Feindschaftspflege

Essay zum Thema Krieg/Krieger

von  Hoehlenkind

Woher kommt aber die Fremdenfeindlichkeit, die der Symbiose bei der Gastfreundschaft so völlig widerspricht? Und warum gibt es immer wieder Kriege, obwohl sie zu schlimmen Verlusten auf beiden Seiten führen?

Feindschaft muss also irgendeinen Nutzen für die Erhaltung des Systems haben, sonst wäre sie bei dem vielen Schaden, den sie anrichtet, schon längst überwunden. Hier muss man eben unterscheiden zwischen dem Nutzen und Schaden für die Menschen und dem für das System.

Feindschaft gibt es auf allen Ebenen, von den persönlichen Feindschaften von Mensch zu Mensch, und zwischen Gruppen bis hin zu Nationen und Machtblöcken. Und sie wird nicht nur geduldet und ertragen, sondern oft aktiv erhalten und gefördert. Solche Aktivitäten und solches Verhalten nenne ich Feindschaftspflege analog zur Freundschaftspflege.

Charakteristisch für die Feindschaft und die Eskalation von Konflikten ist die einseitige Betrachtung, das Nicht-wahr- haben-Wollen des Anteils der eigenen Seite am Konflikt. Wer nicht Partei ergreift, kann erkennen, dass Konflikte durch symmetrische Wechselwirkungen eskalieren. Abneigung fördert Abneigung beim Gegner, Hass der einen Seite füttert den Hass auf der anderen Seite.

Doch beim einseitigen Denken ist es immer nur der Gegner, dessen Handlungen aggressiv und bedrohlich sind, das eigene Verhalten wird als bloße unvermeidliche Reaktion gesehen, für die man nicht verantwortlich ist. Kritische Aufmerksamkeit ist nur noch auf den Feind gerichtet. Als ob der Dreck des Feindes die eigene Weste porentief rein waschen würde.

Dieser Reinigungseffekt gilt sowohl auf kollektiver als auch auf individueller Ebene, in der Psychologie wird es Projekt- ion genannt. Eigenschaften und Verhalten, das man an sich selbst nicht wahrnehmen will, wird dem Gegner unterstellt. Es steckt also eine Flucht vor Verantwortung dahinter, auch die gefühlte Nähe von Verantwortung zu Schuld spielt dabei eine Rolle. Der Sündenbock, dem alle Schuld und Sünde aufgeladen wird, um ihn damit in die Wüste zu schicken, hat großen Nutzen für die psychische Entlastung. Manchen gilt er deshalb als das nützlichste Tier für die Menschheit. Das einseitige Denken als stark vereinfachtes Denken bietet auch eine geistige Entlastung, die Zweifel minimiert.

Eine Feindschaft zwischen Nationen bzw Staaten hat Vorteile für die Herrschaften beider Seiten, während der Schaden meist die Beherrschten trifft, auch Kanonenfutter genannt. Je mehr eine Regierung nach Erwerb und Erhaltung von Macht giert, umso mehr wird sie eine Politik der Feindschaftspflege betreiben. Also alles tun, damit Feindschaft entsteht, falls noch keine Vorhanden ist, oder eine bestehende erhalten und verstärkt wird.

Das ist besonders oft der Fall, wenn eine Opposition gegen die Machthaber stärker wird. Nicht wenige kriegerische Auseinandersetzungen haben sich daraus ergeben, dass Feindschaft nach Außen die Herrschaft im Inneren sichert. Kritik an den Herrschenden kann dann zur Feindpropaganda erklärt werden bis hin zum Landesverrat.

Die Feindschaft führt zu einer Polarisierung: Eine Sicht- weise, die beide Seiten berücksichtigt und Deeskalation oder gar Frieden anstrebt, wird nicht mehr geduldet und der Feindseite zugerechnet. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Das Ergebnis ist eine mehrheitliche Einseitigkeit im Denken und der veröffentlichten Meinung.

Doch alle Macht der Herrschenden würde nicht ausreichen, um einen Krieg zu führen oder einen Konflikt eskalieren zu lassen, wenn da nicht die Bereitschaft oder sogar die Begeisterung von vielen Einzelnen wäre, dabei mitzuwirken. Also muss die Feindschaft auch für sie und ihren seelischen Zustand einen Nutzen bereit halten.

Eine zentrale Rolle dabei spielt die Identifikation. Im Falle von Kriegen mit der Nation oder dem Staat. Es gibt gibt aber auch Feindschaften zwischen anderen Gruppen, die auf demselben psychischen Mechanismus der Identifikation beruhen. Gruppe kann das Geschlecht sein, die Religion, die Hautfarbe, (Sub-)Kultur, und vieles andere mehr. Wichtig dabei ist nur die Abgrenzung von anderen Gruppen.

Die Identifikation ist auf den Narzissmus zurück zu führen. Wenn der eigene Erfolg nicht ausreicht, um das fehlende Selbstwertgefühl zu auszugleichen, wird Ersatz in der Zugehörigkeit zu einer Gruppe gesucht. Erich Fromm, der dafür den Begriff Gruppennarzissmus geprägt hat, sagt dazu: „Wenn man das armseligste, ärmste und am wenigsten respektierte Mitglied einer Gruppe ist, wird man für seinen elenden Zustand durch das Gefühl entschädigt: „Ich bin ein Teil der wundervollsten Gruppe der Welt. Ich, der ich in Wirklichkeit ein armseliger Wurm bin, werde zum Riesen dadurch, dass ich zu dieser Gruppe gehöre.“

Was die Feindschaft zwischen Gruppen viel gefährlicher macht als individuelle Feindschaften, ist der Schein von Altruismus und Solidarität. Individueller Egoismus findet zwar in seinen Ergebnissen Erfolg und Status gesellschaft- liche Bewunderung, aber als bloße Verfolgung eigener Interessen hat er einen schlechten Ruf. Ganz anders, wenn jemand seine Taten mit Nutzen für die Gemeinschaft begründen kann. Gesellschaftliche Anerkennung und ein gutes Gewissen sind ihm so gut wie sicher.

Arthur Koestler hat aus diesem sozialen Schein folgenden Schluss gezogen: „Die Tragödie des Menschen liegt nicht in einem Übermaß an Aggression, sondern in einem Übermaß an Hingabebereitschaft.“ Nun muss man nicht gleich das Bad mit dem Kinde ausschütten: Nicht jede Hingabe führt zu Kriegen und Massakern, sondern nur die Hingabe durch Identifikation mit einer ausgrenzenden Gruppe.

Das ‚Wir‘ und die Gemeinschaft ist weder immer gut noch immer schlecht. Es muss aber deutlich unterschieden werden zwischen einem offenen‚Wir‘, das niemanden ausschließt, und dem identitären ‚Wir‘ einer geschlossenen Gesellschaft, das zu Feindschaften führt. Letzteres ist oft schlimmer als ein massenhaftes ‚Ich‘.Eine solche Unterscheidung wird leider viel zu selten gemacht. Und es ist die Haltung gegenüber Fremden, die den Unterschied ausmacht.



Anmerkung von Hoehlenkind:

Ein Kapitel aus meinem ersten Buch.

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Kommentare zu diesem Text

Agnete (66)
(13.09.23, 12:55)
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 AngelWings meinte dazu am 13.09.23 um 21:59:
Stimmt nicht ganz, bei Tieren können gar Freundschaft entstehen. 

Katze lieb zu Maus ist! 

Passiert auch beim Menschen. Feind zu Freund wird! Mobbing, plötzlich merkt, was angestellt hat! 

Zum nach denken!

Krieg hat was mit machte zutun! Beispiel Ukraine, Russland will das Lande zurück, Ukraine möchte sich selbst gehören, und das möchte Russland nicht. Das sich mit China verbindet, können große verfolgen haben, möchte China Bevölkerung das, jetzt kommst, wie lang noch wird China Menschen Regierung stand halten, nämlich dort ist anderes dort bilden sich nämlich schon Gänge.

Antwort geändert am 13.09.2023 um 22:12 Uhr

 Hoehlenkind antwortete darauf am 14.09.23 um 13:08:
Es freut mich, liebe Agnete, dass du dich so intensiv mit meinem Text auseinandersetzt. Leider fühle ich mich mehrfach missverstanden.

Sich-nicht-riechen-Können ist Abneigung, aber noch keine Feindschaft. Nicht nur du und ich bevorzugen das Aus-dem-Weg-Gehen, sondern wohl die meisten. Aber manche brauchen wohl eine Feindschaft, um ihr gestörtes seelisches Gleichgewicht wieder ins Lot zu bringen. Und darum geht es mir in dem Text: Wofür wird Feindschaft gebraucht? Mit Affen oder unserer Biologie hat das nichts zu tun, es ist ein kulturelles, also ein Softwareproblem, kein Problem der Hardware.

Und wo habe ich geschrieben, dass es falsch wäre, sich zu wehren? Dazu braucht es aber keine Feindschaft, sondern Widerstand. Und auf emotionaler Ebene keinen Hass, sondern Trotz. Ziel von Feindschaft und Hass ist Schaden für den Gegner, bei Widerstand und Trotz geht es um den Schutz des Eigenen.

Mit Pädagogik und Bestrafung hab ich nichts am Hut, es geht mir um Erkenntnis und Systemanalyse. Der Text hier ist auch nur ein Kapitel aus einem Buch, um Macht, Ideologie und Massenbeeinflussung geht es in anderen Kapiteln. Sei doch froh, dass ich hier nicht noch mehr reingepackt habe;-)

Die Arterhaltung ist kein Grund für Fremdenfeindlichkeit. Nicht nur, weil alle Menschen zu ein und derselben Art gehören. Es gibt sogar Sitten der Gastfreundschaft, die der genetischen Vielfalt eines Volkes dienen, (zu finden unter dem falschen Begriff "Gastprostitution").

 EkkehartMittelberg (13.09.23, 21:29)
Hallo Hoehlenkind,
ich möchte deinem klugen Text nicht widersprechen, aber er ist ergänzungsbedürftig.
Bei persönlichen Feindschaften spielen oft Eitelkeit und Geltungsbedürfnis eine Rolle.
Feindschaften zwischen den Nationen haben meistens ökonomische und ideologische Ursachen, wobei die Ideologie oft von der Ökonomie diktiert wird.

LG
Ekki

 AngelWings schrieb daraufhin am 13.09.23 um 21:54:
Er meine Neid! 
Eitelkeiten, sind so Sache! 

Neid, Übergriffe!

 AngelWings (13.09.23, 21:48)
Und das ist ja, diese Problem! Du willst dazu gehören, in der großen Gruppe! Da muss sich die Gruppe sich erst ändern! Sonst Verlauf du genauso, ein Gefährten zu werden! 

Zu bist du gefang, mit gehangen! 

Deswegen, vermeint ich Gruppen die keine Respekt kennen, oder Personen die ein Gruppe Angehörige sind, die gezielt auf Personen niedrigung aus üben.
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