Der heilige Hund, III. Abschnitt

Persiflage zum Thema Heilige/s

von  Sanchina

Der alte Pfarrer war gestorben. Er lag - angenagt, halb skelettiert und schon ganz weich geworden - vor seiner Höhle, zu seinen Füßen ein winziges Gerippe. "Das ist Peppi!" rief Edgar zutiefst ergriffen aus, "er ist seinem Herrn bis in den Tod gefolgt, der Getreue!" Er barg das Häuflein Knochen ehrfurchtsvoll in seinen großen Händen und legte es ganz vorsichtig mit auf die Bahre. Dann trugen die Männer mit sehr würdevollen Mienen die sterblichen Überreste, die sie gefunden hatten, ins Dorf hinunter. Im Rahmen einer Zeremonie, an der das ganze Dorf teilnahm, wurden Herr und Hund auf dem Kirchhof begraben. Der junge Pfarrer, der die Trauerrede hielt, behauptete, sein Vorgänger  sei wahrhaftig ein Heiliger gewesen. Daraufhin erklärte die versammelte Gemeinde auch den Hund für heilig. So ging Peppi als heiliger Hund in die Dorfannalen ein.

...

Die Jahre vergingen und die Legende verdichtete sich. In der Kreisstadt, nämlich im Fremdenverkehrsamt, fand man die Geschichte witzig und nannte das Dorf Quiddorf in den Broschüren für Touristen fortan nur noch "Sankt Peppi". Der katholische Pfarrer verfasste einen wütenden Brief an das Fremdenverkehrsamt, den er jedoch niemals abschickte. Auch ihn ergriff die sakrale Stimmung, wenn er an das heilige Grab trat.

Dank der - eher unbeabsichtigten - Unterstützung des Fremdenverkehrsamtes entwickelte sich das Grab des Heiligen Peppi - das Herrchen war längst in Vergessenheit geraten - zu einer viel besuchten Sehenswürdigkeit und einem Anziehungspunkt für Krähen, Ratten und anderes Kleingetier, weil die Besucher immer Leckerlis für Peppi darauf verstreuten. Viele Jahre später wurde dann das Dorf Quiddorf offiziell in "Sankt Peppi" umbenannt.

Als sich - sehr viele Jahre später - moderne Archäologen und Historiker - für die wahren Ursprünge des legendären St. Peppi interessierten, wühlten sie in dem Grab des heiligen Hundes herum und fanden tatsächlich ein paar kleine alte Knochen. Diese identifizierten sie als Teile einer Ratte und wurden daraufhin mit Schimpf und Schande aus dem Dorf gejagt. Die Flegel hatten sich am Unantastbaren vergriffen und fanden im gesamten Landkreis nie wieder ein Quartier.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (11.03.14)
Mit leiser Ironie hast du amüsant und glaubwürdig erzählt, wie Heiligenlegenden entstehen.
LG
Ekki

 AZU20 meinte dazu am 12.03.14:
So sehe ich es auch. LG
Anne (56)
(13.03.14)
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