Notfallmedizin

Text

von  Fridolin

Am Ostersonntag diesen Jahres wollte er sich mit seiner Familie in Heidelberg treffen. Das bedeutete eine Stunde Autobahnfahrt und gut eine halbe Stunde Spaziergang durch die Stadt zu dem Lokal, wo sie essen wollten. Mit Alter 77 vielleicht ein bisschen viel Anstrengung auf einmal, jedenfalls spürte er schon beim Bestellen diese eigenartig heftige Form von Rückenschmerzen, die ihm den Schweiß auf die Stirne trieb und Übelkeit aufkommen ließ.

Das kannte er, und als Skoliosepatient ordnete er das unter Folgeschäden dieser Erkrankung ein. Ähnliche Schmerzzustände hatten ihm in den vergangenen Jahren schon mehrmals einige Tage gründlich verdorben. Es half immer nur sich flachzulegen und versuchen, eine Stellung zu finden, die das ganze erträglicher machte. Konnte er einschlafen, war der Spuk beim Aufwachen größtenteils vorbei. An dieses Rezept wollte er sich auch diesmal halten; bestellte also ein Taxi, das ihn ins Quartier seiner Tochter brachte, wo er sich flachlegen konnte.

Aber es half diesmal nicht. Wenn ihn mal ein Schlummer überkommen wollte, machte ihn immer wieder die Atemnot wach. Dass das einige Stunden dauern konnte, wusste er, aber nachdem er eine ganze Nacht lang vergebens gekämpft hatte, bat er seine Tochter am Montag, über 116117 einen Notarzt zu rufen. Einen Notarzt zu schicken wurde von der Notrufzentrale abgelehnt; man empfahl stattdessen, über die Feuerwehr einen Rettungswagen zu rufen. Nolens volens taten sie das denn auch, nur war da leider auch kein Arzt an Bord, der eine Diagnose hätte stellen können. Da er noch laufen konnte, empfahl die Besatzung des Rettungswagens, zu Fuß oder mit dem Taxi die nahegelegene Notfallambulanz des St. Josef-Krankenhauses aufzusuchen, andernfalls fielen 800 Euro und mehr Transportkosten an, und es sei ungewiss, in welcher Klinik er dann landen würde. Sein Schwiegersohn brachte ihn schließlich an den vorgeschlagenen Ort; und dort weigerte sich wohl der diensttuende Arzt ihn anzusehen, er sei schließlich kein Orthopäde, und überließ es nach der Aussage einer Krankenschwester dieser, ihm ein Schmerzmittel intravenös zu verabreichen.

Mithilfe diverser Schmerztabletten schleppte er sich durch die nächsten vier Wochen, bis ihm klar wurde, dass Rückenprobleme nicht wirklich die Ursache sein konnten und seine Hausärztin schließlich ein EKG durchführte und ihn sofort zum Kardiologen überwies. Noch lieber hätte sie ihn gleich per Rettungswagen ins Krankenhaus bringen lassen.

Die Diagnose beim Spezialisten lautete; „veritabler Herzinfarkt“, bei dem leider nichts mehr zu retten sei, es sei schon viel zu viel Zeit verstrichen.


Nach allem, was ich zwischenzeitlich über die Symptome von Herzinfarkt gelesen habe, bin ich überzeugt, dass ein Notarzt sofort zu der Verdachtsdiagnose gekommen wäre und ihm damit eine irreversible, schwerwiegende Schädigung des Herzens hätte ersparen können. Ich verstehe nicht, warum die Notrufzentrale und die Notfallambulanz eines städtischen Krankenhauses dies nicht „auf dem Schirm“ hatten. Ist dies ein Ausnahmefall oder müssen wir uns darauf einstellen, dass dies heutzutage so ist? Vor fünf Jahren war es noch so, dass über 116117 ein  Notarzt auch mal am Feiertag  ins Haus kam. 



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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (01.11.23, 18:45)
Das ist leider kein Ausnahmefall.
Unser Gesundheitssystem ist so gut wie zusammen gebrochen, fürchte ich! Ich könnte dir ebenfalls ein paar Stories zum Thema erzählen, lasse es aber bleiben - zu deprimierend.
Ich selber bin gottlob gesund und aktive Sportlerin, fürchte aber nichts mehr als die Abhängigkeit von eben diesem System, die eines Tages auch mich ereilen wird ...

Liebe Grüße
der8.
Muckelchen (70)
(01.11.23, 21:02)
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 Rosalinde meinte dazu am 02.11.23 um 04:52:
Tja, Fridolin, das sind die Ergebnisse heutiger Medizinkultur.
Aber nicht so schnell mit den jungen Pferden, Gates mit seinen Spritzen wird die Welt von jeder Krankheit retten,
hat er versprochen. Als Philantrop erster Güte, der uns allen auf den Wecker geht und die Gelder nur so einsackt, die ihm die Steuergelder der Staaten bringen.

Ich nehme an, dieser Text beschreibt ein persönliches Erlebnis, ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du
damit, auch wenn es sehr schwer fällt, irgendwie klarkommst. Weiß ich doch selbst, wie sehr schwere Krankheiten den Menschen beeinträchtigen können.
Überanstreng dich nicht, geh spazieren. Bewegung ist alles. 

Lieben Gruß, Rosalinde

 Fridolin antwortete darauf am 02.11.23 um 17:29:
@der8, Muckelchen, Rosalinde
Danke für Eure Kommentare. Ich habe diese Geschichte, die natürlich einen realen Hintergrund hat, der Krankenkasse und der KBV zur Kenntnis gegeben, mit der Bitte, dafür zu sorgen, dass sich dergleichen nicht wiederholt. Die KBV hat nicht reagiert, die KK hat es als persönliches Problem behandelt, sprich dahingehend beraten, wie man als Individuum gegen Kunstfehler vorgeht und wird das Interesse der Allgemeinheit am System der Notfallmedizin nicht aufgreifen. Wer macht es dann? Muss man an die Presse gehen?
Muckelchen (70) schrieb daraufhin am 02.11.23 um 17:58:
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 Rosalinde äußerte darauf am 02.11.23 um 18:46:
Muckelchen, das ist der Glaube an die "Qualitätsmedien", jetzt, im Zeichen der Superzensur. 

Lauterbach hat verkündet, dass er jede Kritik am Gesundheitswesen im Zusammenhang mit Spritzen unterdrücken wird. Dazu hat er sich als Sozius den Drosten an die Seite gestellt. Die beiden werden alles tun, um eine solche Leserzuschrift zu verhindern - natürlich alles zum Wohle der Patienten. Lauterbach empfindet jede Kritik an seinem Fachgebiet vermutlich als persönliche Beleidigung. Aber Versuch macht kluch, probieren kann man es ja mal.
Muckelchen (70) ergänzte dazu am 02.11.23 um 18:53:
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Taina (39) meinte dazu am 03.11.23 um 09:06:
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 Dieter_Rotmund (02.11.23, 09:18)
Guter Beginn, guter Einstieg, interessanter Protagonist - doch dann folgt nur eine anklagende, recht gewöhnliche Krankengeschichte.

 Fridolin meinte dazu am 02.11.23 um 17:08:
Ich wünsche Dir eine gute Gesundheit, auf dass Du nie auf Notfallmedizin angewiesen sein mögest. Wirst Du brauchen, wenn das für Dich eine "gewöhnliche Krankengeschichte" ist.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 02.11.23 um 19:01:
Ich entnehme deinem leicht pikiert formulierten Kommentar, dass der Text autobiographisch ist? Dann nehme ich meinen Kommentar komplett zurück, denn in diesem Fall ist konstruktive handwerkliche Kritik am Text leider vergebliche Mühe.

 Regina (04.01.24, 06:23)
Wir haben hier ein Universitätskrankenhaus in der Nähe, das im allgemeinen gute medizinische Arbeit leistet, teilweise aber überlastet ist. Insbesondere klagt die Pflege über Personalmangel und die chirurgische Abteilung bekommt viele Notfälle von der Rettungshubschraubereinflugschneise der Autobahn, einerseits wohl einträglich, andererseits aber auch enorm herausfordernd. Die Feiertagsambulanz ist immer krachend überfüllt, weil kaum eine andere Praxis in der Region geöffnet ist.

 Fridolin meinte dazu am 04.01.24 um 12:53:
Die Feiertagsambulanz ist immer krachend überfüllt
das dürfte inzwischen ein bundeseinheitliches Phänomen geworden sein. Die Privatisierung schreitet voran. Privatisierung, was für ein niedliches Wort für die Tatsache, dass das große Geld sich mehr und mehr das Gesundheitssystem unter den Nagel reißt ...
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