Meines Bruders stille Zeit

Text

von  atala

Wasser tropft von meinem Haar und benetzt meine Schultern, während ich in den Händen das Foto halte. Wir sind darauf abgelichtet als wir noch klein waren. Es zeigt mich stehend in einem Sonnenblumenkleid vor unserem alten Haus. Du sitzt kniend am Boden, eine Kreide in der Hand und blinzelst in die Sonne. Ich lächle in die Kamera und entblösse meine Zahnlücke. Wo das Foto hing, hebt sich jetzt ein heller Fleck ab. Ich klebe es wieder an die Wand und streiche es glatt. Ich kann es dir nicht geben, ich brauche unser Bild von gestern mehr als du.
‪Heute gehe ich dich besuchen. Ich kaufe an der Tankstelle noch Zigaretten für den Weg und für dich, weil du immer welche brauchst.‬‬‬
‪Die Strasse, die zu dir führt, ist steil. Mein alter Wagen macht fast nicht mit. Der Rückweg geht besser, denke ich mir und bin doch nicht erleichtert. Auf dem Weg zu dir umgeben mich die Berge. Stumm und gewaltig ragen sie in den Himmel. Manche Hänge zeigen weisses Gestein als wäre es das Skelett der Erde. Ich sehe sogar das Innere, der Berg wurde ausgesprengt. Die Wunde klafft dunkelgrau heraus. Wenn du anrufst, sagst du, du fühltest dich als Gefangener der Gebirge. Ich rede dann statt dessen von der reinen Luft und der Aussicht. Und doch wirken die steinernen Riesen nun auch für mich wie unbewegliche Wächter, die sich mir emporstellen.‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬

Die Klinik sieht von aussen aus wie ein gewöhnliches Haus. Eine Jugendherberge könnte man denken, nur der leichte Geruch nach Desinfektionsmittel enttarnt es. Eine hellgekleidete Frau begrüsst mich mit lauter Stimme und lächelt auch beim Sprechen. Beim Steigen der Treppe reiben sich meine Schuhsohlen am Laminat. Du öffnest die Tür deines Zimmers, sie trägt die Nummer neunzehn.
Nichts in deinem Zimmer gibt Anzeichen, dass es deins ist. Du hast sogar dein Faible für bunte Sneakers abgelegt. Mit raspelkurzen Haar und dunklem Shirt stehst du vor mir. Ich betrachte dich eingehend, suche dich nach Spuren ab. Doch weder Einstichlöcher sind zu sehen noch aufgedunsene Haut und deine Wangen waren schon immer so kantig. Nur deine Augen, die mir fremder sind alles andere an dir, die mich an trübes Gewässer erinnern, zeigen deinen Zustand an.
Immer wenn ich bei dir bin, erinnere ich mich an Tage aus der Kindheit. Dabei tue ich so wie  unsere Tante, die immer die Lippen so rund macht beim Sprechen und uns über die Backen streicht, als wären wir noch Kinder. Ich spreche nur von den blauen Mündern, die wir hatten wegen den Beeren, dem kniehohen Gras, das Vater niemals schnitt und von den gesammelten Nüssen, die wir in der Nachbarschaft verkauften. Und weisst du noch der böse Mann von nebenan, der uns mit Polizei drohte und zu jeder Tageszeit mit Bademantel vor die Türe ging?

Du gehst durch den Aufenthaltsraum, in dem man nicht rauchen darf, vorbei an Bildern mit kleinen Katzen und Schnittblumen in Vasen. Auf der Terrasse sind wir alleine. Wir setzen uns auf die steinernen Fliessen und lehnen uns an die Wand.  Die Wiese vor uns  ist sattgrün und mit Margeriten übersät, so dass man den baumhohen Zaun hinter den Büschen fast nicht bemerkt. Ich biete dir Zigaretten an, du klaubst wortlos eine aus der Packung.

„Ist dich Sarah schon besuchen gekommen?“, frage ich in die Stille hinein. Du schnaubst. „Die würde es keine Sekunde hier aushalten“, sagst du und nickst zu den kreisrund getrimmten Büschen. Um dich abzulenken erzähle ich dir von unserem Foto vor dem alten Haus. Ich nicke, als du fragst, ob ich es dir das nächste Mal mitbringe.
Der Wind frischt auf, am Horizont sieht man dunkle Wolkentürme. Wir gehen wieder hinein. Du möchtest dich nicht zu den anderen an den Tisch setzen und so steigen wir die Treppe zu deinem Zimmer hinauf. In der Toilette sind die Wände gelb gestrichen. Nachdem ich mir mit Seifenstücke in Muschelform die Händen gewaschen habe, wische ich die Tränen weg und fühle mich pathetisch. Kein Grund traurig zu sein in dieser sauberen Freundlichkeit mitten in der Bergidylle.

Dein Gruppengespräch beginnt bald, wir verabschieden uns. Ich lasse dich in deinem Zimmer zurück und gehe die lange Treppe hinunter. Die Frau am Eingang telefoniert und ich senke den Kopf. Beim Verlassen des Gebäudes höre ich den Donner über meinen Kopf rollen. Der Himmel über mir hat die Farbe von schwarzer Tinte in einem Wasserbad. Kurz bevor ich mein Auto erreiche, ergiesst sich ein schwerer Regen über die sommerliche Landschaft.‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 Lluviagata (29.03.16)
Etwas weniger Pathos [Mit kurz geschnittenem Haupt ...], mehr Sachlichkeit bzw. Logik [Die Wiese vor uns ist satt grün und mit Margarethen übersät, so dass man den Zaun fast nicht bemerkt. - sagst du und nickst zu den kreisrund geschnittenen Büschen ...] und noch ein wenig mehr grammatikalische Gründlichkeit [Du möchtest nicht zu den Anderen an den Tisch sitzen ...] täten der Geschichte viel Gutes.

Liebe Grüße
Llu ♥

 Dieter_Rotmund (29.03.16)
Stand das nicht schonmal online???

Falls ja, wäre es nett gewesen, wenigstens die gröbsten Fehler zu korrigieren, nur so aus Höflichkeit. Z.B. " ..und entlösse meine Zahnlücke". Nun, ja.
parkfüralteprofs (57)
(29.03.16)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Dieter_Rotmund (28.03.19)
Atala redet nicht mit uns.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 10.10.19:
Aber den albernen RS-Fehler hat er/sie korrigiert. Immerhin.
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram