Aufgespießt

Unverschämtheiten aus Politik, Promiszene und Alltag


Die Kolumne des Teams " Aufgespießt"

Dienstag, 21. Februar 2012, 00:41
(bisher 4.801x aufgerufen)

Die Apokalypse zur gelungenen Woche

von  Matthias_B


[editiert am 21.02.2012]Es wird von Zeit zu Zeit an ein paar in Vergessenheit geratene Lieder mit sozialkritischem bzw. psychedelisch- assoziativem Text erinnert.

Der Engländer Kenneth "Jonathan" King erzielte schon in jungen Jahren als Sänger und Produzent Erfolge. Unter anderem nahm er die Beatband Hedgehoppers Anonymous unter seine Fittiche und bescherte jener mit "It´s good news week" aus seiner Feder ein "one hit wonder".


Nach dem ineinander verzahnten Ticken der fast abgelaufenen Zeit am Anfang wird unvermittelt mit dem Thema eingestiegen, dass es sich um eine Woche guter Neuigkeiten handle. Diese Bewertung wird "leicht" makaber begründet: "[ S]omeone´s dropped a bomb somewhere, contaminating atmosphere and blackening the sky". Wir befinden uns im September 1965 - damit kann wohl "die" Bombe gemeint worden sein, mit der praktisch als Selbstverständlichkeit durch jederman und -frau für "atmosphärische" Veränderungen gesorgt werden könne. Die zweite tolle Nachricht folgt sogleich: Wiederum "jemand" habe einen Weg entdeckt, den "rotting dead" einen "Lebenswillen [zu verleihen]". Die wohl wenig parfumhaltige conclusio: "[G]o on and never die". Aufgeschoben bedeutet manchmal doch aufgehoben. Dazu ein ähnlicher zeitgenössischer Bezug: Der Cambridgeianer Aubrey de Grey meint, in cirka zwanzig Jahren alle sieben relevanten Faktoren des Alterns technologisch ausgeschaltet haben zu können - dann klappt´s auch mit der Verpackung. Im Liextext wird scheinbar unverfänglicher smalltalk angeschlossen, ob man ("overnewsed"?) informiert sei, wer das "Rennen" für sich entschieden habe und wie man das Wetter empfinde - alles Alltag eben. [...]Bei der dritten Verkündigung zum Frohlocken hat man (meines Wissens) auch nach Rücksprache mit den Radiostationen zwei verschiedene Strophenteile - einen fürs airplay in den USA und einen für das europäische aufgenommen und veröffentlicht. Kommen wir zunächst zum amerikanischen, der mit "lots of blood in Asia now", was ebenso als Anspielung auf den Vietnam- Krieg verstanden werden kann, wohl relativ beruhigend (siehe ein paar Zeilen weiter) gewirkt hat. Das anschließende primärfunktionsdienliche Sakrileg "they´ve butchered off the sacred cow, they´ve got a lot to eat" wollte man den Landsleuten bzw. den anderen Eurasiern aber nicht zumuten. Diese bekamen den Part mit "stimulating birth control", der den [...] Pilgernachkommen nicht sonderlich geschmeckt hätte, serviert. [...] Die Konsequenz dieser Variation über die Ressourcenverteilung durch Hungersnöte lautet "we´re wanting less to eat." Dank Frau Aigners vorbildlicher Arbeit hat ein solches Ansinnen trotz demographischen Wandels ja gar keine Chance, bei uns Mode werden zu können. Man wartet sicher schon auf die letzte frohe Botschaft: Doktoren haben Möglichkeiten "of wrapping brains in metal trays" gefunden, um "to keep us from the heat" zu erreichen - globale Hirndämmerung? Hinsichtlich der Vermischung von Neuronen und Elektroden hat sich ebengleich eine Menge getan, siehe, z.B., Rodney Brooks und die "Internet- Gehirn- Fusion". Es wird heutzutage ebenso gerade an "Neuro- Chips" zur Krankheitslinderung oder Verbesserung der "Biomasse" Körper geforscht. Aber auch die Computer könnten lernen zu denken (Henry Markrams "neocortical column"). Am besten gleich beides zusammen (Cynthia Breazeals "social robotic", der dem japanischen Männertraum "honey doll" [...] angeglichen werden könnte)? Die GPSierung des menschlichen Geistes wird wohl noch so manche theographischen Früchte zeitigen. Würde man heute ein derartiges Lied aufnehmen, könnte man ja zeitgemäß ABC- Gehschützen, Humanoikroflips und erbgütlich optimierte Zerealien für die Verbraucher einfügen. Nach dem "Stampf- Interludium" werden die Strophen mit begleitendem tiefen Geigenaufstrich wiederholt.
Mit diesem größten Hit begann und endete gewissermaßen die Karriere der Truppe. Der wiederum von King komponierte, strukturell ähnlich geratene Nachfolger "Don´t push me" - eine radikale Absage an eine konformierende Solidargemeinschaft - wurde dann schon nur noch sehr verhalten honoriert *. Tatsächlich hatten die Hedgehoppers damit bereits ihr (satirisches) Pulver verschossen. King jedoch enterte noch über Jahrzehnte unter teilweise seltsam anmutenden Pseudonymen die Hitlisten, u.a. mit der "Main line lady", dem Novelty- Song über "Johnny Reggae" oder der "entmotownisierten" Coverversion von "It´s the same old song" **.

Zitierte Textstellen aus: "It´s good news week"/ Hedgehoppers Anonymous

* King hat ihn später als "Plead guilty" - statement gegen seinen Prozess neu eingesungen.

** Die Soulfreunde unter euch kennen sicher das HDH- Original der Four Tops.

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 Dieter_Rotmund (21.06.11)
Schön geschrieben, ich interessiere mich aber ü-ber-haupt nicht für Popmusik.
Was ich nicht verstehe: Wieso ist die Woche "gelungen". Wessen Woche ist gelungen? Welche Woche? Diese? Warum?

 Matthias_B (21.06.11)
Die generelle gute Woche im ironischen Sinne des Lieds ist gemeint.

 Dieter_Rotmund (22.06.11)
Achso, good news = gelungene Woche.
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