Sucht

Bericht zum Thema Rauchen

von  Mac

12. 12. 2008

02:00 Uhr

Mein Wecker klingelte. Ich machte mir ein Kaffee und schaute in die Zigarettenschachtel. Fünf Kippen noch. Ich schob mir ein paar Plätzchen in den Mund, trank den heißen Kaffee mit kleinen Schlucken und steckte mir eine Zigarette an.  Zehn Minuten später noch ne Kippe.

03:15 Uhr

Ich hatte das Gepäck in den Wagen getragen und fuhr los.  46. 57. 44. 52. 3. 2. Die nächste Zigarette.

05:30 Uhr

Raststätte auf der 31. Getankt, ein Kaffee getrunken, zwei Kippen geraucht. „Die Zigarettenschachtel ist leer.“ Weiterfahrt. Ich hatte vergessen mir neue Zigaretten zu kaufen. Bummelfahrt durch die Nacht.

08:00 Uhr

Norddeich.  Das Auto hatte ich geparkt und stand mit Gepäck am Fähranleger. Kein Schiff zu sehen. Ich marschierte zum Büro um mir eine Fahrkarte zu kaufen. Abgeschlossen. Ich fragte zwei Bauarbeiter, wann das Schiff nach Juist ablegen würde. „Das Schiff ist gerade abgefahren und das nächste fährt morgen früh gegen 9 Uhr“  „Wie? Was? Aber ich hatte doch im Internet nachgeschaut. Die Fähre sollte gegen 9 Uhr fahren.“ „Das passiert öfters, dass die Leute sich vertun“, war die tröstliche Antwort. Er hielt mich wahrscheinlich für einen Trottel ersten Grades, doch er tröstete mich damit, dass es noch mehr von der Sorte gäbe.  „Gehen Sie mal ins Büro der Reederei,  gegen Mittag soll noch ein Frachtschiff fahren.“

08:15 Uhr

Das Personal  im Büro war freundlich. „Die einzige Möglichkeit heute nach Juist zu reisen ist mit dem Flugzeug“, erklärte mir lächelnd die Frau am Schalter. „Kostet 37€.“  Ich nickte. Ich war vor Jahren schon mal mit einen dieser kleinen Kisten geflogen. Bei ziemlich heftigen Wind. War nicht so prickelnd. „Wann geht die Maschine?“  Die Angestellte ruft auf dem Flugplatz an. „Die Maschine fliegt um 9:45. Die 8:45 Maschine werden Sie wohl nicht mehr bekommen. Soll ich für Sie einen Platz buchen?“  Ich nickte. „Außerdem brauche ich ein Taxi zum Flugplatz. Ich lasse den Wagen auf dem großen Parkplatz stehen.“ „Taxis stehen an der Mole für Norderney, direkt um die Ecke“, war die freundliche Antwort der Frau. „Gute Reise.“ „Danke schön, auch für ihre Freundlichkeit.“ Ich schulterte mein Gepäck und verlasse das Reedereikontor.

8:45

Das Taxi brachte mich über die alte Deichstraße zum Flugplatz. Deshalb erhielt ich noch einen Platz für die 8:45 Maschine. Ich zahlte und bekam dann die Auskunft. „ Wir müssen noch etwas warten, Juist hat ziemlichen heftigen Schneefall gemeldet, keine Sicht zum Fliegen.“ Meine Sucht meldete sich und ich fragte nach einem Zigarettenautomaten. Über drei Stunden waren seit der letzten Kippe vergangen. „Wir haben hier keinen Zigarettenautomaten. Der nächste Automat hängt in Norddeich.“ „Na ja, noch ne Stunde ohne Zigaretten würde ich wohl auskommen, “ dachte ich. Der Schneefall hatte jetzt auch den Flugplatz erreicht und der Pilot fuhr die kleine Maschine wieder in den Hangar.

10:00

Nach zwei Tassen Kaffee und viele Gedanken an eine Zigarette hörte der Schneefall auf. Meine Sucht meldete sich mehr und mehr. „Aber wir werden ja jetzt nach Juist fliegen“, war mein Gedanke und ich erinnerte mich, dass ich dort im Flugplatzrestaurant schon Zigaretten gekauft hatte. Der Flugplatzangestellte kam mit der nächsten Botschaft, als die Passagiere fragten, ob wir nun endlich fliegen könnten. „Der Schneefall habe zwar aufgehört, aber dafür habe sich Nebel gebildet.“ Auf meine Frage, wie viel Sicht der Pilot denn bräuchte, sagte er: „4500 Fuß horizontal und 500 Fuß vertikal. Zurzeit wäre die Sicht 1000 Fuß horizontal und 150 Fuß vertikal.“
Meine Gedanken kreisten nur noch um Kippen. Der Angestellte musste meinen ersterbenden Blick gesehen haben, denn er schenkte mir eine Zigarette.

12:00

Weiterhin dichter Nebel. Meine nächste Frage nach einem weiteren Kaffee und deutlichen Entzugserscheinungen. „Draußen auf dem Rollfeld herrscht doch Wind. Wind und Nebel? Ich dachte, bei Wind käme kein Nebel auf?“ Antwort: „Die Temperatur draußen auf dem Rollfeld beträgt 1,2 Grad Celsius. Der Taupunkt liegt auch bei 1,2. Dann kommt Nebel auf. Aber das Wetter kann sich ja noch ändern. Dann fliegen wir.“  Der Taupunkt hielt mich also von meinen Zigaretten ab. Werd ich mir merken.
Ich rief meine Zimmervermieterin  Heike Heiken an und schilderte ihr die Lage. „Dann kommen sie doch morgen, wenn heute kein Flugzeug mehr fliegt. Suchen sie sich ein Hotel in Norddeich und besuchen sie den Weihnachtsmarkt in Norden. Der Weihnachtsmarkt dort ist sehr schön“, war ihre freundliche Antwort. Sie wusste allerdings nicht, dass ich normale Weihnachtsmärkte ungefähr so liebe, wie ein Gangster einen Besuch auf Alcatraz beim „Tag der offenen Tür“. Meine Gedanken kreisten um Rückreise und Kippen. Weiterhin warten war angesagt. Mein Inneres startete das Kichern.

14:00

Die meisten Passagiere hatten mittlerweile den Rückzug angetreten. Wir waren nur noch zu neun. Ich zog mir noch einen Kaffee. „Zum Kaffee gehören Zigaretten“, stöhnte ich und rief die Sucht herbei. Als ich jedoch richtig süchtig und leiden wollte, verschwand die Sucht. „Aha, Sucht will nicht gerufen werden, Sucht will der Herrscher der Sinne sein und quälen. Die Sucht ist also eine Sadistin. Sucht ist Lack und Leder.“ Ruhe herrschte in meinen Gedanken.

14:15

Das Wetter klärt sich etwas auf. „Ich hab die Wetterwarte in Borkum angerufen. Die horizontale Sicht ist o.k. Allerdings haben sie dort die Wolken gespiegelt, die Wolkenhöhe liegt bei 300 Fuß. Die Chancen steigen, “ meldete sich der Flugplatzangestellte. „Wolken spiegeln?“ „Äh, ja, ich hatte ja einiges gelernt heute.“

14:30

Wir flogen nach Juist. Ich bekam einen Fensterplatz. Bei einer achtsitzigen Propellermaschine und vier Stuhlreihen war das auch nicht Besonders schwierig. Das Watt sah bei Ebbe, unterbrochen nur von den Wasserführenden Prielen, ziemlich eintönig aus. Braune Matsche. Eine eigene Welt. Bevölkert von unzähligen Wesen. Meine Gedanken schweiften wieder zu den Kippen.  „Aber bald, aber bald, könnte ich Zigaretten kaufen“, dachte ich. Mein Inneres kicherte wieder.

