Das personifizierte Nichts

Theaterstück zum Thema Wahrnehmung

von  Terminator

Stell dir einen langweiligen Menschen vor. Ein Mensch, in dessen geistloser Gegenwart Minuten wie Stunden vorkommen. Stell dir vor, dieser Mensch ist auch noch dumm. Kein Vollidiot, aber einfach dumm. Er kann aus Büchern zitieren, überall sein "ja, aber" reinklatschen, versteht aber nicht die einfachsten Zusammenhänge. Stell dir vor, dieser Mensch ist moralisch ein Nichts, ein feiger Schurke, ein Opportunist, kurz: ein Arschloch.

Es gibt - aus der Perspektive des Geistes auf das Leben geschaut - unzählige Abartigkeiten in der Natur, es gibt Hässlichkeit, Grausamkeit, Ekel. Ihre Wirklung auf das menschliche Gemüt kann so verheerend sein, dass sie die Furcht vor dem Tode in Todessehnsucht umwandeln. Können solcherlei Abartigkeiten noch entarten, so dass sie, anstatt den Unwert des Lebens zu zeigen, einen umso stärker an das Leben fesseln, je unerträglicher sie werden?

Zurück zu unserem langweiligen dummen Arschgesicht. Dieser Mensch hat ekelhafte Angewohnheiten, widerliche Charaktereigenschaften, ein furchtbares Benehmen. Es ist klar, dass wir einen solchen Mensch nur aus großer Barmherzigkeit in unserer Nähe dulden, und uns insgeheim oder offen wünschen, dass es ihn nicht gäbe. Stell dir nun vor, dass dieser Mensch jung, weiblich und wunderschön ist.

Einerseits gibt es die unglückseligen Schlüsselreize, die dafür sorgen, dass einem selbst ein hässliches Kind noch niedlich vorkommt, und sich die Beschützerinstinkte regen. Der sexuelle Reiz kann jedes ästhetische Urteil korrumpieren, so dass die vulgäre Karikatur einer Frau mehr begehrt wird als ein wahrhaft schönes Frauenbild. Doch solange das ästhetische Empfinden auf der Seite der Vernunft ist, haben die Triebe kein leichtes Spiel. Aber was passiert, wenn wahre Schönheit zur Hülle einer erbärmlichen Figur wird, und diese Hülle so perfekt sitzt, dass der Betrachter sie mit dem Haufen Elend identifiziert?

Stell dir einen angenehm ruhigen Menschen vor, den zu unterhalten stets eine Freude ist. Stell dir vor, dieser Mensch ist, nein nicht naiv, aber auch kein anstrengender Zyniker. Der Naivität widerspricht der Umstand, dass er gebildet ist, und zu jeder Aussage schlagfertig einen treffenden Einwand findet, ohne sich auf Spekulationen einzulassen. Er hat keinen Stock im Arsch, lässt sich nicht vorschreiben, was er zu tun hat, und macht was er will. Schau doch, wie sympathisch seine kleinen Macken ihn machen; er ist sehr menschlich, und manchmal richtig kindlich. Es ist ein Traum, einen solchen Menschen in seiner Nähe zu wissen, ach, ohne ihn wäre diese Welt eine karge Wüste! Wen kann da noch wundern, dass dieser wunderbare Mensch eine wunderschöne junge Frau ist?

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Kommentare zu diesem Text


 eiskimo (07.04.21)
Die ersten vier Absätze fand ich spannend, super aufgebaut und ich war auf den Schluss in Absatz 5 gespannt. Der hat mich aber verwirrt und etwas ratlos zurückgelassen.
Die Schönheit als Hülle einer erbärmlichen Figur, da könnte man drauf aufbauen...
vG
Eiskimo

 Terminator meinte dazu am 07.04.21:
Der Schlussteil zeigt, wie wir, getäuscht von der Erscheinung, das Wesen übersehen.
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