Lew Gumiljow: Die alte Rus und die Große Steppe

Historisches Drama zum Thema Ferne

von  Terminator

Was mir schon beim Hören des Audiobuchs im Jahr 2011 auffiel, war, wie wenig sich der russische Historiker mit der Geschichte Russlands selbst beschäftigt: ihn interessieren mal die Chasaren, mal die Wolgabulgaren, mal die Mongolen. Die Nomandenvölker haben in der Tat die, zumindest politische, Geschichte Russlands geprägt. Russlands Herrscherklasse versteht sich bis heute in nomadischer Tradition als despotischer Beherrscher des sesshaften Volkes, nur wollen diese Möchtegern-Mongolen nicht karg und diszipliniert leben (wenn sie es dennoch tun, regieren sie Russland, bei aller Tyrannei, durchaus erfolgreich, siehe Stalin), sondern wie die dekadente westeuropäische Oberschicht.


Die Krim, sagte Putin 2014, wird immer russisch, ukrainisch, und krimtatarisch sein. Nun, und Kiewer Rus wird immer schwedisch, ugrisch, russisch, ukrainisch und weißrussisch sein: das heutige Russland, Moskowien, Ausgeburt des 13. Jahrhunderts, und unter dem "Mongolenjoch" entstanden, hat kein Vorrecht auf dieses historische Erbe. Kleinrussland, die heutige Zentral- und Ostukraine, ist wie Kleingriechenland: das ursprüngliche Kernland. Großrussland ist aber wie Magna Graecia: erobertes Außengebiet. Wenn Kiew Athen ist, ist Moskau Syrakus. Und da kein regierender Hobbyhistoriker, weiß Gumiljow das alles, und deshalb kommt Russland in seiner Geschichte Russlands auch nur am Rande vor.


Aber die Geschichte Chasariens ist spannend erzählt, und natürlich immer mit der ihm eigentümlichen Theorie der Ethnogenese verknüpft. Dann kommt es noch besser: die Geschichte Dschingis Khans. Und als die Mongolen die russischen Fürstentümer erobern, bekommt der russische Leser ein schlechtes Gewissen, weil er sich heimlich auf deren Seite stehend ertappt.


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