Unten

Kurzprosa

von  BeBa

„Geh da lieber nicht rein!"
Gerade bin ich dabei, die Rolltreppe hinunter zur Metro zu nehmen.
Ich schaue mich um und da steht er hinter mir. Einer von denen, die man nicht sieht, wenn man durch die Straßen bummelt. Ich bin den ersten Tag in dieser Stadt, mir ist alles fremd, so auch die Worte, die dieser alte Mann mir gerade zugeflüstert hat. Er ist doch alt? Langes, verfilztes Haar, ungepflegter Bart, in der linken Hand ein qualmender Zigarettenstummel.
„Wie bitte?"
Unsere Blicke treffen sich und dieses Duell verliere ich.
Er kommt näher, er riecht immer mehr nach billigem Fusel. Ich bleibe auf der Stelle stehen, unterdrücke meinen Fluchtinstinkt.
Er zeigt auf die Leute und schaut ihnen hinterher, wie sie an mir vorbei auf der Rolltreppe in die Katakomben der Metro verschwinden.
„Jeden Tag stehe ich hier," sagt er und berührt mich mit seiner linken Hand an der Schulter, wie ein guter alter Freund.
„Und?", frage ich. Die Leute fahren weiter in die Tiefe.
„Du wirst es nicht glauben: Ich habe noch nie jemanden wieder hochkommen sehen!"
Er zieht an seiner Kippe und hustet danach wie meine Oma im Krankenhaus, aus dem sie nie wieder herausgekommen ist.
„Ich danke dir!", sage ich und suche ihm zuliebe auf dem Stadtplan nach der nächsten Metrostation. Dann gebe ich dem Alten ein paar Kronen. Beinahe hätte ich ihm noch auf die Schulter geklopft.

 



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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (22.10.23, 16:27)
Kennen sich nicht, duzen sich aber sofort?

 BeBa meinte dazu am 22.10.23 um 16:38:
Moin Dieter,

Ich glaube nicht, dass das in dieser Szene so ungewöhnlich ist?

LG
Beba

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 22.10.23 um 16:44:
Doch, wirkt befremdlich.
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