2.2011 – 4.2011

Revue zum Thema Idealismus

von  Terminator

Februar 2011


Das Achtundzwanzigwerden ist keine schöne Sache, aber auch keine Katastrophe wie der 18-te oder der 20-ste Geburtstag. Aufbruch in Nordafrika: man schrieb, es sei wie 1989 in Osteuropa. Wahrscheinlich diktierten dieselben, die Anfang 2011 schon wussten, wohin die Reise geht.


Proselyten und Konvertiten machten mir das Glauben schwer. Vom frühen Nachmittag bis in den späten Abend lächeln, beten, singen, und in den Pausen ein noch smallerer Talk als der verhasste gewöhnliche Small Talk. Auf jede Frage kommt anstatt einer Antwort ein Bibelzitat oder eine den IQ von 1 beleidigende Banalität. Das Wort Sekte lag mir nicht lange auf der Zunge, ich sprach es ehrlicherweise aus. Wie angenehm war dagegen eine Unterhaltung mit Mormonen, die mich im Sommer besuchten. Nette Jungs aus den USA, gebildet genug, um sprachliche Handlungen auf logischer Basis zu vollziehen, um zu wissen, was ein Argument ist, und um andere Sichtweisen tolerieren zu können. Sie sprachen gutes Deutsch, während die "echten" Christen, die sich "einfach nur Christen" nannten, ohne Konfession oder Kirchenzugehörigkeit, oft einen Redner hatten, der in furchtbarstem Deutsch in Fidel-Castro-Manier stundenlang mit feuriger Inbrunst Banalitäten von allen Zäunen brach, ein Zeugnis göttlichen Wirkens in seinem Leben. Nein, ich habe nichts gegen diese Leute, nur eins werfe ich ihnen vor: sie erwarteten von mir, dass ich mich spätestens bei der dritten Zusammenkunft wie einer von ihnen verhalten sollte.



März 2011


Die Bronchitis ist diesmal leicht, aber sie dauert. Nach zwei Wochen Unwohlseins habe ich nur noch einen Wunsch: eine Woche lang völlig gesund zu sein, zu atmen, einen stundenlangen Spaziergang zu machen. Mehrere Tage tippe ich mit der Maus die Tastatur verabschiedet sich.


Ende März setzt ein Aufschwung ein, den ich für den Februar erwartet hatte, aber Spontanes und Neues ist nicht planbar. Ein neuer geistiger Kosmos schießt aus den Ruinen des alten Systems, das Ende 2008 und 2009 zwei Krisen überstand, aber 2010 sich endlich erschöpfte. War das Neue des Alten der Idealismus, so war die alltägliche Basis ein radikaler, tranzendenzloser, nicht nur Menschen verachtender Nihilismus. Die Speerspitze wird nun von einer übervernünftigen, unfassbaren Leerheit gebildet, und im Alltag grassiert der in den Positivismus umgeschlagene Idealismus, also wiederum ein Nihilismus, jedoch einer gänzlich ohne Leidensdruck, ein sorgloser Nihilismus in den Grenzen der Vernunft: der Bezug zur Transzendenz ist wiederhergestellt, und so nur das Endliche negiert.


Das Endliche ist nichtig das ist die nihilistische Konsequenz des Idealismus. Führt dies zur Vernachlässigung des Endlichen, zur Verachtung des Materiellen, zur Askese? Nicht, wenn der Idealismus verstanden, durchdacht und verinnerlicht wurde. Ich weiß, dass dieser Sonnenuntergang vergänglich ist, aber genieße ihn trotzdem. Ich weiß, dass die Marzipanschokolade und der Whisky nur schmecken, weil ich Geschmacksrezeptoren habe, aber es schmeckt gut. Es ist kein Geheimnis, dass das alltägliche Leben der endlichen Geschöpfe völlig bedeutungslos ist, aber das nimmt mir weder mein Wohlwollen noch mein moralisches Verhalten ihnen gegenüber, denn ich bin die Realität, in mir ist das Endliche mit dem Absoluten vereint.



April 2011


Ich habe mehr als 4 Jahre nicht mehr Fussball gespielt, von nun an spiele ich regelmäßig. Kleines Feld, Mann gegen Mann, immer am Ball oder am Gegner. Mein privater Fussballlehrer lehrt mich, was mir nie gelang, und peinlich wirkte, wenn ich es in der Vergangenheit versuchte: Ballbeherrschung. Endlich weiß ich was mit dem Ball anzufangen. Was früher Zauberei war z.B. durch die Beine des Gegners schießen – wird Routine. Geil.


Mitte April ein kleiner Anflug von Romantik, ausgelöst durch ein kükenhaftes Foto. Wie die letzten 50 Monate vergeht auch dieser viel zu schnell, man kann sich nirgendwo festhalten.




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