Neues Deutschland

Prosagedicht zum Thema Nationalismus

von  Shagreen

Ein Gefangenendilemma

Neues Deutschland,
Du gehörst ins Museum.
In den Amtsstuben und auf Festreden
nennt man Dich beim Namen,
der sich uns eingebürgert hat.
In Stadien und auf Plätzen
erweckt man Dich zum Leben.
Doch wach bist du immer,
nur die Rufer schlafen tief und fest.

Aber das ist nichts Neues.

Auf ewig zweigeteilt:
Käufer und Verkäufer,
Schuldner und Gläubiger,
Opfer und Täter.
So kommt eins zum anderen,
aber das Andere ist immer fremd, anonym, un-eins.
Ein ständiges Nehmen und Geben,
ein Drunter und Drüber,
daß man sich schon wechselseitig die Hände schmutzig machen muß.
Schön anständig unanständig,
unser Handwerk,
schwankend zwischen Meister- und Gesellschaft
ohne Zunft und Zukunft.

Auch das ist nichts Neues.

Ein Leben auf Verhandlungsbasis:
schlitzohrig unter- und überschlagen wir (uns),
einäugig schauen wir nach vorn und hinten,
krumm und schief lauert das Böse, so hakennasig,
großmäulig verkünden wir unsere ewigen Wahrheiten
und so manche Dummheit steht uns noch ins Gedicht geschrieben.

Und das ist nichts Neues.

Nichts Neues,
Deutschland.

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Kommentare zu diesem Text

don.mombasa (27)
(17.10.05)
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 Shagreen meinte dazu am 17.10.05:
Hallo Don, "süße Ohnmacht", "euphorische Wut", ja, das kenne ich. So fühlt man sich also, wenn die Epoche des Massenzeitalters zu Ende geht und das Menschenmaterial und seine Institutionen sinnlos geworden sind. Aber kein Grund, wie Adorno sagt, sich von der Macht der anderen oder von der eigenen Ohnmacht dumm machen zu lassen. Zum Kritiker fühle ich mich aber nicht berufen, ich arbeite nur auf und verarbeite das. Viele Grüße, Andreas
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