Die grüne Insel

Kurzprosa zum Thema Freundschaft

von  NormanM.

Früher mochte ich am liebsten den Sommer, weil ich dann immer viel mit meiner besten Freundin unternehmen konnte. Als Kinder haben wir Tür an Tür gewohnt, gingen in dieselbe Klasse und haben seitdem viel Zeit miteinander verbracht, aber am meisten im Sommer, wenn wir sechs Wochen Ferien hatten.
Alle Jungs aus unserer Klasse hatten beste Freunde, aber ich hatte eine beste Freundin, und ich war ihr bester Freund.
Wir wohnten mitten in der Großstadt, aber hier und da gab es auch ein Stück Natur, irgendwann in einem Sommer fanden wir dazwischen einen kleinen Wald, er war so schön, so grün, er erschien uns viel grüner als jeder andere Wald, den wir kannten, er strahlte eine so angenehme Ruhe aus, und doch war er so lebendig. Die Vögel sangen, sie klangen so fröhlich, dazwischen sprudelte eine Quelle, es war wie Musik, eine Sinfonie des Waldes. Es wurde unser Lieblingsort, wir nannten ihn "die grüne Insel".
Tag für Tag verbrachte wir dort, den ganzen Sommer lang. Wir bauten uns dort sogar ein kleines Baumhaus, dort lagen wir oder saßen einfach so da, lauschten der Musik der Natur, redeten und lachten. Im Winter waren wir auch öfter dort, aber wir freuten uns immer wieder auf dem Sommer, denn dann war es am schönsten dort.
Es vergingen immer mehr Jahre, wir waren bald keine Kinder mehr, sondern Jugendliche, sie hatte bald ihren ersten Freund, bald auch ihren zweiten, so langsam wurden wir erwachsen, aber sie ließ mich nie im Stich, ich war immer noch ihr bester Freund und sie meine beste Freundin. Ich hatte nie viele Freunde, viele hielten mich für langweilig, weil ich oft sehr schweigsam war, aber sie störte sich nie daran, was andere von mir dachten, sie mochte mich so, wie ich war.
Bald hatten wir unser Abitur geschafft und sahen uns somit nicht mehr in der Schule, inzwischen hatte sie auch einen festen Freund. Es hatte sich viel geändert, aber nichts an unserer Freundschaft. Wir sahen uns nicht mehr so oft wie früher, aber wir unternahmen trotzdem noch viel miteinander, wir waren noch immer füreinander da. Auch unsere grüne Insel hatten wir beide nicht vergessen, es war gemeinsamer Lieblingsplatz geblieben, unser Baumhaus gab es auch noch, wo wir uns dann trafen und uns in unsere alten Zeiten zurückversetzt fühlten.
Eines Tages, es war im Sommer, ging ich dorthin, um mich mit ihr zu treffen. Aber sie war nicht dort, stattdessen fand ich einen Brief von ihr. Es war ein Abschiedsbrief. Sie erklärte darin, dass sie fort gegangen war, weil sie von jemandem verletzt wurde und sie den Schmerz nicht ertragen könne. Sie dankte mir für meine Freundschaft, und bat mich darum zu verstehen.
Für mich brach eine Welt zusammen. Ich konnte es nicht verstehen, sie schien doch so glücklich. Ohne sie würde nichts mehr so sein wie früher. Ab diesem Tag hasste ich den Sommer.
Sie hatte einen Hund, den ich an mich nehmen durfte, so blieb mir noch ein Teil von ihr behalten. Immer wenn ich weinte, kam er zu mir und winselte ganz traurig, auch er vermisste sie sehr.
Ich beschloss, sie zu suchen überall, auf der ganzen Welt, bis ich sie wieder finden würde, und dann würde wieder alles so wie früher werden.
Inzwischen sind fünf Jahre vergangen, ich habe sie nie gefunden. Doch ich weiß, eines Tages werde ich sie wieder finden. Und dann werde ich auch den Sommer wieder mögen.

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 Omnahmashivaya (12.11.07)
Mir gefällt dir Geschichte immer noch so gut, wie beim ersten Mal, als ich sie gelesen habe. Irgendwann wirst du den Sommer wieder mögen. Lg Sabine

P.S. Vielleicht passt "winseln, fiepen oder jaulen" besser statt "knurren". Irgendwo hast du statt da, dar geschrieben.
(Kommentar korrigiert am 12.11.2007)

 NormanM. meinte dazu am 12.11.07:
Hallo, ich freu mich, dass dir die geschichte gefällt. Dein vorschlag klingt gut, werd ich gleich umändern.

Lg Norman
orsoy (56)
(12.11.07)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 NormanM. antwortete darauf am 13.11.07:
Hallo Konni,

ich freu mich sehr, dass die geschichte dir gefallen hat. Die geschichte ist zwar nur frei erfunden, aber trotzdem gehört sie zu meinen mir wichtigsten texten, weil mir dieses thema sehr wichtig ist.

Lg Norman
kata (64)
(14.11.07)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 NormanM. schrieb daraufhin am 14.11.07:
Das heißt also, der text gefällt dir?:-). Darüber freue ich mich, weil das, wie gesagt einer meiner texte ist, die mir besonders wichtig sind, auch wenn die geschichte frei erfunden ist.

Lg Norman
Elline (64)
(20.12.07)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 NormanM. äußerte darauf am 21.12.07:
Hallo, das ist eine meiner mir wichtigsten geschichten. Daher freue ich mich hier immer besonders, wenn sie den lesern gefällt. Lg Norman
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram