GLOCKE (n)

Gedicht zum Thema Erinnerung

von  harzgebirgler



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Hoch droben, da häng´ ich im Stuhle, im Turme,

werd’ heut’ nur noch selten geläutet im Sturme,

ich ruf’ zum Gebet und ich schlage die Zeit –

der Weg von der Wiege zum Sarg ist nicht weit.



Er scheint, wenn man jung ist, schier endlos, ohn’ Grenze,

dem Burschen, der Maid, flicht das Leben gern Kränze,

der Weg, er wird kürzer im Wachstum der Jahre,

das Antlitz wirft Falten, grau werden die Haare.



Ich sehe euch kommen, ich sehe euch gehen,

im Wandel der Zeiten ist Leben ein Wehen

in rosigen Blüten, die morgen schon schwinden

und selbst um Geschlechter nur flüchtig sich winden.



Es reichet mein Ton meist den Menschen zum Segen,

die wirkungsreich schreiten auf buntesten Wegen

des irdischen Hauses, vom Himmel bedacht,

an dem scheint der Mond und die Sonne, sie lacht.



Ich wache bei Tage, bewache die Nächte,

ich sehe die Güte, ich sehe das Schlechte

im Großen und Kleinen und unter den Dächern

seh’ Freude und Leid ich in vielen Gemächern.



Die Sorgen, sie wechseln, ein Glück währt kaum lang,

all jenes begleitet mein stimmiger Klang

aus eherner Wölbe, zum Grund hin geründet,

in den euer Weg auch dereinst einmal mündet.



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"festgemauert in der erden
steht die form aus lehm gebrannt"
und die linkischen gebärden
machten vortrag fast zuschand
so in deutsch einst in der schule
schiller stand auf dem programm
schülerchen stand auf vom stuhle
und vor klassik gleichsam stramm
schön wars wenn die glocke läutet’
unterricht war endlich aus
dichterwerk nett ausgedeutet
und beglockt ging man nach haus
 
folgte nicht errötend spuren
einer liebe wunderbar
weil das bei uns jungsnaturen
damals ziemlich uncool war
prüfte noch nicht welche bande
ewig halten welche nicht
viel verlief ja eh im sande
vieles war kaum von gewicht
später wußt man wohl zu scheiden
trennte weizen schon von spreu
mochte manche menschen leiden
und blieb manchen lange treu...
 
glocken jedenfalls die läuten
da wo mensch sich christlich nennt
bräutigams und ihren bräuten
wenn nur noch der tod sie trennt
ideell - doch scheidungsraten
zeigen trauung mehr als mär:
bund scheint öfter zu mißraten
lieb und treue bleiben schwer
trägt man diese dann zu grabe
läuten glocken nirgendwo
eher krächzt dazu ein rabe
irgendwie leicht schadenfroh...



*

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Die Glocke der Lutine auf ihrem

Podest in Lloyd’s Underwriting Room


bei lloyd’s in london war oft was am läuten
das läutet hin und wieder heute noch
was soll bloß - fragt ihr euch - der schmarrn bedeuten
und unmut kocht vielleicht ein wenig hoch

doch ist dort eine schiffsglocke zu finden
bei lloyd’s in london schon seit langer zeit
ich würde euch ja keinen bär’n aufbinden:
bei tod im königshaus läutet sie heut’

einst war das läuten, sank ein schiff, routine -
das schiff von dem die glocke ja das sank
einst auch es war das segelschiff "lutine"

des ganze mannschaft, bis auf ein’, ertrank -
geborgen hat vom grund man später dinge
die glocke nicht zuletzt daß sie erklinge...


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*


MERKWÜRDIGER ZUFALL : die glocke SCHILLERs in der literatur & die glocke der LUTINE in lloyd’s londoner underwriting room


eins ist an letztrer schiffsglocke schon einzig:
das schiff versank auf dem sie einst erklang
im jahre siebzehnhundertneunundneunzig
und da erschien auch schillers glockensang -
man wird das zwar für reinen zufall halten
doch wer weiß schon wie so geschicke walten?!



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Prachteinband von Schillers Glocke (19. Jh.)


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