Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Donnerstag, 20. Februar 2020, 08:46
(bisher 794x aufgerufen)

Über die Infantilisierung des Kinos und die Redundanz im Fußball

von  Dieter_Rotmund


Aladdin, Frozen und A Toy Story gehören national wie international zu den erfolgreichsten Kinofilmen der letzten Zeit. Ebenso die zahllosen Superhelden-Schinken , die man wie die Star Wars-Epigonen guten Gewissens zu den Kinderfilmen zählen kann: Es wird sehr diskret und aseptisch gestorben oder überhaupt nicht. Die Plots sind sehr einfach gestrickt (Gut gegen Böse)t und es winkt ein Happy-End, bei dem sich alle glücklich in den Armen liegen. Kinderstoff halt.
Diese Filme laufen landauf landab, in vielen verschiedenen Sälen, über Wochen hinweg. Bis um 22:30 oder gar 23:15 Uhr. Wer geht eigentlich um diese Uhrzeit noch in diese Filme? Sind das Kinder? Die am nächsten Tag in die Schule müssen? Nein, die Erwachsenen strömen in Scharen in die Kinderfilme. "Ich habe im Beruf schon genug Stress", sagen die Kinderfilmgucker, wenn man sie darauf anspricht. Boah, denke ich mir dann, was haben die Leute denn für Berufe? Das müssen toughe Unternehmerinnen sein, die von 6 bis 23 Uhr eine hohe Verantwortung für die Angestellten tragen und dies in nicht enden wollende Meetings ausfechten. Oder es sind Ärzte und Pfleger, die um das Leben vom Patienten kämpfen, stundenlang? Oder sind es Söldner, die töten und getötet werden, in den Kriegen unserer Zeit? Immer nahe an Tod und Verderben? Ja, so muss es wohl sein, es kann nicht anders sein, die Der König der Löwen-Vorstellungen müssen voller knallharter Unternehmerinnen / Ärzte und Fremdenlegionäre sein, die mit Tränen in den Augen und mit voller Inbrunst singen: "Wir sind alle Teil / dieses Universums / Und das Leben / Ein ewiger Kreis". Jaaaaa! Die haben im Beruf schon genug Stress!

Redundanz beim Fußball

Die Winterpause ist vorbei. Jener Fußballspieler arbeitet jetzt nicht mehr für die Firma mit dem Vereinsnamen A, sondern für die Firma mit dem Vereinsnamen B. Trainer X wechselt zur Fußballfirma C, Trainer Y bekommt einen Verlängerung bei der Fußballfirma D. Das Bild eines sich unablässig drehenden Karussells wird bei der Beschreibung dieses Zirkusses oft gewählt. Die Mannschaften steigen auf und wieder ab, wieder auf und dann wieder ab. Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Interesse diesen Nachrichten entgegen gebracht wird, die sich doch nur wiederholen. Redundanz eben. Dabei könnte es doch so schön sein: Ab in den Park, vier Jacken markieren die Torpfosten, HR gegen Vertrieb, Klasse 6a gegen Klasse 6b, Erzieherinnen gegen Pflegerinnen oder blond gegen schwarzhaarig.. Das macht immer wieder von neuem Spaß, wirkt so gar nicht redundant. Danach bei der Limo/beim Bier/beim Mate-Tee kann trotzdem jemand auf eine Frage über das Spiel antworten: "Ja, aber...".
Immer wieder.

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 Judas (20.02.20)
Superhelden-Filme = Kinderfilme? Was? Schon mal Watchmen geschaut? Zum Beispiel?

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 20.02.20:
Nun ja, es ist auch nicht absolut jede Fußballnachricht schonmal da gewesen. Aber grundsätzlich ja, Superheldenfilme sind in der Regel Kinderfilme.
Watchmen habe ich gesehen, 2009 im Kino. Die TV-Serie nicht. Joker (2019) ist sicherlich auch kein Kinderfilm. aber ist es überhaupt ein Superheldenfilm? Ich denke, nicht.

 Judas antwortete darauf am 20.02.20:
Ich würde auch nicht unbedingt Dead Pool als Kinderfilm bezeichnen, zumal den Kinder nicht mal schauen dürfen und das, obwohl er absolut unernst ist.
Star Wars ist mMn auch kein "Kinderfilm" wie Frozen usw sondern vielleicht eher ein "Märchenfilm". (meine, George Lucas hat sowas selbst mal geäußert) Er richtet sich damit natürlich durchaus eben auch an ein jüngeres Publikum aber eben nicht ausschließlich. Märchen sind ja auch nicht (nur) für Kinder.
Ansonsten muss man natürlich schauen, woher kommen denn die derzeitigen Superhelden-Filme meistens? Von Comics, welche die jetzt erwachsenen Kinogeher als Kinder liebten.
Ich würde trotzdem nicht pauschal unterschreiben, dass Superheldenfilme = Kinderfilme sind. Das ist mir zu banal und einfach, vor allem für jemanden, der sich Filmkritiker nennen möchte (oder -rezensist zumindest).

