Erschafft den organlosen Körper (Ein schizoanalytischer Apell)

Skizze zum Thema Schizophrenie

von  SoilentPink87

Du wirst organisiert, du wirst zum Organismus, du mußt deinen Körper gliedern - sonst bist du nur entartet. Ich habe kein Herz und keine Lunge, keinen Anus und keine Zunge. Ein Ereignis drängt durch diese Verwaltung. Wissen formt das Organ. Linien zerschneiden fließende Intensitäten. Das Ei ist durchzogen von Achsen und Schwellen, von Längen- und Breitengraden, die die Übergänge und Bestimmungen desjenigen kennzeichnen, das sich hier entwickelt. Etwas, das immer erst noch geschaffen werden muss, zugleich schon da ist und dennoch nie erreicht werden kann. Den OrganlosenKörper erreicht man nie, man kann ihn nicht erreichen, man hat ihn immer angestrebt, er ist die Grenze. Man sagt: Was ist der Organlose Körper?  – aber man ist bereits auf ihm. Auf ihm schlafen wir, auf ihm wachen wir auf. Wir dringen in ihn ein und werden von ihm durchdrungen. Als Immanenzfläche hingegen ist der organlose Körper in gewisser Weise schon immer gegeben, da der Körper niemals deiner oder meiner ist… Er ist immer ein Körper. Praktiken, die die Form des Organismus aufbrechen, um die Intensitäten erneut zirkulieren zu lassen. Der organlose Körper  ist das, was übrigbleibt, wenn man alles entfernt hat. Und was man entfernt, ist eben das Phantasma . Die Psychoanalyse macht das Gegenteil: sie übersetzt alles in Phantasmen. Findet euren organlosen Körper, findet heraus, wie man ihn macht. Ich werde den Menschen der ich bin wieder herstellen. Tier-Werden, Schwarz-Werden, Frau-Werden, Molekular-Werden d.h. flexibel, beweglich, flüssig und unbestimmbar-werden, Partikel-Werden, Cyborg werden. Mensch-weiß-westlich-männlich-erwachsen-vernünftig-heterosexuell-Stadtbewohner-Sprecher einer Standardsprache sagt: Ich ziehe eine Linie durch deinen Körper. Ich sage unser Körper, wird von unserer Organisation befreit. Dein Anus wird an deinen Anus angeschlossen. Es wird kein Anfang und kein Ende mehr behauptet. Es wird nichts mehr behauptet. Wir teilen unsere Flüssigkeiten nicht mehr. Alle Arten des Werdens sind schon molekular [flexibel, flüssig, beweglich, unbestimmt]. Weil Werden nicht bedeutet, etwas oder jemanden zu imitieren oder sich mit ihm zu identifizieren. Werden heißt, ausgehend von Formen, die man hat, vom Subjekt, das man ist, von Organen, die man besitzt, oder von Funktionen, die man erfüllt, Partikel herauszulösen, zwischen denen man Beziehungen von Bewegung und Ruhe, Schnelligkeit und Langsamkeit herstellt, die dem, was man wird und wodurch man wird, am nächsten sind. In diesem Sinne ist das Werden der Prozeß des Begehrens. Der organlose Körper als Praktik des Werdens ist das Begehren: Er ist, was man begehrt und wodurch man begehrt. Ihr könnt nicht begehren, ohne einen organlosen Körper zu schaffen. Denn der organlose Körper ist das Immanenzfeld oder die Konsistenzebene des Begehrens, die Ebene „wo das Begehren als Produktionsprozeß definiert wird, ohne Bezug auf irgendeine äußere Instanz, einen Mangel.“ Als Konsistenzebene des Begehrens ist der organlose Körper mit der Wunschproduktion verbunden. Wunschmaschinen. Sobald er gesellschaftlich besetzt und damit als Organismus festgeschrieben wird, zwängt er auch die Wunschproduktion in eine feste Ordnung. Dann wird der organlose Körper zum Gesellschaftskörper, dessen Aufgabe es ist die Wunschströme zu codieren, dafür zu sorgen, daß kein Strom fließt, der nicht gestempelt, kanalisiert, reguliert ist.
Der organlose Körper kann in ganz verschiedenen Gesellschaftsformationen geschehen, und durch ganz unterschiedliche Gefüge, durch perverse, künstlerische, wissenschaftliche, mystische oder politische Gefüge, wo jeder nimmt und macht, was er kann, ganz nach seinen Vorlieben, die er erfolgreich von einem Ich abstrahiert hat.
Der organlose Körper ist in diesem Sinne eine interessante Figur in der Auseinandersetzung mit queer-feministischen Begehren, die es weiter auszuarbeiten gilt. Indem der organlose Körper die Identität und Organisation von Körpern und Organen auflöst, macht er auch eine bestimmte Vorstellung von genau zwei Geschlechtern als biologischer Tatsache unmöglich.
Das Frau-Werden, als eine der wichtigsten Bewegungen des Minoritär-Werdens, ist nicht auf ein vermeintlich biologisches Geschlecht beschränkt, es geht in dieser Bewegung vielmehr um ein Unterwandern und Stören der herrschenden Geschlechterordnung als politische Strategie, die sowohl von ‚männlich‘ als auch ‚weiblich‘ sozialisierten Subjekten angeeignet werden kann. Mit der Herstellung molekularer (unbestimmten, beweglichen) Frauen ist keine ‚Imitation‘ einer molaren (rigiden, festgeschriebenen) ‚Frau‘, die dem ‚Mann‘ als Norm entgegengesetzt und abgewertet wird, gemeint, wie sie sich in der Praktik der Travestie oder des cross-dressing, als Überzeichnung geschlechtlicher Rollenzuschreibungen, ausdrückt. Vielmehr bedeutet die Herstellung einer molekularen Frau das sich Entziehen der Geschlechteropposition ‚Mann‘-‚Frau‘: „Jedem seine Geschlechter!“ . Damit erscheint es auch nicht mehr möglich sich auf Repräsentationen eines starren und vermeintlich universellen ‚Frauen-Wir‘ berufen zu können, das Frauen als eine einheitliche Essenz subsummiert. In diesem Sinne ist die Praktik des organlosen Körpers untrennbar mit dem Frau-Werden und der Produktion der molekularen Frau verbunden. Partikel aussenden, die in ein Verhältnis von Bewegung oder Ruhe eingehen das heißt, eine molekulare Frau in uns zu produzieren, die molekulare Frau erschaffen.
Molekular-Werden, Tier-Werden, Frau-Werden…!



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