Sucht

Innerer Monolog zum Thema Sucht

von  Sadikud

Sucht

Sie ist wunderschön, verkommen und alt. Vergeblich wird nach ihrer Unsterblichkeit gesucht. Die Bindung an sie ist stets belastet mit unverrückbarer Nähe. Das Verhältnis zu ihr, welches niemals erfüllt werden kann, ist einem Dualismus gefangen, der sich von der Aufmerksamkeit ihres Wirtes ernährt. In den Träumen ist sie fort und am Tag erfüllt sie uns mit ihrer gesamten Stärke, denn dann kommt sie zurück und sie tut es laut. Sie fließt durch unsere Adern wie das Blut das wir wegen ihr schlucken müssen, damit wir nicht den Halt unter unseren Füßen verlieren. Sie ist verräterisch, charmant und meist schneller in uns drinnen, als wir sie kommen haben sehen.
Ich hab´s versucht, so oft versucht und trotzdem komme ich nicht von ihr weg. Dieses Gefühl der Wärme erfüllt mein Inneres mit der Kraft, die mir fehlt dagegen anzukämpfen. Es ist nämlich ein ständiger Kampf der unbemerkt in uns ausgetragen wird, dessen Soldaten angespannt in den Gräsern liegen mit dem Zielfernrohr auf uns gerichtet. Abermals hat der Angriff seine Narben hinterlassen und 100 mal gescheitert stehe ich hier und entscheide darüber es wieder zu tun. Wieder die endlos scheinende Kette des Konsums nachgehen, die kein Ende findet in einer nahen Umgebung in der es mir gut gehen sollte. Auch wenn ich gestern noch so von mir überzeugt war und unzählige male mir das Gegenteil eingeredet habe kommt sie wieder zurück, und meist tut sie es vollkommener, überzeugender und rhetorischer wie je zuvor. Sie bevölkert das Unterbewusstsein, den Schatten meiner Vergangenheit. Gib ihr Zeit und sie wird die Zeit nutzen Größe zu gewinnen. Wie oft habe ich mich vor den echten und vor den inneren Spiegel gestellt und all die Momente Revue passieren lassen. Wie oft habe ich mir die immer gleichen Tiraden vorgejammert in denen ich mich ändern wollte, in denen ich die vollkommene Negativität meiner Gedanken spüren musste, die mich überzeugen wollte es nicht zu tun. Getan habe ich es, denn der Gestank mit dem ich mich in die neue Scheiße begeben habe, erfüllt nun nicht nur meine Adern, sondern meine komplette Existenz.
10 mal blickte ich in die selben mir selbst ausgelieferten Augen, in welchen ich mich verloren habe mit der Frage wie es weiter gehen soll. Die Projektion vor meinem Innersten zeigte mir wie oft die Enttäuschung an meinem Selbstvertrauen gezehrt hat und wie oft das reine Bedauern meine Entscheidungsstärke zersetzt hat.
Das Kopfrechen um die immer gleiche Sache verzehrt also meinen Willen. Das  tun was gut für mich ist, aber vielleicht reicht es mir einfach nicht, vielleicht will ich einfach jemand anderes sein. In einem Körper leben der erschöpft leichter wirkt und müde aufmerksamer ist. Ein Körper der nicht ständig nach ihr verlangt, der frei von diesen Zwängen lebt.
Diesen Anblick von der persönlichen Verendung ist geprägt von Freude und Opposition, einer der mich vergessen lässt wie stupide, aussichtslos der graue Alltag ist. Seit dem verblassten Bild meiner Kindheit steht ein neuer Spiegel vor meinem Gesicht der das Loslassen nicht einfacher gestaltet, vor dem Hintergrund des Schmerzes der in mir ruhen muss trete ich mit Füßen auf eine Vergangenheit die mir alles zeigen will nur nicht den Ausweg. Sie kann mir nicht helfen und genau so wenig kann ich mir selbst helfen. An dieser Stelle, die umgeben ist von den Fragen ob ich es wieder tun soll, hilft alleine mein verteufeltes Unterbewusstsein meinen Trieb zu steuern. Niemals hätte ich gedacht einmal an dieser Stelle zu stehen, aber sie ist gekommen und sie kommt immer näher an mein Gesicht heran. Wie soll die Kindheit auch verstehen können wie es sich anfühlt wenn einen die nächste Substanz, der nächste Löffel, die nächste Nase zum Tanz der Gefühle wird. Einer der immer weiter geht solange bis ich eines Tages wirklich nicht mehr kann und umfalle, sterbe und zerfalle wie all die Träume die ich einmal hatte. Träume von denen der Konsum so weit entfernt war wie die Gedanken die um meinem Kopf kreisen, sich drehen und weiter gehen – sehr weit. Diese Welt hinter meinen Augen geht weiter bis zur völligen Verendung, geschmiert auf einen dreckigen Spiegel irgendeiner Toilette in einer Psychiatrie oder in einem Club. Alles ist mir egal und beides ist mir gleich. Erst dort komme ich dann runter und sehe in der tiefen Unvollkommenheit meines Anblicks den Text meiner Persönlichkeit, der aus dem reinen Trieb nach Mehr greifen will. Einen den es egal ist in wie viel Schrott an Gesprächen und Gedanken ich mich bade.
Müde ist mein Antrieb geworden der einst dagegen ankämpfen konnte und trostlost ist jeglicher Wille der es schaffen könnte. Dieser einzige Atemzug in dem ich stecken geblieben bin dauert Wochen, Monate, Jahre an und schon fast ein Jahrzehnt, wodurch mein Treiben scheinbar kein Ende nehmen will. Durst habe ich, eine Lust auf einen Exzess der mich näher an mich selbst ran bringt. Wieder bin ich an diesen nahen Ort geraten in dem die Gedanken so seltsam anstrengend aussehen. Ein Ort an dem Fragen wie Antworten aussehen und Antworten niemals mehr sind als weitere Fragen an das eigene Gewissen. Sie ist mir dicht auf den Fersen, verfolgt mich in jedes Zimmer meiner Welt. Die Beziehung in der wir leben ist langwierig, gezeichnet von Up and Downs, von Hoch und Tiefs, die mich immer wieder in ihre offenen Arme treiben, damit ich stecken bleibe und mich ihr nie wieder abkehre. Denn alles was sie ist, bin ich und wenn ich nicht sie aufgeben kann, werde ich irgendwann mich selbst aufgeben und in ihr aufgehen und niemand wird mehr über mich sprechen. Ich bin dann sie geworden und diese Schwäche verzeiht kein Mensch...
Denis Sadiku, 2019

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Kommentare zu diesem Text


 LotharAtzert (24.12.20)
Sie ist die Gefahr, die der Irrfahrer zu bestehen hat, um erfahren zu werden. Besteht er, verwandelt sie sich, wird Gefährtin.
Den Verweigerer frißt sie, wie die Spinne den Spinner.

Gruß
Lothar
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