der Patient verhält sich ruhig

Kurzgeschichte zum Thema Gefangen

von  Sadikud

Der Patient verhält sich ruhig

In einem Zimmer stehen Betten. Neben den Betten stehen kleine Schränke, die mit einer Schublade versehen sind. Darin liegt nicht viel. Auf den Betten liegen Kissen in weißer Farbe, Decken in weißer Farbe und Bettlaken in der gleichen Farbe. Die Wände, die sich gegenüber den Betten befinden, erscheinen in einem leichten Beige, wodurch ein kleiner Unterschied entsteht, einer der bereits an der Zimmerdecke aufhört. Diese ist weiß, leicht verschmutzt, aber weiß wie die Decken, die Kissen und die Betten. Der Himmel draußen vor dem Fenster bleibt seit einigen Tagen grau, ab und an wechselt sich eine Stelle in das eine Weiß, das sich hier in dem geschlossenen Gefängnis ausbreitet. Eines das nur nicht auffällt. Auffallen muss es sowieso niemanden, denn niemand schaut aus dem Fenster. Zumindest nicht in diesem Zimmer. Immer ist es eher dunkel, schwach beleuchtet und weiß-grau. So, als ob das Mobiliar und alles was damit zusammenhängt nach Langeweile schreien will. Ein Hilferuf aus der endlos geschwächten Tristesse. In ihr liegen müde Körper. Einer liegt und beobachtet den erbauten Abschnitt des Himmels der über ihm liegt. Für diesen benötigt er keine Kraft. Somit erspart sich dieser Körper den Aufwand aus dem Fenster zu blicken. Warum auch? Denn der Kopf liegt sicher, bequem und ruhig. Im Liegen stört das meiste nicht. Weder strengen sich Muskeln an, noch zwängen sich Bewegungen der Gliedmaßen vergeblich in eine anerkannte Form der körperlichen Betätigung. "Erst mal liegen und dann vielleicht später aufstehen", das sind seine einzigen Gedanken.
Erst mal entspannen, liegen und dann gleich danach aufstehen. Die Beine wissen es bereits. Die Gliedmaßen warten darauf und sparen die notwendige Energie, solange bis sie zum Einsatz kommen. Das Liegen hat definitiv Vorrang, weil es eine sehr angenehme Tätigkeit ist. "was ist wenn ich heute länger liege, länger als sonst, dann haben die Beine mehr Zeit". Zeit die draußen schneller vergehen würde. Dort draußen wo die farblosen Wolken wachen.
Die Temperatur in dem Zimmer pendelt sich monoton auf 23 °C ein, die Fenster sind gekippt und einige Lichtstrahlen erhellen den abgedunkelten Teil des Zimmers. Wieder ist nichts passiert, obwohl die Stimmung längst gekippt war. Weit herunter fallen kann sie auf dem Bett nicht. Fest verankert ist er, was zeigt wie schwerfällig er bereits geworden ist. Denn mit jeder verstrichenen Minute vergeht eine Sekunde in den Gedanken, die sich drehen, wenden und meist stehenbleiben. Gut, es muss eine Veränderung her. Eine die alles Gesamte aufdreht, damit der Kopf nicht ständig zu Ende geht und sich in seiner Einsamkeit verliert. Also doch wieder sitzen, überlegen und liegen. Ein paar Muskeln bewegen sich bereits. Zuerst die Zehen an den Füßen, dann das Schienbein gefolgt vom angewinkelten Knie. Der Oberschenkel des halb in der Luft fliegenden Beins bleibt noch zurück. Nach dieser Sekunde vergeht eine neue und nach der vergeht kein neuer Tag. Also warten auf den Oberschenkel, die Hüfte und alles was damit zusammenhängt. Der Rücken hebt sich an. Die Wirbelsäule nimmt ihr runde Form an. Geschafft "ich sitze!"... "stellt sich nur die Frage wohin?". Denn wo hingehen, wenn sich hinter 1000 Türen keine Welt befindet?
Viele Orte gibt es nicht und die, welche sich anbieten weichen zurück beim Anblick ihrer Anstrengungen. Was zu viel zu sein scheint bleibt offen und das Einzige was ihn begrüßt ist der Rauch und dessen Geruch. An dem Geruch hängt das von den Feuerzeugen ausgelöste Klicken, wenn die Räder die Feuersteine berühren. Ja das ist es. Das kann ich tun. 5 Minuten, in denen die Asche abbröckelt, zu Boden fällt, "erst mal stehen, dann werde ich gehen und dann werde ich rauchen".
Die linke Hand bleibt stets in der Jackentasche und kramt zwischen zerknitterten Süßigkeitenverpackungen und losen Filtern umher, ohne irgendetwas bestimmtes zu suchen. Die rechte Hand führt die rauchende Bewegung aus. Der Mund verschwindet ab und an. Beim zurück gehen fällt ihm dann auf, wie oft er schon lag, wie genau er die Decke kennt - besser als die Verwandten, die ihn seit geraumer Zeit nicht mehr besuchen. Sogar die Anzahl der kleinen Löcher in der Holzleiste an der Decke ist ihm wohl bekannt. Alles schon gehabt, alles bereits durchdacht, dass wenn er liegt, er bestimmt wieder aufstehen wird zumindest spätestens wenn das Nikotin nach ihm ruft. Kein Problem, liegen und dann sitzen, entscheiden und dann gehen, gehen und dann rauchen bis die letzte Asche vom Filter fällt und sich der Rauch ein weiteres mal legt. Zurück gehen, sich aufs Bett begeben und liegen. Liegen und warten, bis ihm auffällt, dass alles real ist und jedes Loch dort oben gerecht ist, dass jede Sekunde und jeder Tag und alles schon mal da gewesen waren.
2019, Denis Sadiku