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 20.02.20:
Ich sah sogar den jüngsten Star Wars-Film im Kino, mein Standpunkt ist da eindeutig: Das ist ein Kinderfilm. Das mag "Gott" George Lucas von mir aus anders sehen. Als Filmjournalist, der ich ja auch manchmal bin, kann man auch mal einen etwas provokanteren Standpunkt einnehmen, warum alles weichspülen?

Wir sollten die Genrebezeichnungen (lustig: der sog. "Sandalenfilm") nicht überbewerten. Es bleibt die Frage, warum erwachsene Menschen abends um 11 sich derartige Filme ansehen wollen. Wahrscheinlich hat Graeculus recht: Es ist die Angst, in einem "normalen" Film einen Spiegel vorgehalten zu bekommen.

Laut FAZ zeichnet sich Dead Pool vor allen seine unflätige Zotensprache aus. Das ist dann vielleicht in der Tat auch was für Pupertierende.

 Judas äußerte darauf am 20.02.20:
"Laut FAZ" lol. Und Erwachsene gucken solche Filme weil sie unterhalten ohne anzustrengen. Haben Action, Emotionen, Humor. Popcorn Kino halt. Kaum "künstlerischer" (meine: Arthouse) Anspruch. Warum sollte man das nicht wollen, Leute gucken abends Tatort und Rosa Munde Pilcher aus exakt dem selben Grund.

Antwort geändert am 20.02.2020 um 21:57 Uhr

 Graeculus (20.02.20)
Na gut, kann ich nachvollziehen. Aber wir wissen, wie die Menschen ticken: Nur nicht auch noch im Kino Probleme!

Aber:
- "Alladin" kenne ich nicht, vermute aber: Aladin
- gestroben --> gestorben
- gestrick --> gestrickt
- Karrusells --> Karussells

 Graeculus ergänzte dazu am 20.02.20:
Anerkennung dafür, übrigens, daß Du diese Kolumne am Leben hältst.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 20.02.20:
Danke für alles!

P.S.: Tatsächlich heisst der Wunderlampen-Film mit Will Smith nochmal ganz anders, nämlich Aladdin.
aliceandthebutterfly (36)
(20.02.20)
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 Willibald (21.02.20)
Also, nun, Dieter,

da ich einst als Jugendlicher beim Schauen des Roten Korsaren im Filmkino Linde in Unterfranken in fröhliche Trance geriet, die einige Zeit anhielt, schreiben wir halt über sowas.

Du über einen Piratenfilm, vielleicht den Roten Korsaren mit diesem Burt Lancaster und Nick Cravat.

Und ich über den Roten Korsaren.

greetse
ww

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 21.02.20:
Und ich über den Roten Korsaren.

The Crimson Pirate (USA 1952) mit Burt Lancaster?

Ja, dann mal los! Schick' mir den Text einfach per PN.

Ich schreibe lieber über Filme, die ich in jüngerer Vergangenheit im Kino sah, das Angebot ist derzeit recht gut. Am liebsten würde ich ja über die Berlinale schreiben, aber ich bin nicht dort.

 regenfeechen (04.03.20)
Lieber Dieter-Rotmund,
Unternehmerinnen und Pflegepersonal, also die knallhart arbeitenden Menschen meinst du schauen sich Kinderfilme zur Entspannung an?
Ich habe vor kurzem den König der Löwen mit meinen Enkelkindern angesehen und habe genau wie sie geheult und mitgefiebert, wie der kleine Löwe seinen toten Vater gesehen und wie er erwachsen wurde. Menschlichkeit und Gefühle, das ist genau das was in unserer Gesellschaft so oft fehlt. Aber dennoch jeder Mensch braucht und es sich dann im Kino holen muss?
Wie traurig ist das denn.
Danke für deinen gut geschriebenen Text
LG das Regenfeechen

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 04.03.20:
Es ist wohl so, wie Graeculus sagte: Man will "nicht auch noch im Kino sich Probleme ansehen". Das ist natürlich Quark, einfach ein miserables Vorurteil gegen Filme, die mehr sind als putzige Tiere, die sprechen können.
Und ja, ich halte Unternehmer(innen) (Manager nicht) und Pflegepersonal für meist hart arbeitende Menschen, ist das so ungewöhnlich?
Aber sorry, aber bei Filmen und seelenlosen CGI-Desastern wie The Lion King (USA 2019) fühle ich mich angesichts der Machart und Handlung einfach für dumm verkauft. Das hat vielleicht gar nichts mit Intelligenz zu tun, sondern mit Seherfahrung: Hat man dieses einfache Strickmuster ein paar Mal gesehen, ist es einem schlichtweg überdrüssig. Und das war bei mir dann irgendwann ausgangs der Kindheit so, fertig, basta.
Der einzige Kinderfilm, denn ich evtl. gerne nochmals sehen würde, ist Ronja Räbertochter von 1984. Aber der gilt wegen des Wunsches der Hauptfigur, ein selbstbestimmtes Leben ohne die Konflikte der Elterngeneration zu führen, heutzutage wahrscheinlich als anspruchsvolles Arthouse-Kino und für Kinder als ungeeignet. Nun, ja.

