hier im dorf schwirrt abends ein ungeheuer

Prosagedicht

von  Redux

hier im dorf schwirrt abends ein ungeheuer

um die fenster und töpfe

und die köpfe

in die gehirne

seit generationen konserviert

algen und moos legen sich mit schützenfest

und blasmusik

in die wochenenden und sonnenuntergangspläusche

das feuerwehrauto  brettert

probeweise mit allen bekannten

dorfmännern alt und jung und jung und alt

das ist die münsterländische gedankenpolizei

sonntags vorm kirchenportal mit der stechuhr

wehe das kinn ist nicht rasiert

und der rasen voll löwenzahn

und die gesinnung illegitim

die farben sind tradition und heimat und mottenkugelig

das herz nur ein organ

ein gedicht von goethe

sonst noch wer?

mit dem lässt sich kein euro verdienen

und kein trecker reparieren

schönheit vergeht und hektar besteht

das ist die ballade des ewig wackeren

sparsam und krämerig und lieblich das weib

fruchtbar

manchmal nach dem fest der kirmes

dem kegelausflug

eine holde fremde

im bett

zum wegwerfen

wir halten dicht

und brettern weiter mit dem feuerwehrauto

bis zum neptun


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Kommentare zu diesem Text


 Aron Manfeld (13.07.23, 20:07)
Hand aufs Herz, mein lieber Herbert - im Grunde sehnen wir uns in diese Welt zurück ...

 Redux meinte dazu am 13.07.23 um 20:14:
Teile davon, ja, aber nicht in der Gänze.

 niemand (13.07.23, 20:23)
@ Redux
Ich lese in diesem Gedicht die Beschreibung einer konservativen Dorfwelt,
deren Sitten und Gebräuche, wenn man das so nennen dürfte, ziemlich
versteinert zu sein scheinen. Vordergründig betrachtet könnte man auf die Idee einer sich nicht verändernden heilen Welt kommen und ganz sicher gäbe es das eine, oder andere Fleckchen/Teilchen, das nostalgisch positiv stimmen könnte,
jedoch atmet diese Welt auch einen ziemlichen Mief aus, doch je nach Veranlagung des Lesers könnte ein solcher durchaus mit dem "Duft von Heimat" bezeichnet werden. Mir kommt es eher vor, dass man nach Luft schnappen täte um vielleicht schnell die Kurve zu kratzen ;) 
Ich finde es aber gut, ja wirklich gut geschrieben, dass es sich in der Tat zu lesen lohnt.
LG niemand

Kommentar geändert am 13.07.2023 um 20:24 Uhr

 Redux antwortete darauf am 14.07.23 um 10:49:
Hallo Niemand, deinem Kommentar ist fast nichts hinzuzufügen.
Es klingt platt, wenn ich schreibe, dass die Medaille zwei Seiten hat und ich in diesem Fall nur diese eine Seite beschrieben habe.
Aber genau diese Muffigkeit, Beschränktheit, diese Doppelmoral sollte hier beschrieben werden, wohl wissend, wieviele gute und schöne Dinge die Provinz im Vergleich zur Kälte und Anonymität der Stadt bietet.
Dankeschön.

 AchterZwerg (14.07.23, 07:32)
Diese Verhaltensweisen halten sich zäh. In Kleingärten, in Vereinen, in Vorstädten ...
Es lässt sich (auch) an der Sprache ausmachen. In meinem Sportverein wird beispielsweise bis dato von verpflichtenden "Arbeitseinsätzen" gesprochen.
Tja.

Liebe Grüße
der8.

 Redux schrieb daraufhin am 14.07.23 um 10:52:
Ja, liebe achte, so ist das hier wie dort auf dem Land.
Und als Dorfkind ist es schwierig, aber machbar, den Spagat zwischen Mitschwimmen und Gegenschwimmen zu vollziehen.
Dankeschön

 mannemvorne (16.07.23, 13:04)
.
Moin Redux,
als „Zugezogener“ bzw. „Noigeblaggter“ haste 
kaum ne Schangse bei den Alteingesessenen,
so man denn Wert drauf legte.
„richtige“ Dörfer gibt es kaum noch.
Bauerwartungsland und Schnee v. gestern

Gern genesen!
mv


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