Zeitenwende?

Kennt ihr das? „Der Klügere gibt nach“, so hieß es meist, wenn meine Mutter genug hatte von meinem Lamentieren über meinen schon wieder so unfairen großen Bruder. Und in der Regel wirkte das bei mir, denn klüger zu sein, naja, das war schon was. Wenn ich auch nie das Gefühl los wurde, dass das ein Trick war, eine Art von Bestechung. Ausschlaggebend war aber letzten Endes wohl, dass ich ihr abnahm, dass Klugheit für sie einen ziemlich hohen Stellenwert hatte. Und nicht nur für sie.

Wenn ich mir die gegenwärtige politische Landschaft so betrachte, scheint mir, dass Klugheit offenbar keinen großen Reiz mehr hat, weder bei den Akteuren noch bei den Beobachtern, Ratgebern, Kommentatoren und natürlich auch nicht bei den Wählern. Es ginge ja darum, den ersten Schritt zu machen zu etwas anderem als immer nur Hauen und Stechen, und das ist weit und breit nicht in Sicht. Diplomatie spielt sich natürlich immer erst mal im Verborgenen ab, aber dass man so gar keine Anzeichen sieht?

Was nie funktioniert hat, war die Behauptung, der andere habe angefangen, denn da wurde man sich nie einig. Da gab es immer ein: „Aber vorher hat er doch …“. Nichts desto trotz wird sich ein echter Diplomat immer für die Vorgeschichte interessieren.

Überzeugender finde ich das Prinzip, dass der Stärkere zuerst die Hand reichen muss. Ein Zeichen von angewandter Klugheit, denn der Stärkere geht das geringere Risiko ein.

Wo sind sie, die Liebhaber der Klugheit?