Zeitallüren

Gedanke zum Thema Tod

von  Erdbeerkeks

Der Winter kommt und die Jahre ziehen ohne dich ins Land, mein Freund.
Manchmal versuch ich mir Schneestapfen vor meinem Fenster wieder vorzustellen, wie sie mal wirklich da waren, aber so gut wie früher geht das nicht mehr. Nachts, wenn ich dann an meine Holzdecke starre, weiß ich, dass der Baum da draußen deine Gesellschaft fast noch mehr vermisst, als ich. Er wächst nichtmehr so gut, weißt du. Manchmal wirkt er alt und erschöpft.
Wenn die Weide dann mit ihren langen Ästen über das Gras peitscht und der Wind am Fensterrahmen rüttelt, fang ich an, mir Sorgen zu machen. Denn du holst dir bestimmt den Tod, während du dort wartest und dann steh ich auf und sehe raus und bemerke, dass die Zeit der nächtelangen Gespräche über Fensterbänke hinweg vorbei ist.
Mein Garten ist leerer geworden seitdem. Meine Blumen lassen die Köpfe hängen, ich hab vergessen sie zu gießen, sie starren traurig die Erde an und wissen, was sie verbirgt. Ich lasse sie sterben, weil ich glaube, dass es sich nichtmehr lohnt, wie früher;  in der Zeit, als die Blumen noch bunt waren, strahlten wie ich, aber auch heute lächel ich nur, weil du mal sagtest, es sähe schön aus.
Falschen Stolz brauchen wir aber nicht, die Blumen und ich. Und während sie langsam vertrocknen und zerfallen kannst du dir ja vorstellen, was die Zeit mit mir anstellt.
Wenn ich ab und zu in deinem Zimmer sitze und der Geruch nach alten Büchern und trübblauen Erinnerungen in der Luft hängt, guck ich durch das matte Fenster zu mir rüber und das dunkle Licht hier oben frisst mich fast auf. Es sieht alles so nach vergangen aus, so nach verlassen und vergessen, dass es mich krank macht. Denn wir wissen doch, dass das alles nicht stimmt.
Wenn ich in den zerwühlten Laken liege und der Mond so verdammt schief hängt, kann ich deinen warmen Atem auf meiner Schulter spüren. In der Bedrängung des kleinen Raums war das „Wir“ schon immer zuhause und wenn wir nach einer halben Stunde wieder vergehen, ist das in Ordnung.
Irgendwann musst du halt gehen, irgendwann stehst du auf und sagst „Bis morgen“ und gehst aus der Tür und ich seh dir nach und wünsche dich zurück. Bis zum nächsten Tag.
Und guck mal, es ist doch das gleiche.
Denn früher oder später kommst du zurück.
Oder ich komme.
Es ist halt nur kein „Bis morgen“ mehr.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (31.07.18)
Trauerprosa; kV-Dutzendware.

Nichts für ungut, nur eine kleine Feststellung am Rande!
Marjanna (68)
(31.07.18)
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