Das einmalige Rendezvous Teil VII

Erzählung zum Thema Ekstase

von  pentz

Nahezu genauso wie filmisch schon vorgestellt, vorweggenommen und antizipiert, lief alles Schritt für Schritt ab. - Ich ging auf das Badezimmer zu, legte meine Kleidung ab, zog mir den Bademantel über. Es öffnete sich die Türe, als ich die Klinke herunterdrückte. Eine dampfend heiße Atmosphäre, wie erwartet, schlug mir entgegen. Ich zuckte mit dem Oberkörper zurück. Dann äugte ich durch einen großen Spalt hinein.
Ich fand sie schließlich in der Badewanne liegend vor, regungslos. Vorsichtig stützte ich mich mit den Händen auf der Randkante ab, um mich darauf niederzulassen. Ich testete das Wasser. Gar nicht so heiß, obgleich es dampfte. Lustig, auf der großen, weiten dampfenden Badewanne-Oberfläche trieben ein paar runde Schälchen, in denen Ölflammen loderten.
Ich erhob mich wieder, ließ den Frottemantel hinter mir heruntergleiten, eine Geste zu theatralisch, ich geb’s zu und stieg sachte und behutsam zu ihr hinein. Freudig ließ ich mich vis-à-vis von ihr nieder.
Unsere Körper berührten sich nicht. Ich sah ja nichts, aber sie musste ihre Knie angezogen haben. Wenn man sich überlegt, dass ihr Kopf dabei nach hinten gelegt war und sie sich so steif verharrend kein bisschen regte, erinnerte sie an eine wartende Eidechse oder einen Leguan, der unter sengender Sonnenstrahlen regungslos auf seine günstige Gelegenheit lauerte, um endlich ihre schleimige Zunge auszufahren und damit fliegende Insekten  zu schnappen.
Wegen des Dampfes, der am stärksten vom Wasser aufstieg, zeichnete mehr meine Phantasie als die Realität diese Gestalt: dünne Arme, eingefallene Gesichtszüge, nach oben gebundene Haare, und sie schien den Kopf auf die Seitenwand zurückgelehnt zu haben und atmete bewusst ein und aus, dem vernehmlichen Schnaufen nach zu urteilen. Es setzte ihr wohl sehr zu, dieses heiße Bad.
Aber mir schließlich auch, schoss mir doch der Schweiß aus den Poren und ich fing an, schwer zu atmen.
Ihre Stellung, diese verharrende Ruhelage, strömte etwas sehr Bedrohliches aus, als würde sie überraschend und jeden Moment ihre Geheimwaffe, ob verborgener Speer, verhexender Zauberstab oder hypnotisierender, böser Blick anwenden, einem Mittel, dessen sie hundertprozentig sicher zu sein schien.
Natürlich, mir erschien diese Situation deshalb so beängstigend, weil ich sie mir bislang nicht in meinen kühnsten Vorstellungen hatte vorstellen mögen. Sie hatte wieder einmal den ersten Schritt getan, Kuhmist. An meiner Lage hatte sich nicht das Geringste geändert: wie immer, so auch jetzt hier, hinkte ich hinterher.

Ich hörte ihre Stimme: „Eins würde mich interessieren. Wenn Sie meine Person als Vorbild für eine Figur in einem Ihrer Roman nehmen würden, wie würden Sie mich dann zeichnen?“
Ja, wenn ich ihr dies jetzt beschrieb, nahm sie getreu ihres Kunstverständnisses an, es steckte etwas anderes dahinter, ich würde sie wohl nachgerade „falsch“, „gegenteilig“ und verzerrt darstellen. Aber es war mir egal, dachte ich. Beschreibe sie also geschönt.
„Die klugen pfiffigen Augen waren von einer stahlblauen Undurchdringlichkeit und bewegten sich rasend hin und her in ihren Augenhöhlen, so dass es dem Betrachter schwer fiel, in ihnen Emotionen erkennen zu können. Rätselhaft konnte man nicht gerade sagen deshalb, jedoch hinterließ diese ihre Unfassbarkeit, hektische Beweglichkeit und Raserei der Augen beim Betrachter ein Unwägbarkeitsgefühl und etwas Rätselhaftes.“
Es fiel mir schwer, flüssig zu reden. Hatte ich etwa Angst, mich zu verraten?
Hm, weiter.
„Ihr knochiger, breiter Körperbau bewegte sich abrupt und schnell, so dass es etwas Einschüchterndes auf andere hatte.“
Klingt doch nicht schlecht, oder? Außerdem schien sie zu schmunzeln, jedenfalls stärker zu schnauben. Wohl weil es sie erheiterte, hoffte ich.
Gleichzeitig erschrak ich: hatte ich nicht vorhin ihre Augen als rätselhaft, undurchdringlich und undurchschaubar beschrieben, wenngleich sie doch im Gegenteil sehr ruhige und gleichzeitig stechende Augen besaß?
Allerdings minderte diese Gegenteiligkeit der Beschreibung nicht eine gewisse für den Außenstehenden Uneinsichtigkeit in die Persönlichkeit der Beschriebenen, ob so oder so. Ebenso verhielt es sich mit der Körperzeichnung: ob sie nun krude und eckig mit ihrer bedrohlichen Korpulenz erschien oder stechend durch ihren skelettartigen Körperbau, beide Male hatte dies das gleiche Ergebnis zur Folge, nämlich dass man lieber auf Distanz zu diesem Körpern ging.

