Hanni und Nanni

Erzählung zum Thema Befreiung

von  Mutter

Gleich nach dem Telefonat mit Gabi weiß ich: Da stimmt was nicht. Mit diesem unguten Gefühl im Bauch schwinge ich mich auf mein Rad und fahre rüber zum Büro.
Gabi hat nicht gesagt, um was es geht. Natürlich nicht, der alte Geheimniskrämer, lässt ja nie die Katze aus dem Sack, wenn er’s vermeiden kann, aber ich weiß schon, dass es mir nicht gefallen wird.
Kann das schon in seiner Stimme hören, kann ich immer. Gabi schwitzt potentiellen Ärger quasi aus, und meine Nase ist inzwischen sensibilisiert genug, um das sofort wahrzunehmen. Leider bin ich meistens zu dämlich, um diesem Ärger, den ich schon weitem kommen sehe, wirklich aus dem Weg zu gehen.
Ich fahre schneller als sonst, komme ausgepumpt und leicht verschwitzt im Büro an und ziehe die Tür hinter mir zu. Sehe mir die beiden Mädels an, die dort auf unserem Sofa sitzen und unseren Kaffee trinken.
‚Jakob, darf ich dir vorstellen: Hanni und Nanni. Hanni und Nanni, das ist Jakob.’
Die beiden nicken artig, und lächeln mich an. Die eine von beiden, ich nenne sie einfach mal Hanni, sieht ganz süß aus, so auf eine Paris-Hilton-Art, mit kleiner Nase und einem schnellen Lächeln. Ein Blowjob-Gesicht, würde Benz dazu sagen.
Aber die andere ist weniger gefällig. Normalerweise mag ich keine Ponys, und lange, glatte Haare schon gar nicht. Aber bei ihr muss ich eine Ausnahme machen. Ihre Nase ist etwas zu groß, aber sie besitzt eine Ausstrahlung, die ich attraktiv finde. Und die mich die Defensive drängt. Nanni gehört zu der Art Frauen, vor der man leicht Angst haben konnte. Vor der ich schon oft genug Angst gehabt hatte, in meinem Leben.
Weil sie so selbstbewusst, so schlagfertig und so … in-sich-ruhend sind. Das ist die Art Frau, die die meisten Männer unglaublich attraktiv finden, mit denen aber nur die wenigstens von uns fertig werden. Ich gehöre jedenfalls nicht dazu - ich hatte das schon vergeblich versucht.

