach noch bevor Selli ihn aus dem Schlaf trommelt. Eilig zieht er sich an, frisierte sein Haar, putzte die Zähne und schlurfte noch ein wenig schlaftrunken in die Küche. Er hat ja doch wenig geschlafen diese Nacht und sein Kopf ist noch ganz schön duselig.
Wie jeden Morgen, sitzt Onkel Joseph bereits am Tisch, schlürft genüsslich seinen Kaffee und blättert dabei in der Morgenzeitung.

„Na also, geht doch, wenn du willst!“, raunt die Tante ihm mürrisch zu.
„Pünktlichkeit ist das A und O im Leben“, so Selli. Und dabei hebt sie den Zeigefinger wie ein schlauer Schulmeister.
Toby hat keine Ahnung was dieses A und O ist. Aber auf jeden Fall sagt Selli das sehr oft und sehr bestimmt und sehr laut. Und, für Selli muss dieses A und O also was sehr Wichtiges sein, auf das man immer aufpassen muss und das nie vergessen werden darf. Ungefähr so wie Geschirrspülmittel. Auf das darf sie auch nie vergessen. Das wird immer gleich auf den Einkaufszettel geschrieben, sobald die Flasche auch nur zur Hälfte leer ist.  Nun ja, manchmal ist Selli komisch. Aber auf alle Fälle A und O! und noch während Toby über diese A und O nachdenkt, klettert er auf den Stuhl, auf dem er jeden Morgen sitzt. Die Tante stellt ihm missmutig eine Tasse Milch vor die Nase, „klonck-patsch!“, so lieblos und wirsch, dass sogar Onkel Joseph kurz über den Rand der Zeitung blickt.
„Beeil dich“, knurrte Selli.
„Ich bin einstweilen oben, um aufzubetten; von euch kann man das ja ohnehin nicht erwarten“.
Sie poltert aus der Küche und lässt die Tür ins Schloss fliegen: "Krrraacccchhhh".
Der Onkel runzelt die Stirn.

Während Joseph liest und blättert, löffelt Toby seine Flocken, trinkt den letzten Schluck Milch aus der Schale und überlegte gerade, ob er auch alle Hausaufgaben erledigt hat. Da rasselt Selli mit hoch rotem Kopf zur Tür herein. Wütend und mit zusammengekniffenen Augen und mit fest zusammengepressten Lippen stellt sie sich mitten in der Küche auf.
„Wie möchtest du kleines Balg mir das erklären!“, fauchte sie und ihre Stimme überschlägt sich. In ihrer rechten Hand schwenkte sie das grüne Bettlaken mit dem gelben und blauen Muster und lässt es vor ihrem dicken, roten Gesicht hin und her flattern.
Onkel Joseph blickt von der Zeitung hoch: „Wirst wahrscheinlich selber übergezogen haben.“ Und indes er gleich wieder hinter der Zeitung verschwindet, zwinkert er Tobias kurz mit einem Auge zu.
Selli schnaubt wild durch die Nase und knirscht mit den Zähnen.
„Ich warte auf eine Antwort, verstanden.“

Tobias wird ganz klein auf seinem Sessel. Er traut sich Selli gar nicht anzuschauen und denkt angestrengt nach, wie er das mit dem Bettlaken der Tante erklären soll. Das hat er nun völlig vergessen. Dass die alte Schreckschraube ja überall ihre Nase hineinstecken muss und jeden Anlass hernimmt um sich aufzuplustern und Streit anzufangen. Er kann ja der Tante schließlich nicht erklären, wie das mit der Decke zustande gekommen ist. Sollte er ihr denn etwa sagen: „Tante Selli, das hat mir heute Nacht das Zauberglühwürmchen von Sebastianstadt gezaubert, weil es dein altes mit seinem Glühwürmchen-Glüher verkohlt hat und weil es außerdem ohnehin so hässlich ist.“
Nein das ging beim besten Willen nicht. Sie würde ihn packen und ihn als Lügner beschimpfen. Eine saftige Strafe würde sie sich für ihn einfallen lassen. Oder ihm damit drohen, dass sie ihn ins Erziehungsheim bringen wird, wenn er sich in ihrem Haus nicht zu benehmen wüsste.
Also sagte er geschwind, ohne noch lang zu überlegen: „Das habe ich damals von Mutter zum sechsten Geburtstag geschenkt bekommen, du hast es nur noch nicht gesehen. Ich hab es mitgebracht. Und gestern hatte ich Lust es überzuziehen.“
Huh, er hatte Angst. Hoffentlich wird Selli ihm das glauben.

„Na, siehst du, gibt ja für alles eine Erklärung“ meint Joseph in mildem Ton, um ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen und die Situation ein wenig zu entspannen.

Selli denkt kurz nach. Dann rafft sie das Bettlaken mit zornigen Händen und ohne ein weiteres Wort zusammen und stampft zur Küchentür. Noch im Hinausgehen grummelt sie über die Schulter: „Ab in die Schule, Bengel!“
Der Onkel seufzt und zieht die Augenbrauen hoch. Er macht einen langen Giraffenhals und sein Kopf mit der roten Nase auf dem eine dicke, schwarze Hornbrille sitzt, kommt hinter der Zeitung hervor. Dann lacht er, so dass sein Geicht lauter Falten bekommt und seine Augen ganz klein werden und er flüstert: „Selli ist ein alter Muffel, mach dir nichts draus.“
„Muffel“, sagt Toby, schaut den Onkel an und muss jetzt auch lächeln.

Eilig rutscht der Junge vom Stuhle, schnappt seinen Schulranzen und machte sich aus dem Staub, um nicht womöglich noch mal der Tante über den Weg zu laufen. Ein Donnerwetter am Morgen ist ja auch genug.

