fastenzeit

Gedicht zum Thema Suche

von  harzgebirgler

meist sucht man sinn, um nicht zu sagen
das schwert zum knotigen durchhaun:
so schiebt man seinen einkaufswagen
begierig vor sich her beim schaun
durch mannigfache kostma(h)l-gänge
im supermarkt der wortkultur -
dort herrscht gedrängte warenenge:
die qual der wahl hast du nun pur.

leicht kannst du dich hier schwer vergreifen,
selten ist drin, was draußen steht:
manch fescher käse muss noch reifen -
du spürsts, wenns die gedärme bläht.
viel abklatsch glänzt von originalen,
die es im sortiment kaum gibt -
so kommts, daß man mit wahlesqualen
den einkaufswagen weiterschiebt

geschwafel gibts in vielen fächern
von seelenschmerz und unrechtsrächern,
nach hinten wie nach vorne spinnend
schier bodenlos nie land gewinnend.
auch spökenkieksches wird geboten -
geister sieht es, spricht mit toten
und hat dabei eh nur im blick
den zahlungskräftgen psycho-tick

doch da, ein licht, am kopf des ganges...
...oh, indien? sei mir gegrüßt!
ob du durch deine weisheitslehren
den einkaufsbummel mir versüßt?!
mich deucht jedoch, nicht lohnts der mühe -
zu fremd sind mir dir heilge kühe:
wo tiere mehr als menschen gelten,
ist satte nährung eher selten!

ich stoß auf stände mit propheten,
die heilsgewiß herumtrompeten
von paradiesen, leiden, dulden
und glauben, den wir göttern schulden,
f/rein jenseits wohnend aller sterne
in scheinentrückter erdenferne -
doch bleibt die frage, falls sie sind,
was heißt denn 'sein', oh gotteskind?!

ein kühlregal lockt in der nähe,
zu dem ich flugs voll hoffnung gehe;
zugriff final mit beiden händen,
sie greifen: mythen und legenden
vom ayers rock, von manitou
aus andenlanden, von bantu
im viererpack zum schnäppchenpreis -
fehlt nur noch was aus ewgem eis!

es bleiben, komisch, tiefe lücken -
das angebot wirkt mangelhaft,
zumal auch feistes selbstentzücken
noch lange keine klarheit schafft.
gestochert wird in eingeweiden
und hinter wolken forsch gespürt;
die spreu vom weizen schön zu scheiden,
nur das ists, was da weiterführt

bedient mach ich drum schluß für heute,
beende meine einkaufstour,
froh, nicht des leichtsinns fette beute
zu sein, wähl ich ne fastenkur,
statt mir (all das mag reizend werben
um willge käufer weit und breit)
den armen magen zu verderben -
was hilft? vorerst enthaltsamkeit!

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Kommentare zu diesem Text


 FrankReich (08.05.21)
Real(ität)

Langer Rede kurzer Sinn:
Einmal drin, alles hin. 😂

Ciao, Frank

 harzgebirgler meinte dazu am 09.05.21:
sbei uns hier ist "real" auch längst schon dicht
und ich vermisse echt den laden nicht.

dankesgrüße
henning

 Didi.Costaire (08.05.21)
Nach diesen opulenten Zeilen
mit - wenn auch feinstem - Wortsalat
wird's wirklich Zeit, mal zu verweilen.
Da ist Askese adäquat.

Wirklich gut gedichtet und lohnenswert zu lesen.

Schöne Grüße,
Dirk

 harzgebirgler antwortete darauf am 09.05.21:
wer sich einlässt auf all den plunder
erlebt oft wahrlich sein blaues wunder
und sieht auch land auf lange sicht
beim besten willen eher nicht.

herzliche dankesgrüße
henning

 TassoTuwas (08.05.21)
Wenn einer stundenlang entscheidungsarm
vor der Regalenflut rat- und tatlos lungert
dem kneift der Magen zwickt der Darm
und ist dort manchmal auch verhungert!

Herzliche Grüße
TT

 harzgebirgler schrieb daraufhin am 09.05.21:
die menschen hungern und dürsten nach sinn
denn kaum wo ist der wirklich ja noch drin.

lg mit herzlichem dank
harzgebirgler

 indikatrix (09.05.21)
Gegen Gedankenfluss
im Überschuss hilft Reizüberflutung
welch Zumutung in Ablenkung,
Liebe Grüße,
Indikatrix

 harzgebirgler äußerte darauf am 09.05.21:
es flutet die köpfe ein botschaftenmeer
und land sieht darum auch schon längst keiner mehr.

herzliche dankesgrüße
harzgebirgler
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