Nanni fängt meinen Blick auf provokante Art ein, und zwingt mich, mich wieder an Gabi zu wenden. ‚Was wird das, wenn’s fertig  ist?’ will ich von ihm wissen. Wie gesagt, der Gestank von Ärger sitzt mir in den Nüstern, und unruhig scharre ich mit den Hufen.
Gabi lächelt und macht eine Kopfbewegung in Richtung der beiden jungen Frauen. ‚Wir erweitern das Business’, erklärt er dann.
Ich begreife nicht.
Ungeduldig über meine Begriffsstutzigkeit, lässt er sich nach vorne fallen und fährt fort: ‚Die Idee habe ich aus Russland geklaut. Wir machen exakt das Gleiche wie beim Fight Club, nur mit Mädchen.’
‚Wir verkloppen … Mädchen?’ entfährt es mir, obwohl ich natürlich weiß, dass die Bemerkung Schwachsinn ist. Gabi verzieht unwirsch das Gesicht, aber zumindest Hanni lacht. Ich unterdrücke den Wunsch, mich zu ihr umzusehen.
‚Nein, machen wir nicht. Wir bieten Menschen einen Traum. Denselben Traum wie beim Fight Club. Angstfrei zu sein. Hattest du schon mal Angst, Jakob? Angst eine Frau anzusprechen, eine so unglaublich tolle Frau, dass alleine sie anzusehen deine Kehle ganz eng macht?’
Hatte ich – oft genug. Aber das will ich nicht sagen, nicht zugeben. Aber verleugnen kann ich es auch nicht. Gabi, und vor allem Hanni und Nanni hätten gewusst, dass es gelogen ist.
Gabi nickt, als sei meine ausbleibende Antwort genug für ihn. ‚Siehst du – und so geht es fast allen Männern. Sie haben Angst, dass sie sich einen Korb einfangen könnten, dass sie eine Abfuhr bekommen. Und deswegen trauen sie sich gar nicht erst, und echte Klasse-Frauen gehen abends alleine nach Hause.’
Jetzt lachen beide, Hanni und Nanni.
‚Hörst du ganz oft von Super-Models – dass sie einfach gar nicht angesprochen werden, von den Kerlen.’
Ich frage nicht nach, woher Gabi so intime Kenntnisse von Super-Models hat – nachher hat er darauf noch eine Antwort parat.
‚Und ich biete diesen Männern jetzt die Möglichkeit, angstfrei zu leben. Völlig ohne Furcht zu flirten, und vielleicht sogar zum Stich, an einen Fick zu kommen.’
‚Bitte?’
‚Die beiden hier, Hanni und Nanni, werden mit interessierten Kunden das Gleiche machen wie Eric und Robert, nur werden sie nicht ihre Fäuste benutzen, sondern etwas delikatere Körperteile.’
‚Bist du irre? Bist du Lude?’ entfährt es mir, aber Gabi schüttelt nur tadelnd den Kopf.
‚Quatsch Lude, sei doch nicht so verklemmt, Jakob. Oder anders: Sei doch nicht so  vernagelt. Das Ganze hat nichts, aber auch gar nichts mit Huren und Freiern zu tun. Raffst du das nicht? Du lernst irgendwo ein Mädchen kennen, das lächelt nett, und während ihr euch so eure Signale zuwerft, denkst du irgendwann: Da könnte was gehen. Und dann folgt der heiße Kuss, vielleicht der schnelle Fick im Whirlpool, oder in einem Hauseingang. Und dann ist alles vorbei, nur dein Ego ist auf die doppelte Größe angeschwollen.’
Jetzt ist es an mir, den Kopf zu schütteln, und ich fürchte, ich schaue mit missbilligendem Blick auf Hanni und Nanni. Wie zu erwarten scheint das die beiden nicht zu stören.
‚Und das nächste Mal, wenn du wieder Augenkontakt mit einer Schönen hast, wer weiß, vielleicht gehste dann wieder ran. Wer kann schon sagen ob die rassige Dunkelhaarige im Schwimmbad oder die kühle Rothaarige aus der Eckkneipe für uns arbeitet? Freiheit, Jakob, wir reden hier von echter, absoluter Freiheit. Das hat mit Prostitution so viel zu tun wie Thai-Sex mit Kampftaucher-Einsätzen. Die Mädels können sich die Klienten sogar aussuchen.’ Dann verbessert er sich: ‚Aufteilen, sagen wir mal.’
Hanni nickt, und ich bin fassungslos. Ich höre, was er sagt, und irgendwie ergibt das alles ja auch einen Sinn. Aber es kommt mir trotzdem so unwirklich, so fremd vor. Wie damals die Idee vom Business Fight Club.
‚Selbst die Mädels können sich der Illusion hingeben, die Situation hätte sich so ergeben. Als sei das Ganze einfach passiert.’
Irgendwie bezweifle ich, dass das so einfach ist. Nachdem, was mir Eric erzählt hat, und wie er aus der ganzen Sache ausgestiegen ist. Aber ich sage nichts – habe ohnehin das Gefühl, das ganze Gespräch ist völlig überflüssig. Ist doch schon beschlossene Sache, alles eingefädelt. Der erste Fick schon vorbereitet.

Während ich die Bürotür hinter mir schließe, überlege ich, ob Juri von dieser neuen Entwicklung weiß. Ob Gabi das Ding mit ihm durchgesprochen hat. Irgendwie bezweifle ich das, aber wer weiß das bei Juri schon. Vielleicht gefällt ihm die Idee sogar, mitfühlender Lude zu sein. Immer ein offenes Ohr für die Mädchen zu haben, und mit eiserner Faust über ihr Wohl wachen – das könnte schon zu seinem Selbstverständnis passen.
Ich schließe mein Rad wieder los und fahre zurück nach Hause.

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Kommentare zu diesem Text

Kitten (36)
(25.02.09)
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Steinwolke (65)
(01.03.09)
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 Mutter meinte dazu am 02.03.09:
Tja, die Russen ... ;)

Danke schön.
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