In der Schule muss er an Tante Selli denken. Sie würde sicher das andere Laken suchen, das grässliche, rosa geblümte. Doch das hat ja Middy ´entsorgt´, „flick“ weggezaubert! Na hoffentlich fällt ihm im Lauf des Vormittags dazu noch eine gute Erklärung ein.

Endlich ist Unterrichtsschluss und Tobi ist hin und her gerissen, ob er schnell nachhause soll, oder ob er sich noch ein wenig Zeit lassen kann mit dem Nachhausegehen. Die Tante ist doch eine unangenehme Person. Und man weiß bei ihr nie recht, welche Laune sie gerade wieder hat. Er ordnet seine Hefte, spitzt noch den Bleistift und trödelt ein bisschen herum. Schließlich haben alle Kinder das Klassenzimmer verlassen und er ist der Letzte im Raum. Weil die Lehrerin das Klassenzimmer abschließen möchte, bleibt ihm dann doch nichts anders übrig, als seinen Ranzen umzuschnallen und aufzubrechen. Vielleicht ist es ja auch besser, denkt er bei sich, damit die Tante nicht einen weiteren Wutanfall bekommt.

Nachdem der Weg, den er zu nehmen hat, kein allzu langer ist, muss er nicht mit dem Schulbus fahren, sondern kann zu Fuß gehen. So trottet Toby die Lederergasse hoch bis zur Erlenallee. Überquert zwei Ampeln und biegt wie immer ein in den Rennweg ein, wo das Haus von Selli und Joseph steht.

Die Tür ist aufgesperrt. Er braucht also nicht zu klingeln. So leise wie möglich schlüpft er zur Tür hinein, streift im Flur die Schuhe von seinen Füßen und stellt sie ordentlich ins Regal hinein. Irgendwie ist im mulmig im Bauch und irgendwie erwartet er insgeheim doch den nächsten Krawall um die Bettzeug-Geschichte. Außerdem ist ihm noch immer nichts eingefallen, was eine gute Erklärung abgäbe für das Verschwinden des hässlichen, rosa Lakens von Selli. Weiß Gott, wo Middy das hingezaubert hat. Toby schleicht in die Küche. Und da man von der Küche durch einen offenen Türbogen ins Wohnzimmer gelangt und im Wohnzimmer groß und breit Tante Selli steht, ist der Plan auch schon zunichte. Nix mehr mit: Selli am besten aus dem Weg gehen.

„Essen steht am Herd“, ruft Selli aus dem Wohnzimmer heraus.
Toby geht ins Wohnzimmer. Denn, auch ‚Guten-Tag-Sagen’ ist so ein A und O. Und im Wohnzimmer steht breit und lang ein Bügeltisch, dahinter steht die Tante und glättete gerade das rosarote….

Toby steht mit weit aufgesperrtem Mund da: „Wo um alles in der Welt kommt plötzlich das Laken her?“, fragte er sich und kann den Gedanken gar nicht zu Ende denken, da schnappt Selli auch schon wieder in spitzem Ton: „Was starrst da herum, als käm ich vom Mond!“
Tobias fasst sich: „Ja, ich geh essen, danke“.

Hastig schöpft er eine Kelle Nudelsuppe in seinen Teller, nimmt eine Scheibe Brot aus dem Körbchen und schlingt die Mahlzeit hinunter. Uh, er ist schon erleichtert. Zumindest kein Krach. Aber, erklären, in Dreiteufelsnamen, kann er sich das trotzdem nicht. Wie das nun wieder zugeht. Ein neues Laken. Ein altes Laken. Ohne Glühwürmchen-Kohlloch! – Und den letzten Bissen hinuntergeschluckt, verrollt er sich am besten in sein Zimmer. Dort hockt er sich ins sein Bett. Über die Bettlaken-Geschichte nachdenken muss er später. Erst will er Hausaufgaben machen. Er nimmt seinen Bleistift aus der Federschachtel und das Heft aus der Schultasche und beginnt die Buchstabenzeilen fertig zu schreiben, die er in der Schule bereits angefangen hat. Er versucht M’s und die I’s und die A’s schön zu schreiben und konzentriert sich darauf, nicht zu viel zu radieren. Radieren mag Frau Sixtl, die Deutschlehrerin, nämlich überhaupt nicht. Später, wenn man mit Tinte schreibt, kann man schließlich auch nicht radieren. Also soll man sich das erst gar nicht anfangen. – So, letzte Zeile. Fertig!

Toby vertrödelt dann noch ein bisschen den Nachmittag. Blättert eine Weile in dem Buch, das er von der Stadtbibliothek ausgeborgt hat. Über die Antarktis und die dort lebenden Eisbären und Pinguine und andere Tiere. Er schaut sich im Fernsehen noch seine zwei Zeichentricksendungen an. Zu Abend isst er mit Joseph belegte Brote und wie es dämmrig wird, liegt er auch schon in seinem Bett und wartet voller Spannung, ob auch diese Nacht Middy wieder kommen wird. Uh, er ist ja neugierig, wie das Glühwürmchen ihm erklären wird, wie die weggezauberte Decke nun auf einmal wieder da ist! ..


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Kommentare zu diesem Text

Caterina (46)
(04.08.08)
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 Elén meinte dazu am 05.08.08:
ach du, :) ich bedank mich erneut fürs vorbeischeun und freu mich.

lg

 souldeep (05.08.08)
gespannt verfolge ich mit - und wünsche Toby glück,
wie auch dir den atem, das ganze auszufeilen und
ins projekt zu stellen!

:)
ich mags.
:)

Kirsten
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