m.pr.b. winning electaleganteliest

Parodie

von  Matthias_B

mary.duberry, genannt mary primrose beckett (eigentlich Anna Müller), die 1987 ins Licht der literarischen Welt erglomm und seit Oktober 2006 bei uns alles revolutioniert, ist der ihren Worten zufolge völlig hiervon überratschte Jungautor des Monats.  Sie studiert – das möchte man kaum glauben wollen dürfen – Kunst und Schreiben in einem neoliberalen Dorf. Dessen provinzialer Charakter nötigt sie, mit ihrer extra experimentell gestimmten Gitarre in das pulsierende und vor Kreativität überflirrende postmoderne Treiben der Metropolen und den Ozean der Träume einzutauchen, um etwaiger Klarheit über „Menschen, Bilder, Party und Gefühle“ eben nicht Herr zu werden, sondern sie in flippiger wie sinnnebulöser Twenty-something- Textverdrechslung pseudo- synästhetisch hinzugurken. Sie mag jedwede Art von Wetter, das extravagante Nachtleuchten, Welpenblickmatschakkorde samt ordentlichem Brumm-, Zuppel- und Tuckertönen, abgebrochene Typenlettern Gutenbergs auf Pergament und hofft, der Kaugummi, den sie als Kind auf die alte Polaroidkamera ihrer Eltern künstlerisch pappte, würde wieder abbröckeln, damit das irgendwie symbolisch wird. Auf Trödel- und TanteEmmamärkten sucht sie mit einem geheimnisvollen Zwinkern ein altertümliches Boudoir de Canterbury noblesse und das echte Bernsteinzimmer. Sie liebt es, wenn Gras unter den nackten Füßen knarzt. 

Unter dem genial simplen Namen mary primrose beckett erschafft sie unter Aufopferung eines Großteils ihres Lebens verbale und musikalische Welten, die es erst zu, äh, lurchdringen gelte. In ihrer deshalb wenig vorhandenen freien Zeit hoppelt sie mit Doris-Day-Frisur und Petticoat als, hihi, Beatdienung durch einen Plattenladen mit integrierter "Rock-and-roll-Schnitzelbar“, der von verhaschten Altlinken frequentiert wird. Dort schnappt sie dann und wann Wortfetzen auf, die in spontanen und daher echtgefühligen Texten für die Nachwelt eingedost werden. Auch hat sie dort gelernt, dass ein verschämt nach der ziellosen Ferne des Bodens gerichteter Blick unter dem Rapunzelhut als polyvalent gelobt wird.

Mit dem Beginn ihres individuellen Studiums kriegt sie nicht genug vom Daherkritzeln. Die nostalgisch vergilbten Kladden aus den Sechziger Jahren, in welche sie wahllos die nach allen Richtungen verwehten Luftschlangen der Kernspinnfaslopathie hineinnudelt, ächzen fast unter der herme-nautischen Gewalt ihrer monumentalen Werke. Nachdem sie planlos Farbtöpfe und Käfer auf die Leinwand geworfen und dann geguckt, was dabei herausgeschwommen sei, hat (this Syntax kills, gell?), muss sie diese vielschichtig deut- und schmierbare Struktur nur noch textlich transformieren. Sie will nicht konventionell sein. Ihre Texte kreisen immer um diesen Fixpunkt des Nichts, der ganz schön schlauchen könne, wenn man ihn eigentlich unerwusst erfassen wolle, so die verspielt- kecke Mary, pardon, mary. Es ist eine undankbare Aufgabe, aber die Kunst verlangt es, dass sie unter größter Aufopferung letztendlich nicht erfüllt werden solle. Selbst auf der Toilette. Im Dienste der höheren Idee habe ich kein Ich mehr, seufzt sie bedeutungsschwanger und erntet überschwappende Empathie unsererseits.


Wer diese unnahbare, personifizierzerbrechliche Schönheit der grenzenlosen Interpretation näher kennenlörnen mechte, sollte sich deren eindruckstvollen Texte nachts bei einem Glas Brotwein zu Gemüte führen

- when the stars lost their shining matter
- ich waere staerker, but it depends

weil man darüber nicht mehr lediglich sprechen, sondern dies vor allem fühlen muss. Oder

- die zungen schweigen, the eyes talk louder
- will the triangle be a circle?

Das sind unglaublich starke Werke voller Träume, die wie ein falsches Ticket am richtigen Bahnhof gelöst wurden und der Kondukteur dir trotzdem einen Kuss auf die unschuldige Wange gibt, wie mary mit zitternder Verletzlichkeit wispert.


Die Texte sind ähnlich duftmarkig aufgebaut, was der individuellen Note der fragilen Revolutionärin nur gerecht werden könne (hier am Text „das gote an schlechten heiden“ aufgezeigt) :

+ kindertextueller Einstieg
+ verhuscht ausgemalte Mini- Schockmomente gesellschaftlicher Semi- Relevanz
+ ein paar eingestreute,  wie Übersetzungen der Aphorismen George W. Bushs klingende Spruchmarken, die einen im Gedächtnis neuronisieren
+ merkelsche „engagierte Unbestimmtheit“  des Interpretationsbotomupdownkarussells
+ innovative Alleskleinschreibung im quintessenzigen Kontrast zur rusty Interpunktion

Wie gratulieren dem somit beglückten Madl echt volle Kanne und, yo, nächsten Monat iss' wieder eine Platzhenne unsres soziologischen Gesinnungskartells dran, mit dem Mädchautor-des-Monats-Lametta angeschniedelt zu werden.


Anmerkung von Matthias_B:

"engagierte Unbestimmtheit" zitiert aus:

H. Schmale - Herrgottsakra!
(Berliner Zeitung, 2008)
Das Zitat ist als untenmittige Binnenhandlung eines Rahmens der Mitte von Rahmen und Mitte gemeint und auch so zu interpretieren.

Der ganze Text ist eine Parodie auf den Klappentext zur diesmonatigen Jungautorin.
[editiert: die jetzt schon seit Juli [2011] abwesend ist]
[Update: Formatierung]

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