Trotzdem, weiter und gerade deswegen, egal, ich reflektierte noch zu sehr beim Erzählen, wie das beim Leser oder ihr ankommen musste, was ich mir verbot, da es gegen die Regeln eines Spiels war, das mir immer mehr zusagte. Aus irgendwelchen Gründen euphorisierte mich dieses Bad. Vielleicht lag es an dieser schwülen Atmosphäre hier?
Ich roch an dem Wasser. Es befand sich darin ein penetranter Cocktail von Duftstoffen, der mich fast umgehauen hätte, wenn ich mich nicht schon in horizontaler Lage befunden hätte. Aber weiter, weiter...
Ihre von mir wahrgenommene Schmächtigkeit, Eingefallenheit, Abgemagertheit verursachte die gleiche Wirkung wie das beschriebene Gegenteil einer sehr agilen, breiten und resoluten Körperbeweglichkeit. Manchmal, folgerte ich daraus, egal wie man es beschreibt, gerade, wenn man es gegenteilig beschreibt, wird doch die selbe Wirkung erzielt. Beim Schreiben, wie gesagt.
Weitere Gedanken und Fragen hinsichtlich der Parallelitäten zur Bildenden Kunst, die aufkamen, wischte ich sofort wieder weg, sich nur aufs Geschehen konzentrierend.
Phantastisch, nicht einmal ihr permanent albernes Gekichere und unterdrückte Lachen hinderte mich daran. Durch nichts wurde meine Beschwingtheit gebremst, war alles doch bloß mehr oder minder ein Tanz. Ich glaube, liegt man mit einer Frau endlich nackt wie wir zusammen in einer Badewanne, musste man sich einfach so fühlen. Oder es lag an den besonderen Umständen hier, wer weiß es?
Aber was immer ich im Folgenden weiter beschrieb, sagte mir stets das Gleiche: obwohl entgegensetzt dessen, wie ich sie sah, war der Effekt der Gleiche.
Das ist, wenn nicht der Gegensatz zu ihrem Kunstbegriff, so doch dessen Widerlegung!
Der auf die Bildenden Künste beruhenden Kunstbegriff ist nicht auf die Literatur übertragbar. Dieser muss ein anderer sein als jener: in der Literatur kann man nicht umhin, Personen in ihrer Wirkung wegen auf die Umwelt zu beschreiben, also nicht nur so, wie sie einem in Wirklichkeit auch begegneten. Es genügte nicht, nur das Äußere derselben zu zeichnen. Man musste jede Skizze nicht nur nicht ausmalen, sondern sicherlich geben die Farben den Sinn in der Malerei. In der Literatur ist diese die Transzendenz, der Geist, die Art der Deskription, die Seele.
Wusste sie das bereits? Hatte sie mich bewusst in die Irre geführt?
Mit einem Mal fühlte ich mich total ernüchtert. Ich spürte, ich war am Ende meines Beschreibens angekommen. Das Gefühl, von ihr auch auf dem intellektuellem Terrain aufs Glatteis geführt worden zu sein, gewann die Oberhand.
Aber gleichzeitig, der unerklärlichen Beschwingtheit muss es zugeschrieben werden, lachte ich mir meinen Frust sofort wieder weg.
Woher kam nur diese aphrodisierde Wirkung, der ich immer wieder unterlag, diese euphorisierende Stimmung, der ich erneut anheimfiel, diesem Narkotikum, das mich permanent lähmte?
Tröstlich, nein wohltuend und erhebend der Gedanke, dass sich wohl die Kritikern getäuscht haben musste in ihrem Kunstbegriff, der offensichtlich nur auf die Malerei anzuwenden war, jedenfalls nicht unumwunden auf die schreibende Kunst– so mein Eindruck, der sich wieder in den Vordergrund drängte, Punktum.

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