 regenfeechen meinte dazu am 05.03.20:
Oh, nicht falsch verstehen, besonders Pflegepersonal gehört
ernsthaft zu den extrem hart arbeitenden Menschen!!
Meine jüngste Enkelin ist 4 Jahre, da kommt der König der Löwen gerade richtig an.
Ausserdem, warum nicht bei einfachen Filmen einfach mal richtig einfach abschalten.
Ronja Räubertochter finde ich richtig cool. Könnte meine älteste
Enkelin sein, die setzt sich schon jetzt gut durch im Leben und hat
ganz eigene Vorstellungen und Ziele.
Und das obwohl sie so eine einfach gestrickte Oma hat

 FrankReich (04.03.20)
Hi Dieter,

der Begriff "Infantilismus" ist meines Erachtens nach immer negativ konnotiert, weil er davon ausgeht, dass jemand entweder auf einer kindlichen Entwicklungsstufe stehengeblieben ist oder sich halt hinein begibt, bzw. gezwungen wird. Kinderfilme müssen deshalb nicht zwangsläufig infantil sein, ebenso wie infantile Filme nicht automatisch mit Kinderfilmen gleichgesetzt werden dürfen. Als rezensorisches satirisches Stilmittel ist das zwar legitim, ich hoffe jedoch, dass Deine Leser, besonders aber Du, in der Lage sind, das voneinander trennen zu können. :D
Tja, und was die Redundanz im Fußball angeht, empfinde ich das eigentlich weniger tragisch als das ausufernde, infantile Verhalten vieler Fans, sowohl als Zuschauer im Stadion, vor dem Fernseher als auch im aktiven Laienspiel. Da lobe ich mir doch eher Filme über Fußball wie z. B. "Das Wunder von Bern", "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" oder sogar "Shaolin Kickers" wobei der letztgenannte sowohl zu den infantilen Filmen als auch den Kinderfilmen gezählt werden kann, allerdings sollte dabei beachtet werden, dass er sich auf die Phase der späten Kindheit bezieht.

Ciao, Frank

Kommentar geändert am 04.03.2020 um 13:16 Uhr

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 04.03.20:
Da ziehst du ja eine sehr feine Grenze, Frank. Im Prinzip gebe ich dir recht bei "Kinderfilme müssen deshalb nicht zwangsläufig infantil sein, ebenso wie infantile Filme nicht automatisch mit Kinderfilmen gleichgesetzt werden dürfen". Aber gibt es dafür wirklich einige Repräsentanten?
Für die erste Kategorie würden mir die "Shaun das Schaaf"- bzw. so ziemlich alle Nick-Park-Filme einfallen. Aber für Kategorie 2 fällt mir nichts ein. Dir?

 FrankReich meinte dazu am 04.03.20:
Eine Schablone lässt sich da wohl in keiner Beziehung anlegen. Obwohl z. B. "E. T." und "Wall-E" zu den empfehlenswerteren Kinderfilmen zählen und selbst von den meisten Erwachsenen geliebt werden sowie von der Wertung weitestgehend frei vom Ruch der Infantilität allerdings nicht der Sentimentalität sind, kann ich das in beiden Fällen nicht unterscheiden, ich empfinde sie als Zumutung, bzw. als total albern, während "Ralf reichts 1 & 2" für mich Highlights darstellten, die allerdings auf keinen Fall mit der Altersfreigabe ab 6 Jahren hätten ins Rennen geschickt werden dürfen. Einen Kinderfilm, den ich bedenkenlos empfehlen würde, ist Bullys "Wickie", denn da sind die Pointen für Erwachsene so subtil gesetzt, dass sie an den Kindern vorbeipreschen, der Film ist für mich somit alles andere als infantil, es gibt aber auch genügend Kinder und Erwachsene, die diesen Film als albern bewerten. Daher lehne ich eine Verallgemeinerung kategorisch ab; übrigens und sei es nur, um einen Eindruck zu gewinnen: Nick-Park-Filme würde ich mir schon deshalb nicht anschauen, weil mir die Figuren zu leblos und linkisch erscheinen, deshalb kann ich sie glücklicherweise auch nicht empfehlen.
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