Töten kann man lernen (Romanauszug Asperger)

Cut-Up zum Thema Annäherung

von  alter79

Blicke aus dem Fenster. Sehe Bäume, die es nicht gibt. Sehe mich. Die Finger blutig. Die Stirn mit Beule. Schweiß in Tropfen. In Pfützen. Die machen meine Klamotten nass. Und, dass ich damals das Auto kaputt gefahren habe, wird mir bewusst im Lauf von Wand zu Wand. In Schmerz. Der Amputation von Seele. Am Kreuz - Ich. Diese Prothese, alles hinter sich lassen zu müssen. Zu flüchten. Wie ein Krimineller. Aus Scham. Denn getrunken hatte ich. Und das ich keinen Rat hatte, außer dem, in die Legion zu fliehen. Damals ...
Ruhig atmen, sagte ich mir bei der Rekrutierung in Collmar. Damit die Söldner nicht merken, wie alt ich bin. Und wehrte mich gegen deren Fragen. Wehre mich gegen jedes Wort, das im Entferntesten eine Deutung meiner Herkunft zulässt. War wie auf der Anklagebank. Mir zittern noch jetzt die Hände; wenn die könnten. Du kommst ins Heim, höre ich Mutter, wie ich dann in Collmar auf der Pritsche liege. Zu den schwer erziehbaren ... Ängstigt sie mich. Nachdem die Kripo wegen gestohlener Zigaretten eine Hausdurchsuchung machte. Was sollen nur die Leute sagen. Junge! Mein Sohn, ein Dieb.


Irgendwie ist in mir Durchzug. Es zerreißt mich. Wollte ich doch immer alles besonders gut machen. Will ich immer. Doch nichts gelingt. Nie gelingt was. Das mit den Zigaretten tat ich für einen Freund. Ich rauchte nicht. Rauche jetzt.
Wir werden Sie nennen, wie Sie wollen. Versprachen die. Und Ihnen darauf auch Papiere ausstellen. Einen Pass, nach fünf Jahren Dienst. Nach zehn Jahren können sie Franzose werden. Fein, das passt. Denn mit etwas gutem Willen ist alles im Leben nichts weiter als Lüge. Auch Liebe und Tod. Namen. Ehre. Seele. Lügen. Freiheit. Glaube mir! Nichts. Kein Wort glaube ich ...
Das Telefon. Laut. Schrill. - Aufdringlich. Hallo! - Telefon! Und ich dicht daneben. Am Tresen. An dem einer in dunkelblauem Anzug auf den Ellenbogen gestützt lümmelt, Aktentasche zwischen die Knie geklemmt und brüllt er will die Rechnung wegen nicht erbrachter Leistung kürzen. Hat das Zimmer zehn (10). Wie ich höre. Wohnt also neben der Frau von Franz. Der Leiche.
Was für ein infernalischer Krach, schaukelt der Typ sich rasch in höchste Sphären. Nimmt die Ellenbogen vom Tresen, um mit den Armen heftig in der Luft zu fuchteln. Schlimmer als im allerschlimmsten Puff! Erst der lärmende Fernseher. Dann bumsen ohne Ende. Anschließend eine wie irre kreischende Motorsäge ... Kein Auge habe ich zugetan. - Sie da! Was halten Sie davon? Fragt er mich. Du solltest dich beim Angeln entspannen, rate ich ihm. Um die Ecke gibt es Zander - groß wie n weißer Hai. Der Typ glotzt mich an. Und einen Augenblick befürchte ich, er springt mir an die Gurgel. Oder Hals. Sehe sein (darüber) zerrissenes Wesen am in Nanosekunden hüpfenden Adamsapfel; zieht dann aber ein altmodisches Handy, blafft thats fucking crazy, man. Und grinst. So kann man sich irren. Denke ich. Django. Retter der Kokosnuss.

Wollen Sie nicht doch lieber vorher noch mal einen Blick in unsere Bildergalerie werfen? Fragt die Wirtin nun schon zum dritten Mal. Und ich sehe, wie ihre Fingerknöchel am Telefonhörer weiß werden. Die Lippen trocken laufen. In Wunderland eintauchen.
...
Nein, online!
...
Wie, - Wäsche im Hotelwaschbecken waschen?
...
Ja, wie zuhause fühlen ... Bin ich auch der Meinung ...
...
Ach, Sie bereiten sich darin auch das Mittagessen?
...
Aus Büchsen.
...
Für länger?
...
Unterschiedliche Kulturen?
...
Einladung? - Ich glaube, Sie sind bei uns verkehrt. Auf Wiederhören!

War Hollywood, klappern mir ihre künstlichen Wimpern zu.
Klar. - Glaube ich! Während in meinem Hirn Gelatine schwappt. Elektronische Musik ertönt. Sich mir Fanartikel in Schwarz-Rot-Gold auf die Augen legen. Armbänder. Schals. Haarspangen. Brotdosen. Einer als Gartenzwerg mit Stockfahne an der Mütze über den Tresen spaziert, der Deutschland ist. Und ... alles muss raus, alles zum halben Preis jetzt ... räsoniert.
Trinken Sie einen mit? Fragt mich der aus der Zehn (10) unvermittelt. Das museumsreife Handy noch in der Hand.
Woher kam denn der nächtliche Krach? Will ich wissen.
Aus der Neun ()!
Tatsache?
Ja! - Was ist nun, trinken Sie einen mit?
OK, Andy.



Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram