Der neue Sisyphos

Gedicht zum Thema Gesellschaftskritik

von  ViktorVanHynthersin

„Und weiter sah ich den Sisyphos
in gewaltigen Schmerzen:
wie er mit beiden Armen einen Felsblock,
einen ungeheuren, fortschaffen wollte.

Ja, und mit Händen und Füßen stemmend,
stieß er den Block“ …
… jedoch nicht hinauf, auf einen Berg,
sondern hin, zu einem finsteren Schacht.

Er stürzte den Brocken ins nimmersatte Loch,
wartete nicht auf den mattdumpfen Aufprall,
bar jeder Hoffnung und aller Illusionen,
eilte er ohne Rast zu immer größeren Steinen.

Dieses verwunschene Felsengrab indes
kennt keinen irgendwie gearteten Grund.
Niemand hat je ein Echo vernommen
aus der schwarzen, unauslotbaren Tiefe.

Über die Dauer der Zeit, die niemand misst,
ist er selbst zum ewigen Stein geworden,
den er täglich, wieder und wieder stößt.
den er täglich vergeblich zum Rollen bringt.

Herr K. kannte es aus eigener Erfahrung:
keine Anklage, kein Prozess, kein Urteil.
Das wird hier niemals gesprochen werden,
es wird nur täglich vollstreckt, gnadenlos.

So darf Sisyphos nicht auf Erlösung hoffen,
muss sein Tagwerk monoton vollbringen
seine Strafe jeden Tag aufs Neue büssen.
Amnestie brächte nur der erlösende Tod.

Doch die Götter werden dies verhindern.
So oft sie Sisyphos ihr Vertrauen schenkten,
so oft sind sie von ihm hintergangen worden.
Und ein neuer Sisyphos wird immer geboren.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram