In der Palästra

Skizze

von  beneelim

1
12. märz – in die donau gespuckt und um hochwasser gebetet; der schicke mp3 player spulte schätzing vor sich hin, in mein verstöpseltes ohr, ich will besser laufen können. Hinter mir fürchtete ich thomas vorbeifahren, aber es war nur der 12er bus auf dem weg in die garage.
Ich hätte viel über die zeit zu erzählen gewusst, über das leben an sich und seine müßigkeit, seine eigenart, vor unzeiten den menschen auszubilden, um ihn das leisten zu lassen, was es selbst  im ersten hinsehen nicht erwarten lässt. untergänge. Aber der fluss hat mir die ideen geraubt und irgendetwas lässt mich müde werden.
6. januar – epiphanias. Die heiden verkaufen ihre länder. antike astronomische studienreisen. ich finde mich lächerlich, wie ich freundschaften erkaufe mit übergangenem, das bald jede nacht schon neben mir schläft. ich habe erfahren, dass in wien um gleichgeschlechtliche paare geworben wird, die sich bereit erklären, pflegekinder in ihre obhut zu nehmen. am taubenmarkt umstellte eine traube von ratlosen den zigarettenautomat, der seit jahresbeginn die gesetzlich vorgeschriebene kindersicherung eingebaut hat.
3. april – ich wachte auf und dachte für einen moment, ich hätte ein fell.

Immerhin reden wir
Von den göttern
Und ihren bernsteinaugen
Wir werfen unsren blick in die mitte
Und uns selbst auf die knie
So durstig sind wir
Nach der wahrheit, dass
Selbst ein montagstraum
Schon genügt

An unseren letzten Moment, von dem ich sagen könnte, wir wären zusammen gewesen. Darum geht es doch. Du hörst, all die vierzehn Jahre, du hörst mit halben Ohren, nach innen, nach außen, hörst, in den Schweiß hinein, den dir der Sommer im Dachgeschoß aus der Haut schlägt, in die Stimmen aus dem Stiegenhaus, die Kinderstimmen, die Mutterstimmen, die Stimmen von Uraltmieterinnen im Krückengang, jene Samariterbundstimmen, die den Gleichmut intonieren, die Hungerstimmen, die
Stimmen.
Nein. Es lässt sich nicht bestreiten, dass ihm versagt bleibt, zu den Wörtern zurückzufinden, zu jenen, die Schutz bieten mögen vor der Obszönität einer Heilung.

2
Er will die Welt in sich hineinholen, mit ausgebreiteten Händen in sich hineinholen, weil ihre Atmosphäre dann bis zu seiner Stirn reichen wird. Er will das in aller schicklichen Ohnmacht tun, in aller Verschwiegenheit. Und von all den Dingen, die ihm angenehm sind, da ist ihm das feinste, passend zu sein – so findet er Frieden. Und doch:
Er zeigt einen wenig rhythmisierten Lebensstil. Zu beliebig, in Gedanken, Worten. Er lenkt sein Dasein um jede Prüfung, er stiehlt sich von jenem ein bisschen Stille, von jener etwas Mitgefühl, von diesem etwas Zuversicht. Er lebt die Angelegenheiten anderer schmutzig und sie bleiben ihm fern. Er verbringt die Mainächte liebend, aber wie liebend, ein nach hinten liebend, ein aus der zweiten Reihe liebend, mit verschränkten Armen, geschlossenen Augen, er macht von nichts, was er machen kann, jemals genug.

Ich habe dir damals schon gesagt, lauf, du weißt es noch, ja, an diesem Schultag, Dienstag, Donnerstag, lauf. Hättest du nur Ruhe gegeben, wie ich es dir gesagt habe, dem Stärkeren sein Recht gelassen. Hast du wieder gefürchtet, du kämest du kurz dran? Du wolltest es nicht begreifen, damals, wenn du bist, so, wie du warst und wie du sein kannst, dann bist du der, der einem anderen seinen Platz zeigt. Er war der Stärkere, aber du packst deinen Ranzen und läufst über den Hof und deine Sandalen klatschen am verdurstenden Asphalt, tack, tack, tack, und du läufst und spuckst ihm ins Gesicht, greifst die Riemen, die in deine Schulter schneiden und schwitzt und keuchst. Es ist kein weiter Weg, aber er wird schneller sein und du kannst Mutter nichts davon erzählen, da schlägst du einen Haken, läufst durch den Park anstatt die Straße weiter.

Wenn das Individuum seine Fitness reduziert, dann folgt es dem Ruf seiner Gene; das kann nicht altruistisch sein. Es erhöht damit die Fitness der Gruppe, die sich nach komplexen Regeln assoziiert – die Quantität der Bindung bestimmt die Opferbereitschaft; nicht jede Mutter würde ihr Leben für ihren Nachwuchs geben.

3
Ich weiß, wenn ich, wenn ich mich in die Musik lege

Wie klingt sie, diese Musik? Welche Farbe hätte sie, wenn sie Licht wäre? Welche Form, wenn Sie ihr eine Gestalt geben könnten?

Wissen Sie, dass ich als Kind, ich meine, im Alter von acht oder neun, solche Angst davor hatte, in die Schule zu gehen? Ich erzählte meiner Katze davon, einem pelzigen, kleinen Tier, weiss, auf den Vorderpfoten schwarze Punkte, wissen Sie, ich konnte meiner Mutter darüber nichts sagen, da war zuviel Scham davor. Aber was sage ich, Sie haben das gewiss bereits vermutet. Und deshalb habe ich mich so gefürchtet, weil ein Rotzbengel aus der Klasse über mir und dessen rotzbengelige drei Freunde mich tyrannisiert haben, und ich habe eine Klassenkollegin tyrannisiert im Gegenzug, damit nichts verloren ginge. Und ich durfte nichts erzählen daheim, von keiner Tyrannei, außer der, die mich näher zu Gott brächte, und von keiner unheimlichen, schleichenden Lust, die mich so früh schon überkommen hat wie der Mehltau die Weinrebe. Wird Ihnen das nicht langweilig? Jede Überraschung zu überlisten? Aber ich musste drei Jahre warten, bis ich durch Zufall das Onanieren erlernte, das wollte ich noch sagen, und auch das, obwohl sie es immer und immer wieder mahnend erwähnte, konnte ich nicht...
Sie?
Ja, sie sagte...
Wer?
Stimmen.

Immerhin reden wir
Von den Göttern


Anmerkung von beneelim:

ana. may the shadows never be silent.

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