Anmerkung von Sadikud:

Dieser Text stammt aus einer Reihe von Kurzgeschichten, die ich auf einer Reise durch Europa geschrieben habe. Die Idee dahinter soll zu unserem Zeitgeist passen: eine Geschichte bzw. eine kurze Handlung, die man auf dem Weg zur Arbeit in der U-Bahn lesen kann. Sozusagen eine Kurz-Kurz-Geschichte die einzig und alleine eine Emotion einfangen will.

Inspiriert wurde ich von der Tristesse und Monotonie in einem Krankenhaus. Den Patienten gab es wirklich und das einzige was mich in seine Gedankenwelt eintauchen lassen hat, war die Beobachtungen die ich anstellte. Meine Objektive Wahrnehmung verschmilzt mit seiner subjektiven Situation, die ich - auch nach mehreren Gesprächen - nie wirklich erfahren durfte.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (24.12.20)
Guten Morgen, die Zeichensetzung ist mangelhaft, was das Lesen erheblich erschwert.
Z.B. "Die WändeKOMMA die sich gegenüber den Betten befindenKOMMA erscheinen in einem leichten Beige," (Ergänzungen von mir). (Wem erscheinen sie denn?)

Kurios ist "Kissen in weißer Farbe" - ist das Absicht?

 Sadikud meinte dazu am 30.12.20:
Danke für die gefundenen Vergehen in der Zeichensetzung.

Wo genau sich der Erzähler befindet, wer der Erzähler ist, bleibt zunächst absichtlich unklar. Durch die übersichtliche Gesamtlänge des Textes, werden Abstriche in der narrativen Genauigkeit eingefordert, um dem Sinnbild der "aussichtslosen Situationen" und den subjektiv schwerfälligen Gedankengängen näher zu kommen. Wem sie also erscheinen, bleibt dem Eindruck des Lesers überlassen.

Das Spiel mit "Kissen in weißer Farbe", lässt zuerst das Intratextuelle Bild eines Kissens entstehen, das in einer Pfütze weißer Farbe liegt. Klar ist: (was durch die anfänglichen Wortwiederholungen dargestellt werden soll) es handelt sich um die Textilfarbe der Kissen bzw. den Anstrich der Wand. Hierbei handelt es sich um eine Annäherung an den Textbegriff Lotmans "der Text als ein Gemälde", denn wie ein Betrachter in einem Museum schreiten wir zunächst unwissend an das jeweilige Exponat heran. Partiell befinden wir uns damit als Leser in der selben Rolle und betrachten das abstrakte Textbild.

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 02.01.21:
Das ist sehr verkopft-manieriert konstruiert. Zunächst muss die Form stimmen, bevor man sich an so Experimente wagt. Was nicht der Fall ist, z.B.
zurück gehen -> Zurückgehen

 Sadikud schrieb daraufhin am 02.01.21:
Dieser Meinung bin ich nicht. Natürlich ist es Geschmacksache, aber die Kritik ist unzureichend. Also manieriert würde ich das nicht nennen. In meinem Studium stolpere ich des Öfteren über Texte, die manieriert sind. Besonders wenn es um Texte geht, die vor dem 19 Jahrhundert verfasst wurden. Große Kunst, mit sehr viel Schmuck, aber wenig Ehrlichkeit.
Der Protagonist hier leidet unter der Monotonie in dem Krankenhaus. Er ist ein einfacher Mensch. Deshalb besteht ein einfacher Sprachgebrauch, einfache Satzgefüge, keine großen Experimente. "Das Kissen in weißer Farbe" und die eingebaute Transponierung des Kunsteffekts ist keine Notwendigkeit und kann auch ohne diese verstanden werden.
Einfach Wiederholungen, einfache Handlungen, einfache Beschreibungen einer Situation die sich in einer Stunde abspielt. Darüber hinaus sind es natürliche Beobachtungen, denn die echte Person, die dahinter steht, hat wirklich nicht mehr gemacht, außer zu liegen, nachzudenken und zu rauchen. Sowohl der Inhalt, als auch die sprachliche Umsetzung sind mehr als Trivial und die manierierte Konstruktion ist wenn überhaupt eine Übung, die jeder Text inne haben sollte, wenn er nicht sinnfrei sein will. Qualität statt Quantität.
Aber wie gesagt, das ist meine Meinung und außerdem sehe ich mich noch in der Übung: Schreiben ist ein Prozess, ich bin jung und daher liebe ich Kritik, wenn sie Aussagekräftig ist.

Antwort geändert am 02.01.2021 um 19:22 Uhr

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 03.01.21:
Ich sag' mal so: Daumen hoch für den Versuch, etwas anspruchvolleres als die hier übliche langweilige Depressionslyrik zu schaffen. Der Text schlägt ja auch nicht überall über die Stränge, wie z.B. bei den weiss angestrichenen Kissen.
Texte aus dem 19. Jhd, mögen uns heute manieriert geschrieben vorkommen, damals waren sie es oftmals nicht. Z.B. finde ich E.T.A. Hoffmann und Jane Austen noch heute klasse.

 Thomas-Wiefelhaus (24.12.20)
Kann mir die triste Realität gut vorstellen. Aber: Wie viele Betten stehen im Zimmer. Wie weit ist es vom "Leben" der noch Aktiveren entfernt?

 Buchstabenkrieger (24.12.20)
Hi Sadikud,

von mir auch ein paar RS-Anmerkungen:

Wie wenn das Mobiliar und alles was damit zusammenhängt nach Langeweile schreien will.
—> Umgangsprachlcih. Vorschlag: So, als ob …

"erst mal liegen und dann vielleicht später aufstehen", das sind seine einzigen Gedanken.
—> Sätze beginnen mit Großbuchstaben (hat du öfter). Bei Gedanken empfehle ich Kursivschrift ohne Gänsefüßchen.

Energie solange
—> Energie, KOMMA

"was ist wenn ich heute länger liege, länger als sonst", dann haben die Beine mehr Zeit.
—> Ist der zweite Halbsatz nicht auch ein Gedanke?

verliert.  Also
—> Ein Leerzeichen zu viel vor Also

5 Minuten in denen die Asche abbröckelt
—> Fünf Minuten, in denen

Die linke Hand bleibt stets in der Jackentasche und kramt zwischen zerknitterten Süßigkeiten Verpackungen und losen Filtern umher ohne irgendetwas bestimmtes zu suchen.
—> Ein Leerzeichen zu viel nach zerknitterten
—> Süßigkeitenverpackungen
—> umher, KOMMA

kennt - besser
—> Halbgeviertstrich anstatt Bindestrich, also: kennt – besser

als die Verwandten die ihn
—> Verwandten KOMMA

Schöne Tage.
Buchstabenkrieger

 Sadikud ergänzte dazu am 30.12.20:
Danke für die Hinweise! Werde mich in Zukunft nochmal genauer mit Zeichensetzung und Rechtschreibung auseinandersetzen, bevor ich einen solchen Text veröffentliche.
Guten Rutsch!
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