1.2010 – 5.2010

Historisches Drama zum Thema Midlife Crisis

von  Terminator

Januar 2010


So um den Zehnten eine Kuriosität: Winter in Deutschland, weit jenseits des Kalendarischen. Ich schieße Fotos im Glauben, der ganze prächtige Schnee würde in höchstens einer Woche verschwinden. Falsch gedacht: Schnee liegt noch den ganzen Februar und auf manch Berliner Seen kann man wie in Kindertagen Eisbrecher spielen.

Ich entdecke "La Piovra" wieder. Schade, dass es nie zuvor oder danach etwas Vergleichbares gab. Da stimmte nicht nur die Mischung, da stimmte alles. Aus dem Korridor sind erstmals skurrile Gesänge zu hören, jemand übt womöglich in seiner Wohnung ein äquatorialguineìsches Lied. Malt des Monats: der 16-jährige Lagavulin.



Februar 2010


Eiswindspaziergang durch hannoveraner Schneemondlandschaften. Am Hackeschen Markt friert der Fluss zu, es gibt vereinzelt Seelenkältetote. Ein ungegendertes Buch weckt meine Neugier: Hoffmanns Männerbeben. Dieselbe Neugier weckt der ähnlichnamige Polizist ist er raus oder kommt er bei Saw 7 ganz groß raus? Das Kinojahr 2010 sieht nach einer Katastrophe aus.

Der Februar eine Mischung aus lang und weilig. Freude am Denken, keine am Fahren oder am Spaziergang. Toast-Sandwich mit Chesterella und figuridealen Wurstscheiben Tag ein, Tag aus. Tee, viel Tee. Malt des Monats: der neue Smokehead.



März 2010


Gegen ein zum Treiben getriebenes Unwesen in einem Literaturforum regt sich couragierter Widerstand. Das Unwesen gewöhnt sich an, Texte mit kritischen Kommentaren zu löschen und neu zu veröffentlichen.

Um den 24-sten bricht ein richtiger Sommer los. Lange Spaziergänge. Köpenick. Angesichts der Raumverschwendung durch einen theoretisch angenommenen Staubsauger reicht mir eine solide Bürste. Der Teppich für 20 Euro freut sich wie 40.

Die alten Glenmorangies werden entdeckt. Sandig-honiglich verwöhnt den Gaumen irgendwo zwischen Schöneberg und Wilmersdorf der Sherry Wood Finish. Als Ganzes ist Berlin zu groß, um als schön bezeichnet zu werden, doch mancherorts, mancherstadtteils trifft diese Bezeichnung zu. Malt des Monats: Glenmorangie Signet.



April 2010


Ich erinnere mich ganz dunkel. Peak life war angesagt: das ist wie peak oil, nur mit dem Leben. Peak oil markiert den Zeitpunkt, an dem die Hälfte allen verfügbaren Öls bereits gefördert wurde. Peak life kann man sich denken. 27 ist nicht die Hälfte von 54. Das Leben ist, wie Fussball, keine Mathematik. Sollte ich 100 Jahre alt werden, die Halbzeit meines Lebens war im April 2010. Nach 2002 nehme ich keine Fussballergebnisse mehr ernst. Der Ball rollt geistlos um die Punkte, und die siegreiche Milderung der Niederlage von 0:3 auf 2:3 der Bayern in Manchester bleibt Statistik.

Im April fangen die Sommersemester an. Zeitverschwenderischer könnte es nicht sein. Da, wo ich hingehe, semi-narrt man sich von Anfang September bis Mitte Dezember, dann von Anfang Februar bis Mitte Mai. Sommer bleibt Sommer. Im April war die Hitze noch auszuhalten. 2007, das war heiß. Eine Woche in Berlin, eine Woche Hochsommer. Erinnert sich wer? 32 Grad im April. Ende April ist eine kritische Zeit. Da, wo ich hingehe, endet das Schuljahr zwischen dem 24. und dem 28. April, eine Woche vorher ist der Abschlussball. Was war hierzuerden? Die verschwendetste Zeit in der Schule überhaupt – die Zeit der Stundenausfälle und der sinnlosen Spiele im Unterricht zwischen den Frühlings- und den Sommerferien. 2010 war es diesbezüglich besser, wie schon seit 4 Jahren. Uni ist besser als Schule, weil schlechter nicht mehr geht. Der negative Ton ist der Stimmung geschuldet – ich war traurig Ende April 2010, sehr traurig. Malt des Monats: Glen Grant 1972 (37 Jahre, Gordon & MacPhail).



Mai 2010


Herrlich, das Hundewetter. Regen, kalt, ein Wetter zum Teetrinken. Eine Zeit der Lebensfreude und der transzendentalen Eschatologie. Wunderbar, nein, wunderbärstens, alter Grieche, ging es gut, nein, bestens: ich schrieb und las dies und das, lebte und bebte, flutete und ebbte. Die wichtigsten Bücher des Jahres, beides dicke Wälzer, im Mai angebrochen. Auch Männer können sich emanzipieren, z.b. von Hegels absolutem Idealismus. Wem es allerdings zu leicht fällt, der hat ihn schlichtweg nicht verstanden. Verstanden hat aber spätestens im Mai 2010 jeder, dass der beste Meister ein Meister ist, der zwar der Beste ist, aber einen Schüler heranzieht, der noch besser ist. Zweimal Milito. Noch am selben Abend verkündet Champions-League-Sieger Mourinho, dass er den Verein verlässt. Zur Siegesfeier erscheint er nicht. Wie in einem der unzähligen Filme, deren Drehbücher sich in meinem Kopf von 1994 bis 1998 stapelweise ansammelten.

Bald WM. Sarah Connor Chronicles. Nett gemacht: nicht zu lang, mit viel Respekt gegenüber dem Original keine Selbstverspottung wie Terminator 3, kein ideenloses charakterfreies Gemetzel wie Terminator 4. Nur das Ende verwirrend. Malt des Monats: der 18-jährige Bowmore.



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Kommentare zu diesem Text


 Thal (12.04.22, 08:14)
Ah ja herrlich der ganze Schnee zu der Zeit, kann ich mich auch noch dran erinnern, hängen meine schönsten Erinnerungen an dieser Zeit. Auch die WM später, halb verpasst, sowie alle Kinofilme und Serien zu der Zeit. McGyver höchstens mal gekuckt zu zweit und ansonsten kaum Zeit, weil immer was zu tun.
Sarah Connor Chronicles hab ich mir erst viel später angekuckt, Jahre danach, als ich Freundin und Job und die eigene Familie so gut, wie los war. Hat mir echt gut gefallen die Serie.

 Terminator meinte dazu am 13.04.22 um 03:09:
Ich fand John etwas out of character, aber meine Erwartungen nach T2 waren auch unerfüllbar. Als ich 1998-2001 Christ war, konnte ich mich nie dazu durchringen, Jesus zu lieben. Ich habe mir wohl unbewusst immer stattdessen John Connor vorgestellt, um nicht der Sünde des Unglaubens zu verfallen.
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