gestern. in Ambivalenz.

Text zum Thema Sein

von  Vaga

Gestern, im Herbst, hielt ich Zwiesprache mit dem Vergehenden. Beleuchtete im schrägen Licht das, was war. Die modernden Äpfel im Gras, den Blättervergang auf moosiger Wiese. Die Zweige der Bäume hingen so tief, dass wir uns streiften, sie zogen an meinen Haaren, zerrten mich aus meiner Ordnung.

Endlichkeit legt sich in mich beim Anblick des Silbriggrünen, dämpft in mir die Kindvergnügtheit, beschleunigt das Rationale.
Meine Augen, in ihr Trachten schon übergenug getrieben, das Tor meiner Welt neben anderen Sinnen. Was Bemerkwert hat, geht in sie hinein. Am Ende des Ganges lauern graue Kammern, aufnahmebereit für Gefüllsel und zu Enthüllendes, für schon ewig Dagewesenes, Vollendetes, akut Sinnloses und Utopisches, Räume ohne Grenzen, meerflüssig uferlos.

Gestern, im Herbst, fiel ich der vorletzten Rose anheim. Kletterte mit ihr am Haus empor, ließ mich stechen von ihren Dornen. Als ich stürzte, umfing sie mich mit ihren Ranken.

Auf meiner Schulter wartet ein Falter. In sieben Sprachen verschweige ich ihm meine Ambivalenz. So fliegt er fort in seiner vagilen Lust, entfliegt mir Mensch, mir, einem aus dem Zusammenhang gerissenen Tier. Herzschlagend. Hautbezogen.

Ich denke und gehe im Denken fehl, halte unerschütterlich fest an meinen Bedenken, bin mir mit nichts vollkommener im Reinen als mit meinen Zweifeln.

Verfallen bin ich den welkenden Hortensienblüten. Ihr morbides Farbspiel hat eigene Regeln. Ich lasse den Reben die prallen Trauben und den Büschen die Beeren.

Gestern, im Herbst, lieferte ich mich aus. Erneut.

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Kommentare zu diesem Text

bonjour (41)
(02.10.06)
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 Vaga meinte dazu am 02.10.06:
Dank dir sehr - bonjour - für deine Worte u. die Empfehlung - Vaga.
scalidoro (58)
(03.10.06)
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 Vaga antwortete darauf am 03.10.06:
Dank an dich für's Lesen und Kommentieren. Ja - Blüten nehmen mich immer wieder gefangen. Sie haben ein so geheimnisvolles Innenleben.

 Néniel (03.10.06)
viele viele bilder, die ich gerade ernten konnte. ist es doch gerade erntezeit. herbstlich bunt ist er und passt so gut in meine stimmung, in mein empfinden und ich konnte fühlen, beinahe berühren. danke. lg, ive.

 Vaga schrieb daraufhin am 03.10.06:
Ich habe zu danken!
Lyrine (43)
(03.10.06)
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 Vaga äußerte darauf am 03.10.06:
Danke dir - Tine - für die Ausführlichkeit deines Kommentares. LG.
LudwigJanssen (54)
(08.10.06)
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 Vaga ergänzte dazu am 08.10.06:
Mich freut dein ausführliches Eindenken in meinen Text. Ich las ihn nun noch einmal "anders". Du stößt mich mit der Augennase auf etwas, womit du vollkommen recht hast. Diese beiden Sätze sind überflüssig. Ich werde sie streichen. Die Zeitformverschiedenheit jedoch möchte ich beibehalten hier. Ganz herzlich Dank - auch für's Empfehlen. Vaga.
LudwigJanssen (54) meinte dazu am 09.10.06:
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 Vaga meinte dazu am 10.10.06:
Ich pflückte mir die Herbstworte aus dem Gestern und verschwende sie im   Hier und Jetzt.
(Antwort korrigiert am 10.10.2006)
(Antwort korrigiert am 10.10.2006)
LudwigJanssen (54) meinte dazu am 10.10.06:
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 Bergmann (28.01.07)
Ein prose poem!

 Vaga meinte dazu am 28.01.07:
Mir gefällt, dass du es so siehst. Danke!
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