Der Zehn-Meter-Sprungturm

Kurzprosa zum Thema Liebeserklärung

von  NormanM.

Und wieder schweiß gebadet aufgewacht. Diese Alpträume häuften sich in letzter Zeit.
Er ging ins Bad und betrachtete sich im Spiegel. Er hatte deutlich abgenommen, sein Gesicht war sehr schmal geworden. Kein Wunder, er aß ja kaum noch, sondern rauchte den ganzen Tag über. So konnte es nicht weiter gehen, er musste etwas tun. Endlich. Nach so langer Zeit.
Aber das wusste er schon vorher.
Seit fast einem Jahr liebte er sie ja schon, genauso lange wusste er auch, dass sie ihn niemals lieben würde. Er hatte mit ihr zwar nie darüber gesprochen, weil nie den Mut hatte, es ihr zu beichten, aber es gab eben nun einmal nichts, was darauf hindeutete, dass sie ihn vielleicht auch lieben könnte. Aber das verlangte er auch nicht von ihr, er war einfach nur glücklich, wenn er sie sah.
Doch nun schien der Alptraum war geworden zu sein, wovor er ständig Angst hatte. Sie schien ihm aus dem Weg zu gehen, weil er zuletzt doch einfach alles falsch gemacht hatte. Kein Wunder, so dämlich, wie er sich immer anstellte. Er hätte sich nicht so ungeschickt angestellt, wenn sie gewusst hätte, dass er sie liebte. Immer wollte er es ihr sagen, doch er hatte es immer nur aufgeschoben. „Beim nächsten Mal“, hatte er sich immer wieder vorgenommen. Doch nie hatte er es getan, obwohl er so viele Gelegenheiten dazu gehabt hätte, doch er wollte immer nur auf den richtigen Moment warten. In Wirklichkeit war er einfach nur feige, nichts anderes. Weil er Angst hatte, dass sie ihm aus den Weg gehen würde, doch das tat sie ja mittlerweile offensichtlich auch, obwohl sie es nicht wusste.

Immer hatte er sich vorgenommen, vom Zehn-Meter-Brett zu springen, von unten sah es auch so einfach aus. Doch wenn er dann oben stand, traute er sich nicht und kletterte wieder hinunter. Inzwischen machten sich seine Freunde schon lustig über ihn.

Doch, er musste es ihr sagen, er musste sie noch einmal wieder sehen. Auch wenn sie seine Liebe nie erwidern würde, aber die Freundschaft wollte er retten. 
Zitternd nahm er das Telefon und wählte ihre Nummer. Er redete nicht groß herum, als sie sich meldete, sondern fragte gezielt, ob sie in den nächsten Tagen kurz Zeit hätte, da er dringend mit ihr reden müsse.
Hinterher schrieb er sich genau auf, was er ihr sagen wollte, und wie er das Gespräch einleiten wollte. Schritt für Schritt. Damit er bloß nichts Falsches sagte. Den Zettel nahm er vorsichtshalber mit.

Sie war schon da, als er sich dem Treffpunkt näherte. Sie sah ihn noch nicht. Und wieder kam die Angst in ihm hoch, die ihm wieder daran hindern würde, das Gespräch anzufangen.

Wieder stand er auf dem Zehn-Meter-Sprungbrett im Schwimmbad, wieder spürte er die Angst aufsteigen.
Heute war die letzte Gelegenheit für ihn zu springen, denn das Schwimmbad war zum letzten Mal geöffnet. Doch je länger er dort oben stand und auf das Becken hinunter sah, desto größer wurde seine Angst.
„Los Junge, Augen zu und springen, trau dich!“, rief ein Mann von unten herauf. Dann nahm er einfach Anlauf und sprang.


Nun sah sie auch ihn. Jetzt oder nie, dachte er sich und rannte mit schnellen Schritten los auf sie zu.
„Ich liebe dich“, sagte er, als er sie außer Atem erreichte.

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Kommentare zu diesem Text


 Omnahmashivaya (30.11.07)
Hallo, ein schöner Text. Den inneren Schweinehund mal überwinden - das kann nie schaden. Guter Vergleich mit der inneren Stimme und dem Sprungturm. Lg Sabine

 NormanM. meinte dazu am 02.12.07:
Hallo, freu mich, dass dir die geschichte gefällt. Lg Norman
Hector (49)
(30.11.07)
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 NormanM. antwortete darauf am 02.12.07:
Hallo Hector,

ja, die einleitung ist etwas länger, ich glaube, das liegt daran, dass ich selbst in solchen situationen sehr viel nachdenke und meine gedanken sich dann auch immer wiederholen, deshalb fällt es mir in geschichten schwer, mich bei solchen gedankengängen kurz zu fassen. Und in fällen, wo es eher angebracht ist, viel zu erzählen/schreiben, fällt mir meistens kaum was ein.
Aber ich werde versuchen, in meinen geschichten darauf mehr zu achten. Danke auf jeden fall für den tipp.

Lg Norman
Graeculus (69)
(31.01.17)
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 Dieter_Rotmund (03.12.19)
Sehr schwülstig-kitschig.
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