Offenbarung des Eusabenius

Satire zum Thema Apokalypse

von  Kleist

Und ich hörte den Engel der Finsternis sprechen mit einer Stimme gleich Donnerhall: „Siehe nun!“ Und ich sah. Und der Engel der Finsternis spreizte seine achtzehn Flügel, die in der Sonne glänzten wie Erz. Und die Himmel taten sich auf und einhundertzwölftausend Seelen der Märtyrer, so gestorben waren um des Wortes Willen, stiegen hinab und mengten sich unters Volk.
  Und der Älteste unter ihnen, Samalehalehel genannt, richtete seine scharfe Zunge gegen den Herrn der Festung und sprach: „Oh du armseliger Wurm von einer nichtswürdigen Made, der du dir anmaßest, dich den Herren der Festung zu heißen und der du throntest über den Deinen als ein Zeichen deiner eigenen Herrlichkeit, siehe nun zu, wie dein unseliges Reich vom Hauch der Verderbnis verweht wird wie eine Hand voll Mehl, in die ein großer Bauer niest.“
  Da fiel jener auf die Knie und winselte flehentlich: „Oh Ältester der Märtyrer, so gestorben sind um des Wortes Willen und dessen Namen zu wiederholen ich unfähig bin, so habe doch im Namen der Tausende, die ich erschlagen ließ um ihres Glaubens Willen, die Geduld, mir folgende Bitte zu gewähren:
  Drei Meilen flussabwärts findet sich die einsame Kate eines treuen Fischers, dessen Tagewerk ein reges und einfältiges ist. Verschone mich und meine Festung und lasse mich diesem Manne bis an sein Lebensende dienen. Die Hand meiner Tochter sowie der dritte Teil meiner Ländereien seien rechtens dein.“
  Samalehalehel hub an zu sprechen, da fiel ihm Gizmahal, der zweitälteste unter den Märtyrern, so gestorben sind um des Wortes Willen, in das Selbe: „Der HERR in seiner unermesslichen Güte verlieh auch mir eine vorschnelle Zunge, so will ich diese nun erschallen lassen, auf dass Gerechtigkeit umwölbe dieser Erden Kreis immerdar.“
  Da tat sich die Erde auf und fünfhunderttausend Posaunen ertönten zu ehren den Reiter der Verdammnis, den just das Totenreich ausgespieen hatte ob seiner Weisheit und unendlichen Güte. Der Älteste der Märtyrer, so gestorben waren um ihrer törichten Fragen Willen, wandte sich nun den zahlreich versammelten Kaufleuten zu und sprach: „Auch ihr habt euch versündigt wider das Gesetz der Alten und das Wort des HERRN. Ihr trankt des Weines der Unzucht und der Hurerei viel und triebt unlauteren Handel mit den Witwen und Verstoßenen. Ihr prelltet manch ehrbares Waisenkind um die mühevoll ersparten Juwelen. Ihr hülltet euch in kostspielige Gewänder und wart doch in eurem Innern verfault wie eine verfaulte Dattel. Zur Sühne sollt ihr bis ans Ende eurer Tage dem wackeren Fischer, dessen einsame Kate da stehet am Flusse als getreue Knechte zur Seite stehen, euch nur mehr von den Abfällen der Fischerei ernähren und lernen, fürderhin ein ehrbar Leben zu führen.“
  Da hoben die Kaufleute an zu wimmern und zu wehklagen und der Oberste der Kaufleute malte ein Zeichen in die Luft und die Selbe ward erfüllt vom tausendfachen Klappern der siebenhundert Cherubim, die gekommen waren zu strafen die Gerechten und zu erfüllen das Wort des HERRN und deren jeder auf vierzehn mächtigen Beinen einherging, einen Speer an die Seite gegürtet und siebenundzwanzig abgeschlagene Köpfe der im erbitterten Kampfe niedergeworfenen Scharen des Beelzebub auf den Schultern hoch aufgetürmt. Und der Größte und Mächtigste unter den Cherubim, ein Wesen von dreizehn Ellen Höhe, spie einen Feuersturm über das Land und die Festung und alle, so darinnen gewesen waren, welcher den Fluss vertrocknen und das Hügelland unter einem Regen von Pech und Asche versinken ließ.
  Doch die Märtyrer trotzten dem Feuer und sprachen mit einer Stimme: „Weh euch, die ihr gekommen seid, das fruchtbare Land zu verderben. Eure Glut und Hitze sollen euer eigen Leib versengen und die Heerscharen des Himmels eure Gebeine auseinander reißen. Der Tag des rächenden Zornes des HERRN ist nahe herbeigekommen. Kehret ihr um und bereuet die Untaten, so ihr begangen habet.“
  Aber die Cherubim rasselten mit ihren Speeren und ließen ein Getöse herbeischallen, welches mir Mark und Bein in den Adern gefrieren ließ. Und der Sohn des obersten Cherub, welcher fünfzehn Beine hatte und vierzehn Ellen im Viereck maß, begann, die Seelen derer zu zählen, die angetreten waren, die letzte aller Schlachten zu schlagen. Und ein jeder unter ihnen hatte ein wundersames Zeichen auf der linken Hand. Und das Zeichen konnte nicht ausgesprochen werden, es sei denn an dem Tage, an welchem die Himmel sich teilen werden und ein neuer Stern erscheinen wird, größer und heller als alle, die die Welt je sah.
  Und Samalehalehel sprach erneut: „Sehet, tapfere Cherubim, die Himmel sich verdüstern und den letzten Sturm des Weltalters aufziehen.“ Und er tat drei Schritte zurück und fiel in einen Höllenschlund.
  Als die Cherubim dies sahen, stimmten sie ein Jubelgeschrei an, lauter als tausend Posaunen, und der Reiter der Verdammnis bäumte sich auf, zu ehren den, der gefallen war.
  Er trieb einen alten Ochsen vor sich her. Und der Ochse hatte ein Schwert, zu strafen die Ungläubigen, und einen Knüppel, zu züchtigen die Ehebrecher, und eine Schale Hirsebrei, zu laben die Verfolgten. Und der Ochse wurde an einen der Cherubim gebunden. Und ich hörte ein Rauschen wie von einem mächtigen Wasserfall und der Engel der Finsternis sprach zu mir:
  „Das ist, was in Kürze geschehen wird.“

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Kommentare zu diesem Text


 loslosch (13.05.09)
Sprachlich astrein (old fashioned) serviert. Zwei kleine Vorschäge:... um des ... W(w)illen sollte einheitlich geschrieben sein. "... und waret (nicht: ward) doch in eurem Innern..."

Für meinen Geschmack fehlt ein Hinweis fürs Textverständnis. Der dürfte ggf. sogar satiregemäß formuliert sein. Lothar

 Kleist meinte dazu am 12.03.10:
Zahlt sich doch aus, mal in den alten Texten rumzuwühlen. Danke für die Korrekturvorschläge - sind umgesetzt!
Knallcharge (42)
(17.06.09)
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 Kleist antwortete darauf am 12.03.10:
Der Name "Eusabenius" kommt übrigens  von hier.
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