14:45

Flugplatz Juist. Ich holte meine Tasche aus dem Flieger und marschierte zum Platz für die Pferdedroschken. Juist ist autofrei, bis auf Rettungswagen, Notarztwagen und Feuerwehr. Ich schaute zum Restaurant und dachte an Kippen. „Nein, jetzt war ich zu stolz mir welche zu kaufen. Jetzt wollte ich keine Zigaretten mehr.“
Die Pferdedroschke stand nicht auf dem gewohnten Platz. „Ihr müsst ca. eine halbe Stunde oder mehr warten. Ihr seid außerhalb der gewohnten Zeit gelandet, “ war die Auskunft. Mein Innerstes prustete los. „Warum lache ich jedes Mal innerlich, wenn ich mich in scheinbar schwierigen oder misslichen Situationen befinde.“ Blöde Angewohnheit oder Selbstschutz?
Zurück zum Flughafenrestaurant. Auf dem  Schild an der Tür stand folgender, lieblicher Text: „Wir sind Ende Februar wieder für sie da!“ Danke. Mein Kopfschütteln und das innere Lachen waren dies Mal gleichzeitig da.

15:30

Das Hufe klappern der Pferde war schon von weiten zu vernehmen. Die Pferdedroschke hielt an ihrem Platz und wir stiegen ein. Ich als erster. Sicher ist sicher. Ich verstaute mein Gepäck unter der Sitzbank am Einstieg und rückte dann weiter auf der Bank, bis dass ich direkt hinter dem Gespannfahrer saß. Zehn Minuten später, als alle Passagiere in der Droschke saßen, das Gepäck verstaut und noch ein weiterer Anhänger mit Paketen hinter der Pferdekutsche befestigt war, erklärte uns der Wagenlenker, wir müssten noch eine halbe Stunde warten, da käme noch eine außerplanmäßige Maschine. Mein inneres Lachen quoll nach außen als befreiendes Gelächter. Einige der Mitreisenden lachten ebenfalls, andere schauten etwas verstört über diesen Heiterkeitsausbruch.

16:30

Wir erreichten die Pension Seemannstreue, in welcher ich ein Zimmer gebucht hatte. Natürlich hatte ich Eisbeine, weil ich vorne als erster in der Kutsche gesessen habe und deshalb die ganze Zugluft mitbekam. Das mein Gepäck sich verklemmt hatte und nur mit großer Mühe sich unter der Bank hervorziehen ließ, nachdem ich über die stöhnenden anderen Passagiere geklettert war, nun, das halte ich nicht für besonders erwähnenswert.
Ich erhielt von Inhaberin der Pension, welche mich freundlich begrüßte, ein Doppelzimmer anstelle eines Einzelzimmers, das völlig meinen Ansprüchen genügte. Das Blatt schien sich zu wenden. Laptop und Gepäck verstaute ich auf die Schnelle in meinem Zimmer. Ein Lebensmittelgeschäft war nur 50 Meter entfernt. Ich eilte dort hin und kaufte mir eine Packung Kippen. Als ich sie aufreißen wollte, stutzte ich, dachte nach und sagte zu meiner Sucht: „So nicht.“
Ich ging zurück in die Pension, packte meine Klamotten aus, legte sie in den Schrank, und stellte den Laptop auf den Tisch. Gemütlich vor mich hinsummend, schloss ich dann meine Zimmertür ab und spazierte nach draußen. Ich machte die Schachtel mit den Zigaretten auf und steckte mir eine Kippe an. „Die Kippe schmeckte nicht!!!“ Was war das? 5 Minuten später rauchte ich die nächste Zigarette. Auch diese Kippe hatte keinen Geschmack.


Ich sollte wieder öfters reisen.

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Kommentare zu diesem Text


 princess (17.10.10)
Coole neue Geschäftsidee: Reisen Sie sich rauchfrei!
Und wie ging es weiter, nach der zweiten Kippe ohne Geschmack?
*Stell-dich-nicht-so-an-das-wird-schon-wieder*
oder
*na-dann-höre-ich-halt-auf-mit-der-Qualmerei*
oder wie?
:-)
Schöne Geschichte, die ich gerne gelesen habe.
LG Ira

 Mac meinte dazu am 17.10.10:
hallo, princess.

*lach*, die geschäftsidee ist wirklich gut.


naja, drei wochen später hab ich das rauchen aufgegeben. d.h. ich rauche zigaretten nur noch auf parties, wenn ich ein paar bier getrunken habe. vorher 30 zigaretten am tag, jetzt ab und an - nun, damit kann ich locker leben.

danke schön für's lesen und kommentieren.

lieber gruß

mac
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